Am 23.2.2021 hatte der damalige Stadtteilbeirat St. Georg die einhellige Empfehlung ausgesprochen, den parallel zu den Gleisen verlaufenden namenlosen Weg zwischen der Ernst-Merck-Straße und dem Ferdinandstor nach der in St. Georg aufgewachsenen Publizistin, Schauspielerin und Politikerin Inge Stolten (1921-1993) einzubenennen. Diesem Antrag hatte der Senat 19 Monate später, am 22.9.2022, stattgegeben, und die Einbenennung am 4.10.2022 im Amtlichen Anzeiger bekannt gegeben. Der Bezirk Hamburg-Mitte hatte es danach leider unterlassen, den Beirat auf der letzten Sitzung vor seiner faktischen Auflösung am 30.11.2022 darüber zu informieren. Seither ist nichts weiter zur Bekanntgabe der Neubenennung passiert.
Es wird daher beantragt,
- zeitnah zwei Straßenschilder mit der Aufschrift „Inge-Stolten-Weg“ nahe der Ernst-Merck-Straße auf der einen und am Ferdinandstor auf der anderen Seite aufzustellen;
- auf den Schildern eine kurze Erläuterung zur Person Inge Stolten aufzunehmen und dafür die Zusammenarbeit mit der Geschichtswerkstatt St. Georg e.V. zu nutzen;
- die Aufstellung der beiden Schilder in Zusammenarbeit mit der Geschichtswerkstatt St. Georg e.V. und weiteren interessierten Gruppen mit einer kleinen Einweihungszeremonie zu verbinden.
Hier noch einmal der Antrag, den der Stadtteilbeirat St. Georg am 23.2.2021 beschlossen hatte:
Antrag der Geschichtswerkstatt St. Georg e.V. vom 3.2.2022 für die Sitzung des Stadtteilbeirats St. Georg am 23.2.2021, dort an diesem Tage beschlossen
St. Georg hat eine reiche, mehr als 800 Jahre währende Geschichte, die mindestens zur Hälfte von Frauen geprägt wurde. Doch tatsächlich spiegelt sich das im Stadtteilalltag, konkret in der Benennung von Straßen, Plätzen, Parks und Brücken in so gar keiner Weise wider. Den auf männliche Personen zurückgehenden 31 Ortsbezeichnungen Adenauerallee, Alexanderstraße, Altmannbrücke, August-Bebel-Park, Barcastraße, Baumeisterstraße, Böckmannstraße, Brockesstraße, Bülaustraße, Carl-LegienPlatz, Carl-von-Ossietzky-Platz, Ernst-Merck-Brücke, Ernst-Merck-Straße, Ferdinand-Beit-Straße, Gurlittstraße, Hachmannplatz, Helmuth-Hübener-Gang, Jürgen-W.-Scheutzow-Park, Julius-Kobler-Weg, Kennedybrücke, Knorrestraße, Nagelsweg, Kurt-Schumacher-Allee, Rautenbergstraße, Repsoldstraße, RobertNhil-Straße, St. Georgs Kirchhof, St. Georgstraße, Schmilinskystraße, Schweimlerstraße, Westphalensweg stehen lediglich drei weibliche Namen gegenüber: • seit 1948 die Ellmenreichstraße, benannt nach Franziska Ellmenreich (1847-1931), einer bekannten Schauspielerin und Mitbegründerin des Deutschen Schauspielhauses; • seit 2011 der Heidi-Kabel-Platz (1914-2010), benannt nach der bekannten Schauspielerin des niederdeutschen Ohnsorg-Theaters; • seit 2013 der Platz Am Mariendom… Damit haben von insgesamt 88 benannten „Verkehrsflächen“ in St. Georg 31 männliche und 3 weibliche Bezeichnungen, nicht einmal zehn Prozent, von Namen von Migrantinnen und Einwanderern einmal ganz abgesehen. Zeit also, dieses Missverhältnis zu verändern.
Die Geschichtswerkstatt St. Georg e.V. beantragt hiermit, den zwischen der Ernst-Merck-Straße und dem Ferdinandstor verlaufenden, bisher unbenannten Fußweg als Inge-Stolten-Weg neu einzubenennen.
Inge Louise Stolten (* 23. März 1921 in Hamburg; † 4. Mai 1993 ebenda) war eine deutsche Schauspielerin, Schriftstellerin, Journalistin und Politikerin. Während der NS-Zeit gehörte sie dem passiven Widerstand im Umkreis der Weißen Rose Hamburg an. Durch eine Tuberkuloseerkrankung als Schauspielerin berufsunfähig, veröffentlichte sie ab 1956 zahlreiche Schriften und Rundfunkbeiträge zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen sowie autobiographische Werke. Sie war die Großnichte von Otto Stolten und zweite Frau von Axel Eggebrecht.
Wikipedia-Eintrag zu Inge Stolten, abgefragt am 1.2.2022, https://de.wikipedia.org/wiki/Inge_Stolten
Inge Stolten ist 1921 in St. Georg geboren worden und in der Koppel aufgewachsen. Sie stammte aus einem sozialdemokratischen Arbeiterhaushalt, spielte hinterm Schauspielhaus, ging auf die Mädchenschule in der Koppel, machte 1939 Abitur, wurde aber wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ nicht zum Studium zugelassen, absolvierte ab 1940 eine Schauspielausbildung und war danach am Deutschen Schauspielhaus engagiert. Als Gegnerin der Nazis tauchte sie in den letzten Kriegstagen unter, kehrte anlässlich der Kapitulation aber in die Stadt zurück und wurde noch am Tag der Befreiung als Dolmetscherin für die britische Militärregierung in St. Georg tätig. Über diese frühen Jahre hat Inge Stolten etliche Schriften verfasst und sich in Interviews oftmals dieser Zeit erinnert. Nicht zufällig gehörte sie in den ersten beiden Jahren dem Vorstand der St. Georger Geschichtswerkstatt an. Nach 1945 war Inge Stolten zunächst einige Jahre als Theater- und Film-Schauspielerin engagiert, musste wegen einer schweren Erkrankung ihren Beruf 1956/57 allerdings aufgeben. In diesen Jahren wurde sie beim NWDR Hörspiel- und Synchronsprecherin und war bald eine angesehene, bekannte Journalistin für Radio und Fernsehen und publizierte verschiedene Sachbücher. Inge Stolten gehörte damit zu den markantesten demokratischen Persönlichkeiten des westdeutschen Nachkriegs-Journalismus. Bereits 1954 hatte sie den NWDR-Mitbegründer Axel Eggebrecht (1899-1991) kennengelernt, mit dem sie – nach langer Skepsis gegenüber einer Hochzeit – ab 1982 auch verheiratet war. In den letzten Jahren ihres (gemeinsamen) Lebens engagierte sich die beiden in der PDS, um sich damit vor allem gegen „das Überrollen der DDR“ und nationalistