Archiv der Kategorie: Soziales

2. Presserklärung des EV zur möglichen Wochenmarktschließung in St. Georg

Pressemitteilung des Einwohnervereins zur drohende Markt-Schließung in St. Georg vom 27.10.2019

Sehr geehrte Damen und Herren,
in der vergangenen Woche machte ich Sie bereits aufmerksam auf ein Papier des Bezirksamtes Hamburg-Mitte vom 1. Oktober, nach dem die Wochenmärkte in Finkenwerder, Hamm, Rothenburgsort und St. Georg mangels „Kostendeckung“ evtl. zum Jahreswechsel geschlossen werden sollen. Wie angekündigt, haben VertreterInnen des Einwohnervereins St. Georg auf der Sitzung des „Ausschusses für Wochenmärkte“ am 23. Oktober scharf dagegen protestiert. Zwar erklärten die Parteien unisono, gegen die Schließung von Wochenmärkten zu sein, sie legten aber überwiegend kein klares Statement gegen die angeblich nötige Kostendeckung durch die MarktbeschickerInnen ab. Der Einwohnerverein unterstrich seine Haltung,die Wochenmärkte als Teil der Nah- und Grundversorgung zu begreifen und zu verteidigen, allemal in Zeiten wegbrechender inhabergeführter Geschäfte und des klimapolitischen Nachhaltigkeitsgebots.

Morgen wird der Einwohnerverein nun mit einer Unterschriftensammlung gegen die mögliche Schließung des Donnerstagsmarktes auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz an der Langen Reihe beginnen. Sollten sich die Schließungspläne verdichten, wird der Einwohnerverein Mitte, spätestens Ende November zu einer Kundgebung aufrufen und auch versuchen, die anderen, betroffenen Stadtteile für weitere Proteste zu gewinnen. Alle nötigen Dokumente zu diesem Thema (die Ihnen bereits zugegangenen, aber auch das nachgereichte Statement der LINKEN und eine Unterschriftenliste des Einwohnervereins) finden Sie im Anhang.

Über eine Berichterstattung würden wir uns sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Joho
Vorsitzender

Unterschriftenliste zum Download

 

Pressemitteilung vom 21.10.2019 zum drohenden Aus lange existierender Wochenmärkte

Sehr geehrte Damen und Herren,

einer Vorlage des bezirklichen Fachamtes Interner Service Hamburg-Mitte vom 1. Oktober 2019 (s. Anhang) ist zu entnehmen, dass die Wochenmärkte in Finkenwerder, Hamm, Rothenburgsort und St. Georg nicht kostendeckend arbeiten würden und von daher möglicherweise schon zum 1. Januar 2020 geschlossen werden sollten.

Auch wenn es zurzeit noch eine ablehnende Haltung der Bezirksfraktionen von SPD und GRÜNEN wie auch der CDU und der LINKEN zu geben scheint, so möchten wir seitens des Einwohnervereins St. Georg doch schon hier und heute auch nur das Ansinnen des Fachamtes, den donnerstäglichen Wochenmarkt auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz an der Langen Reihe aus Gründen der mangelnden Kostendeckung womöglich einzustellen, mit allem Nachdruck zurückweisen. Sollten weitere Schritte in dieser Richtung zustande kommen, werden wir – auch im Verbund mit anderen Quartieren – zum öffentlichen Protest gegen das Bezirksamt aufrufen.

Wochenmärkte sind zentraler Bestandteil der Nahversorgung in den Stadtteilen, dies um so mehr, weil in den letzten Jahren von behördlicher Seite nichts unternommen wurde, das (Aus-) Sterben der kleinen, inhabergeführten Geschäfte zu verhindern. Dies gilt insbesondere auch für die Lange Reihe, wo kaum noch alteingessene Läden, dafür inzwischen aber rund 50 % Gastronomie zu finden sind. Die Durchsetzung des Donnerstagsmarktes ab dem 24. August 1989 wie auch die Einbenennung des Platzes nach Carl von Ossietzky am 27. Februar 1990 steht in engem Zusammenhang mit den Aktivitäten des damals noch recht jungen Einwohnervereins von 1987. Wir werden drei Jahrzehnte später nicht nachlassen, diesen Markt zu unterstützen und zu verteidigen, auch wenn die Begrenzung der Öffnungszeit auf die Mittagszeit vielen BürgerInnen von Beginn an ein Dorn im Auge war. Die Schließung dieses wie auch der anderen Wochenmärkte verbietet sich auch deshalb, weil hier – im Unterschied zu den Kaufhäusern und anderen Läden – Waren direkt von den ErzeugerInnen gekauft werden können, ohne größere Transportwege, Zwischenhandel oder Plastikverpackung. Die Sicherung der Nahversorgung und umweltfreundliche Aspekte müssen Vorrang genießen vor Kostendeckungsüberlegungen. Ampeln kosten schließlich auch Geld.

Auf der Sitzung des bezirklichen Ausschusses für Wochenmärkte am kommenden Mittwoch, den 23. Oktober, um 18.00 Uhr im Sitzungssaal der Bezirksversammlung (Caffamacherreihe 1-3, 11. Stock), wird es darum gehen, diesem prophylaktischen Protest Ausdruck zu verleihen.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Joho, EV-Vorsitzender

Presseerklärung des Einwohnervereins zu Alkoholkonsum auf dem Hansaplatz

Erklärung des Einwohnervereins St. Georg von 1987 e.V. vom 21.10.2018

Der Einwohnerverein St. Georg beschäftigt sich seit seiner Gründung 1987 intensiv mit der Entwicklung des Stadtteils, insbesondere auch mit seinen „Brennpunkten“ Hauptbahnhof und Hansaplatz. Gut drei Jahrzehnte haben uns gelehrt, dass die vielfältigen globalen und sozialen Probleme, die sich in einem Hauptbahnhofviertel nun einmal im besonderen Maße niederschlagen, niemals durch allzu einfache Antworten oder eine rein lokale (z.B. auf den Hansaplatz begrenzte) Sicht gelöst werden können. Schon gar nicht durch eine einfache Verdrängungsstrategie, wie sie regelmäßig von konservativen und populistischen PolitikerInnen, flankiert durch eine in Teilen undifferenzierte, an der Oberfläche verbleibende Medienberichterstattung, eingefordert wird. Nichtsdestoweniger reicht nicht alleine der Verweis auf die Komplexität der Probleme, es müssen im Einzelfall und in der konkreten Situation auch Vorschläge her, die das Leben der Menschen verbessern und das Nebeneinander unterschiedlicher Personengruppen erleichtern.

Vor diesem Hintergrund bezieht der Einwohnerverein wie folgt Stellung.

  1. Gewalt darf in einer weltoffenen Metropole und sowieso in einem Hauptbahnhofviertel kein Mittel der Auseinandersetzung bei Problemen und Konflikten sein. Es ist Zeit, auf verschiedenen Ebenen zu handeln, um die für nicht wenige AnwohnerInnen belastende Situation auf dem Hansaplatz zu verbessern. Dies kann nur funktionieren, indem alle den Platz nutzenden Gruppen in ihrer Interessen- und Bedürfnislage berücksichtigt und einbezogen werden.
  1. Vereinfachende Zustandsbeschreibungen der Problemlage auf und um den Hansaplatz und eine eindimensionale Verdrängungsstrategie zur Vertreibung bestimmter Personengruppen werden weder den Betroffenen noch menschenwürdigen Grundsätzen noch der jahrzehntelangen Bedeutung und Rolle des Platzes gerecht.
  1. Im Sinne des Ziels „einer offenen Stadtteilgesellschaft, in der die verschiedenen Lebensentwürfe nebeneinander Platz und Akzeptanz finden“ (s. Stadtteilbeirats-Beschluss vom 29.3.2017 weiter unten), müssen allerdings Störungen und Belastungen angegangen werden. Ein Problem ist, dass vereinzelt Glasflaschen auf dem Platz zerschlagen und bisweilen auch als Waffe eingesetzt werden. Auch wenn die Dimension dieses Problems unterschiedlich eingeschätzt wird, sind Glasflaschen nun auch nicht der Inbegriff einer freien, demokratischen und sozial orientierten Gesellschaft. Anders formuliert: Wenn Glasflaschen mit Problemen einhergehen und Ersatz möglich ist, kann und soll darüber nachgedacht werden.
  1. Der Einwohnerverein bleibt skeptisch, wie ein Glasflaschenverbot auf und um den Hansaplatz durchgesetzt werden soll. Er kann sich aber vorstellen, in einer Art Probephase von einem halben Jahr den Verkauf von Glasflaschen auf und am Platz einzuschränken bzw. zu untersagen und dann zu evaluieren. Da es aus unserer Sicht nicht um ein grundsätzliches Alkoholverkaufsverbot gehen kann und soll – das lehnen wir aus prinzipiellen Erwägungen ab –, bleibt die Alternative, in den betreffenden Läden und vor allem Kiosken zumindest abends und nachts auf den Verkauf von Plastikflaschen umzustellen. Dem zunächst temporären Verkaufsverbot sollten Bemühungen und Gespräche mit den einschlägigen Läden und Kiosken vorausgehen, von sich aus das Sortiment abends und nachts auf Plastikflaschen umzustellen. Gerne auch auf Dauer.
  1. Glasflaschen sind weder der Inbegriff einer freiheitlichen Gesellschaft noch gar der Kern der vielschichtigen Problemlage. Eine wesentliche wenn nicht gar zentrale Ursache für den Alkoholkonsum (von Selters in Glasflaschen ist ja nirgends die Rede) sind soziale und individuelle Verhältnisse von Menschen, die mit Entwurzelung, Perspektivlosigkeit und permanenter Benachteiligung und Ausgrenzung einhergehen. Eine von unserer reichen Gesellschaft zugelassene Obdachlosigkeit ist so ein kritikwürdiger Zustand; es wäre ein Leichtes, ihn durch die Schaffung von vernünftigem Wohnraum zu überwinden. Die miese Unterbringungssituation, das Arbeitsverbot und die völlig mangelhafte Ansprache von jungen, in Hamburg gestrandeten Geflüchteten ist ein anderer, durch nichts zu legitimierender Mißstand.
  1. Der Einwohnerverein fordert schon seit längerem, endlich Anlaufpunkte und Aufenthaltsstätten für junge Geflüchtete zu schaffen. Einrichtungen der Sozialarbeit, die gerade nicht, wie Markus Schreiber (im Interview mit dem ZEIT-Newsletter „Elbvertiefung“ vom 18.10.2018) anregt, „durch Gemeinden und ehrenamtliche Initiativen“ betrieben werden, sondern selbstverständlich staatlich finanziert und professionell geführt werden müssen! Eine solche Einrichtung könnte beispielsweise im Eckhaus Hansaplatz/Ellmenreichstraße angesiedelt werden. Seit rund zehn Jahren steht das großflächige Souterrain leer. Eine andere Einrichtung könnte Platz finden in der ehemaligen Handelsschule am Holzdamm, die mit ihren gut 7.000 qm seit Herbst 2017 absurderweise ebenfalls leer steht. Dieses Gebäude bietet die Möglichkeit, verschiedenen sozialen Einrichtungen wie nicht zuletzt den zurzeit notdürftig in Containern im Münzviertel untergebrachten Obdachlosenanlaufpunkten der Caritas Unterkunft zu bieten.
  1. Denken wir also größer und weiter. Und nachhaltiger.
Antrag des Einwohnervereins St. Georg von 1987 e.V. für den Text einer Erklärung des Stadtteilbeirats St. Georg. Auf dessen Sitzung am 29.3.2017 wurde er mit großer Mehrheit angenommen (vom gesamten Beirat mit ca. 50 : 5 : 1 Stimmen, von den stimmberechtigten Beiratsmitgliedern mit 12 : 1 : 1 Stimmen).
Aus aktuellem Anlass erklärt der Stadtteilbeirat St. Georg:
Eine Stadtteilgesellschaft wie St. Georg ist sowohl ein „Melting Pot“ (Schmelztiegel) wie auch eine „Salad Bowl“ (Salatschüssel). Hier treffen Menschen aller sozialen Schichten wie auch mit den verschiedensten kulturellen Hintergründen aufeinander, leben teils ihr eigenes Leben, kommen aber auch beständig in Kontakt mit anderen Gruppen von Menschen.
Unser Ziel ist das einer offenen Stadtteilgesellschaft, in der die verschiedenen Lebensentwürfe nebeneinander Platz und Akzeptanz finden – ein Hauptbahnhofviertel ist ein Hauptbahnhofviertel ist ein Hauptbahnhofviertel, mit gut 10.000 BewohnerInnen, 40.000 Arbeitenden, täglich 600.000 Bahnhofsgästen und eben auch vielen Entwurzelten, Gestrandeten und Verarmten dieser oftmals keineswegs gerechten, humanen Welt.
Gewalt darf gerade in einer weltoffenen Metropole und sowieso in einem Hauptbahnhofviertel kein Mittel der Auseinandersetzung bei Problemen und Konflikten sein. Gewalt hat aber auch etwas mit sozialen und psychischen Ursachen zu tun; deren Ausblendung führt zu falschen Konsequenzen und einer alleinigen Betonung repressiver Maßnahmen.
Vor diesem Hintergrund erfüllt die Polizei eine wichtige und oftmals auch schwierige Aufgabe. Wir BewohnerInnen und Gewerbetreibenden erleben deren Einsatz als hilfreich und dem friedlichen Zusammenleben dienend. Wir haben viele positive Eindrücke und Erfahrungen, um die Arbeit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten als GesprächspartnerInnen, DeeskaliererInnen und HelferInnen in der Not zu würdigen. Dafür sagen wir einfach mal Dankeschön!
Wir möchten aber auch nicht die Augen davor verschließen, wenn es Ungereimtheiten oder Widersprüche bei dem einen oder anderen polizeilichen Einsatz, Kritik an bestimmten polizeilichen Strategien oder etwaigen diskriminierenden Praktiken gibt. Polizei gehört als Institution ebenso wie das individuelle polizeiliche Verhalten einer allgemeinen Transparenz und einer öffentlichen Kontrolle unterstellt – das ist einer der Grundpfeiler der demokratischen Gesellschaft. Allzu schnelle Vorab-Verurteilungen und das Schüren von Ressentiments – in welcher Richtung und von wem auch immer – sind unter allen Umständen zu vermeiden, schon um das friedliche Miteinander nicht zu gefährden.

Pressemitteilung zum MIETENmove

Treffpunkt der St. GeorgerInnen am 2.6. um 12.30 Uhr auf dem Hachmannplatz/Bieberhaus

Pressemitteilung zum
„MIETENmove!“ – Dem Mietwahnsinn entgegentreten
vom Netzwerk Recht auf Stadt Hamburg

Berlin, Leipzig, Göttingen, Düsseldorf, Nürnberg oder auch Stuttgart – seit Wochen protestieren Menschen bundesweit gegen den Mietwahnsinn, diesen Samstag geht Hamburg auf die Straße.

Ein Bündnis aus rund 130 Gruppen, Initiativen, Vereine, Verbände, soziale Einrichtungen und Kultureinrichtungen ruft am morgigen Samstag, den 2. Juni zu einer Demonstration als Zeichen gegen den Mietwahnsinn in Hamburg auf. Um 13 Uhr geht es am Spielbudenplatz los. Zunächst Richtung Schanzenviertel, dann die Feldstraße hoch Richtung Gänsemarkt, den Jungfernsteig entlang zum Rathaus und schlussendlich über die Mönckebergstraße zum vom Abriss bedrohten City-Hof.

In ganz Deutschland wird der Unmut über steigende Mieten laut. Am 14. April diesen Jahres gingen in Berlin rund 25.000 Menschen gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn auf die Straße. Nun will Hamburg ein Zeichen gegen den Mietwahnsinn setzen. „Das bedingungslose Vertrauen des Senats in den Markt, hat sich als falsch erwiesen“, sagt Christina Zeh, aktiv bei Pro Wohnen Ottensen, dazu. „Auch die vor drei Jahren eingeführte Mietpreisbremse ist nicht mehr als ein zahnloser Tiger.“

Es geht jedoch nicht nur um Wohnungsmieten, auch nachbarschaftliches Kleingewerbe bangt um seine Existenz. Noch schlimmer steht es um die, die erst gar keine vernünftige Wohnung haben: Menschen, die Jahre lang in temporären Unterkünften „geparkt“ sind wie Obdachlose. Aber auch Bauwagenplätze müssen regelmäßig um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Bei Quadratmeterpreisen von bis zu 30 Euro, wie sie das Unternehmen Akelius verlangt, sind längst nicht mehr nur einkommensschwache Haushalte von Verdrängung bedroht, sondern auch die Mittelschicht. Wohnen wird immer mehr zu einem Luxus, dabei verstehen laut einer Studie der Caritas 93 Prozent der Deutschen Wohnen als ein Menschenrecht.

Kontakt für Rückfragen:

Sprecher*innenrat vom Netzwerk Recht auf Stadt Hamburg
E-Mail: info@rechtaufstadt.net
Telefon: 0152 27 26 63 45

Kontakt auf der Demonstration:

Sie erreichen die Pressegruppe für Interviews auf dem MIETENmove! über die oben stehende Telefonnummer oder finden sie am Recht auf Stadt-Wagen im vordersten Teil der Demonstration.

Weitere Informationen:
www.mietenmove.org 

Rede zum Thesenanschlag am 19. Mai von Bernhard Stietz-Leipnitz

Von Bernhard Stietz-Leipnitz, Gründungsmitglied des Einwohnervereins und Mitglieder der Redaktion der Stadtteilzeitung „Der lachende Drache“, dessen 300. Ausgabe im Februar 2017 erschienen ist. Der nachfolgende Text ist die Grundlage für die Rede, die Bernhard St.-L. am 19. Mai 2017 anlässlich des „St. Georger Thesenanschlags“, des Anbringens von 95 Titelseiten des „Lachenden Drachen“ aus den letzten drei Jahrzehnten  an der Litfaßsäule auf dem Carl-Ossietzky-Platz, vor rund 40 ZuhörerInnen gehalten hat.

Im April 87 wurde der EV von ca. 50 St. GeorgerInnen gegründet, die der Wille verband zur Einmischung und Abgrenzung vom Bürgerverein und den „Blättern aus St. Georg“, die eher Interessenvertretung für die Gewerbetreibenden und Grundeigentümerinnen betrieben.

Die EinwohnerInnen wollten und sollten beteiligt sein an den aktuellen stadtteilpolitischen Debatten, über mehrere Jahre gab es die Veranstaltungsreihe „St. Georg im Gespräch“, aber eben auch eine Zeitung von unten: Den „Lachenden Drachen“. . Es war die frühe Phase der Computerzeit, Herstellung noch eher mit der Hand, mit der Schreibmaschine, der Schere und Fix-O-Gum als auf dem PC. Deshalb auch – wie zu sehen – keine elektronische Archivierung, die gibt es erst seit ca. 2002. Natürlich alles in der Geschichtswerkstatt archiviert.

Der Drache wurde und wird rein ehrenamtlich von Vereinsmitgliedern gemacht, er finanziert sich weitgehend über Anzeigen der örtlichen Gewerbetreibenden. Hinweis: Wir nehmen noch KundInnen.

In den ersten Jahren immer mal Tiefs: Die Redaktion wurde durch Wegzüge dezimiert, es gab auch mal für zwei Monate keinen neuen Drachen. Insgesamt aber im Durchschnitt 10 Ausgaben pro Jahr, das macht 300 in 30 Jahren. Nummer 300 erschien im Februar, Nummer 303 ist in Arbeit/hier zu haben.

In den letzten Jahren gibt es eine feste Redaktion mit regelmäßigen Treffen. Am vierten Mai hatten wir 10 Redaktionen von Stadtteilzeitungen zu Gast für einen Workshop, aus dem hoffentlich weitere Zusammenarbeit erwächst.

Unsere Themen:
Von Anfang an begleiteten wir die Debatte um die Drogenpolitik dieser Stadt. Einige werden sich noch gut erinnern an die Spritzen auf den Spielplätzen und an die Freierkreisel rund um die Lange Reihe. Beides war für den Drachen Thema, immer mit dem Fokus auf Hilfe für die Abhängigen und Härte gegen die Dealer und die Freier.

Und ebenso begleitet uns das Thema Verdrängung und Aufschickung von Beginn an. Seit den „Vorbereitenden Untersuchungen“ 1978 und dem Beginn der Sanierung im Gebiet S 1 1982 hatte sich schon einiges getan. Die ersten Neubauten waren entstanden, aber auch die Umwandlung von Altbauwohnungen in Eigentum mit den entsprechenden Verdrängungsfolgen hatte 1987 bereits begonnen.

Und das hatte dann auch zur Folge – Sanierung erfolgreich abgeschlossen? – dass der Sanierungsbeirat bereits 1989 auf der Kippe stand. Die Proteste aus dem Stadtteil erreichten dann, dass die PolitikerInnen zähneknirschend einen „Unterausschuss St. Georg“ des Kerngebietsausschusses etablierten, der dessen Funktion bis 2008 übernahm.

Und spannend auch, dass das Riesenbauprojekt an der Adenauerallee/Lindenstraße (Scandinavian Trade Center, später Hansecube) bereits 1991 das erste Mal auf dem Titel erscheint. Abgerissen wurde in den Neunzigern schon mal, gebaut wird seit ein paar Wochen. Zugunsten der ach so seriösen Investoren wurde diese Ecke damals eigens aus dem Sanierungsgebiet S 2 Böckmannstraße ausgenommen und ein eigener Bebauungsplan erstellt.

Auch der Hauptbahnhof, damals der Umbau der Wandelhalle zur Shopping Mall, gab Anlass für eine Titelthese.
Und 1988/89 war die Ehrung des zeitweiligen St. Georgers Carl von Ossietzky ein zentrales Thema. Die Gedenktafel an der Schmilinskystraße 6 und dieser Platz legen davon Zeugnis ab.

Dessen Tradition folgend verurteilte der Drache dann auch 1991 den ersten Golfkrieg klar und eindeutig. So wie der Fokus immer auf dem Lokalen liegt, aber der Blick über den Tellerrand immer dann erfolgt, wenn die Ereignisse in der Welt uns unmittelbar betreffen.

Ebenfalls 1991 gab es Anlass, sich kritisch mit der Presseberichterstattung über unseren Stadtteil auseinanderzusetzen. Den gab es immer wieder, gerade vor einer Woche gab es wieder eine Spitzenleistung der Hamburger Morgenpost: Da beklagt sich ein Spielhallenbetreiber vom westlichen Steindamm, dass er seine weiblichen Angestellten persönlich zum Bahnhof begleiten muss … – um sie vor seinen Kunden zu schützen???

1992 war geprägt von der Forderung des Einwohnervereins „Macht endlich Drogenpolitik!“ Erster Erfolg waren verkehrslenkende Maßnahmen zur Unterbrechung der Freierkreisel zwischen Langer Reihe und Steindamm, Höhepunkt des Jahres war die große Diskussion mit Sozialsenator Ortwin Runde in der Dreieinigskeitskirche, Ergebnis: Null, bzw. sehr allgemeine Ankündigungen. Es sollte noch ein Weilchen dauern, bis tatsächlich gehandelt wurde.

Regelmäßig wurde demonstriert in Sachen Drogen- und Sparpolitik (ja auch damals schon!), aber es gab auch seit 1989 in jedem Jahr ein Stadtteilfest der Vereine und Initiativen, getragen vom Einwohnerverein und der ev. Kirchengemeinde, und ein paarmal sogar einen Karnevalsumzug hier im hohen und drögen Norden …

Und ebenfalls schon vor mehr als zwanzig Jahren begann das Ladensterben auf der Langen Reihe und Umgebung. Ebenfalls ein Sanierungserfolg? Jedenfalls stiegen die Ladenmieten erheblich und so mancher alteingesessene Laden musste aufgeben. Daran hat sich leider bis heute nichts geändert, trotz Bemühungen des ehemaligen Bezirksamtsleiters Andy Grote, der mit den Grundeigentümern einen „Letter of Intent“ vereinbarte, der dem Einhalt gebieten sollte. Verbessert hat sich nichts, auch weil es so etwas wie Mieterschutz für Kleingewerbetreibende nach wie vor nicht gibt.

Für unser Engagement in Sachen Stadtteilkultur steht der Titel Sommer/96: Seit 1988 verleiht der Einwohnerverein alle 2 Jahre den „Goldenen Drachen“ an Menschen oder Institutionen, die sich um die Kultur in St. Georg verdient gemacht haben. In diesem Falle Dankwart und Jürgen Wohlers mit ihrer Buchhandlung. Und da entsteht dann auch der Zusammenhang zum Thema Ladensterben, denn sehr viel später, nämlich 2012, erschien Wohlers wieder auf dem Titel, als Opfer der Geldgier der Immobilieneigentümer und als Gegenstand der Solidarität unzähliger St. GeorgerInnen.

Im Jahr 97 erschien das Frauencafé Bißquit auf dem Titel, leider nur von kurzer Lebensdauer (bis 2000), aber ein tolles Projekt von Frauen für Frauen. Es hätte wahrlich mehr Unterstützung verdient gehabt.

Der Einwohnerverein war zehn Jahre alt – gleichzeitig traf St. Georg die Privatisierungspolitik der Kohl-Regierung ganz konkret: Das Postamt 105 in der Lindenstraße wurde gegen den Protest des Stadtteils dicht gemacht. Mögen viele auch finden, dass sie postalisch über die Kioske weiter gut versorgt sind – es sind von der Post AG tausende von ordentlich bezahlten und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen vernichtet worden.

Und zum ersten Mal findet der Lohmühlenpark den Weg auf den Titel. Und Professor Thalgott war mit der Schätzung von 10 bis 15 Jahren Realisierungszeit noch durchaus optimistisch. Immerhin, der größte Teil ist nach 20 Jahren geschafft. Schneller gelang die damals angekündigte Neubebauung des Volksfürsorgegeländes, außer zwei Wohnhäusern An der Alster ist nichts mehr übrig. Und die Profite sprudeln …

Das Ende des Jahrtausends brachte auch die riesigen Pläne für das Gebiet südlich des Steindamms Richtung Berliner Tor. Seitdem hat unser Stadtteil sein eigenes Klein-Manhattan mit mehr als 20-geschossigen Hochhäusern und entsprechend vielen Hotelbetten und Arbeitsplätzen ohne Koppelung an den Stadtteil.

Regelmäßig erschienen über Jahre vier Sonderseiten zum Münzviertel, gestaltet von Günter Westphal im Drachen, im Mai 99 war es auch mal auf dem Titel. Und das Viertel lebt immer noch, und wie!

Mit dem neuen Jahrtausend setzte sich der Prozess der Verdrängung der angestammten Bewohnerinnen aus dem Stadtteil verschärft fort. Unter anderem führte die ach so erfolgreiche Sanierung zu Wohnlagen“verbesserungen“ und daraus folgenden Mieterhöhungen. Dagegen wendete sich die Initiative „Ohne Mix is nix“, MieterInnen gelang es mit anwaltlicher Hilfe, die Höherstufung ihrer Wohnungen rückgängig zu machen. Dennoch ist die ständige Drohung mit erheblichen Mieterhöhungen an der Tagesordnung, richtet sich die Einstufung der Wohnlage nach dem sog. Bodenrichtwert, der wiederum unmittelbar von den bei spekulativen Verkäufen erzielten Preisen abhängt. Die Forderung nach einer sozialen Erhaltenssatzung wird dennoch 2002 von der großen Koalition im Bezirk abgebügelt.

Wer erinnert sich noch? Die Turnhalle an der Langen Reihe (heute eine Abfütterungstation mit Frikadellen im Brötchen) sollte mal dem Stadtteil zum Selbstkostenpreis für Veranstaltungen zur Verfügung stehen … Ob man sich da wohl mit Angaben leicht neben der Wahrheit Zustimmung erkaufen wollte?

2001 begann erneut die Debatte über eine Verkehrsberuhigung der Langen Reihe – Fußgängerzone, Shared Space, alles Mögliche wurde diskutiert. Wir hatten dazu einiges zu sagen. Insbesondere ging es darum, den Durchgangsverkehr möglichst loszuwerden, aber eine weitere „Aufwertung“ zu verhindern, um nicht noch mehr AnwohnerInnen zum Auszug zu zwingen.

Der Schwarz-Schill-Senat hatte dann die Idee, das Drob Inn an die Amsinckstraße zu verlagern, der Drache protestierte heftig. Es wurde dann das ehemalige Wüstenrothaus, wo bis heute gute Arbeit trotz Sparpolitik geleistet wird.

Der Boulevard Steindamm war schon in 2002 Thema – so richtig viel hat sich in der Angelegenheit nicht getan – ein Business Improvement District ist aus unserer Sicht auch keine Lösung.

2003 war ein Jahr der Erinnerung, 70 Jahre nach der Machtübergabe an die deutschen Faschisten, aber auch erneut ein Jahr des NATO-Kriegs im Irak. Das ignorierte auch der Drache nicht. Und die unsägliche Kultursenatorin Horakowa brachte viele St. GeorgerInnenin Wallung mit ihrer Kürzungsorgie bei den Geschichtswerkstätten. Die Unsere – ohnehin unterfinanziert – blieb ungeschoren, andere haben das Niveau vor 2002 bis heute nicht weder erreicht.

Nach Horrorkoffer (unfreundlicher Spitzname der im Februar entsorgten Kultursenatorin) kam das sogenannte Horrorhaus, das ehemalige DAK-Gebäude auf den Titel – immerhin steht dort nun doch schon seit einigen Jahren ein neues (Büro)Gebäude mit einigen Wohnhäusern dahinter, manchmal tut sich eben doch was.

2005 wurde das Gebäude Lange Reihe 57 durch Brandstiftung zerstört. Die Täter und Anstifter wurden nicht belangt, das baureife Trümmergrundstück weiter gereicht und profitabel bebaut. Ein unerfreuliches Beispiel dafür, dass Verbrechen in dieser Stadt sich nicht selten auszahlt.

Die Videoüberwachung auf dem Hansaplatz sorgte für einigen Aufruhr, nicht nur beim Einwohnerverein. Der Widerstand aus dem Stadtteil führte letztlich dazu, dass die Kameras mit der Umgestaltung des Platzes wieder verschwanden.

Unterstützt vom EV und vom Drachen wurden die Forschungen der GW zu Opfern der NS-Vernichtungspolitik, die sich in inzwischen mehr als 100 verlegten Stolpersteinen im Stadtteil niedergeschlagen haben.

Seit mehr als 10 Jahren gibt es die Zusammenarbeit der Innenstadtviertel im Kampf gegen die Gentrifizierung, die bald – im September 2009 – zur Gründung des Netzwerks Recht auf Stadt führte, in dem der Einwohnerverein von Anfang an mitgearbeitet hat.

Ab 2007 wurde dann das „Entwicklungskonzept St. Georg“ im Fördergebiet St. Georg Mitte umgesetzt. Gleichzeitig starb der Unterausschuss St. Georg/Stadtteilbeirat und wurde durch den Stadtteilbeirat im Fördergebiet ersetzt. Der musste sich sein Zuständigkeit für den ganzen Stadtteil und mehr als nur irgendwelche Schlüsselprojekte erst mal erkämpfen.

Im gleichen Jahr wurde der Grundstein für das vierte Wohnprojekt im Stadtteil, die „Brennerei“, gelegt. Diesem Projekt hat der Drache seine damals zugezogene Chefreporterin zu verdanken.

Aber auch die Heuschrecken machten ungebremst weiter: Die MieterInnen des Merckstifts in der Knorrestraße wurden brutal rausgedrängt, da konnte es dann auch schon mal im Hinterhof brennen – natürlich rein zufällig, ein Schelm, der Böses dabei dächte. Der große Erfolg der Rot-Grünen Bezirks-Politik besteht nun darin, dass die Fassade des Stiftsgebäudes in die Eigentumsblocks auf dem ehemaligen 1000-Töpfe-Gelände integriert ist. Danke noch mal!

Und vor knapp 10 Jahren wurde der Ort unseres heutigen Thesenanschlags eingeweiht: Hamburgs erste kommunale Litfaßsäule in der Regie der Geschichtswerkstatt. Mancher hatte gezweifelt, dass das klappen würde mit der Aktualisierung und dem regelmäßigen Kleben, die Zweifler wurden von den Plakatlieferanten sowie den Verantwortlichen Steffen und Rita eines besseren belehrt!

Im Stadtteil einhellig begrüßt, in der Bezirksversammlung nicht unumstritten waren die grün-weißen Minarette für Centrum Moschee, die der Künstler Boran Burchhardt gestaltete.

Die nun ja vorläufig beendete Geschichte der Dreifeldsporthalle für St. Georg fand den Weg auf den Titel Anfang 2010. Ein gutes Beispiel für das Scheitern der vielgelobten „Integrierten Stadtteilentwicklung“. Obwohl Schlüsselprojekt, kam es nicht zu einer finanziellen Kooperation der verschiedenen Behörden, die Dreifeldhalle kam nicht, und die Aktiven können ein leidvolles Lied davon singen, wie schwer es war, wenigstens die baufällige Halle an der Rostocker Straße zu retten und dem Stadtteil zugänglich zu machen.

Immer wieder brauchte auch die Heinrich-Wolgast-Schule die Solidarität des Stadtteils. Heute können wir davon ausgehen, dass ihre Existenz als Ganztagsprimarschule gesichert ist, auch wenn die bilingualen Klassen auf der Kippe stehen.

Nach der Einbenennung des Durchgangs zwischen Greifswalder Straße und Kirchenweg in Erinnerung an Helmut Hübener konnte 2010 auch ein Wandbild für die Ecke Kirchenweg im Stadtteilbeirat vorgestellt werden. Und der Einwohnerverein schlug Mehmet Simsit, den Wirt des Hansatreffs und Stadtteilaktivisten, für den BürgerInnenpreis der Bezirksversammlung vor. Da war allerdings Markus Schreiber vor, der die Aufwertung des Hansaplatzes durch Mehmet gefährdet sah.

Ansonsten waren die Jahre 12/13 geprägt vom Thema Läden und Ladenmieten auf der Langen Reihe, ausgehend von der Auseinandersetzung um die Buchhandlung Wohlers. Leider hat sich nichts gebessert seither.

Der Beirat stand auch 2013 mit dem Auslaufen der RISE- Förderung wieder auf der Kippe. Unsere Proteste konnten wenigstens die jetzt bestehende sehr abgespeckte Version retten, die nach wie vor mehr als notwendig ist. Wir brauchen mindestens 10 Sitzungen im Jahr! Die Einmischung des Beirats in das Thema Busbeschleunigung auf den Linien 6 und 37 ist das beste Beispiel. Anders als vom Senat beabsichtigt wurde das Thema intensiv und konsensorientiert im Beirat diskutiert. Folge: Fast alle sind zufrieden und es wurde viel Geld gespart. Von den eingesparten Kosten für den unsinnigen Kreisel an der Lohmühlenstraße könnte der Beirat mehrere Jahre lang in der alten Höhe finanziert werden!

Mehrfach beschäftigten den Drachen in letzter Zeit die rabiaten Entmietungsmethoden des neuen Eigentümers in der Danziger Straße 44. Dieses Haus könnte die Nagelprobe sein auf die Wirksamkeit der Sozialen Erhaltungsverordnung. Es kann nicht sein, dass die Verwaltung den MieterInnen immer nur erzählt, es handele sich um privatrechtliche Streitigkeiten, in die sich die öffentliche Hand nicht einmischen könne.

An die vergangenen zwei Jahre erinnern sich die Meisten sicherlich gut. Auch der Drache führte die NOlympia-Diskussion. Und der Einwohnerverein widmete sich wie die meisten St. Georger Vereine und Initiativen dem Los der hier gestrandeten Kriegsflüchtlinge. Daneben begleiteten uns weiter Hansaplatz und Hauptbahnhof, das wird wohl auch so bleiben.

Der Stoff ist der Redaktion jedenfalls nie ausgegangen – und auch das wird wohl so bleiben.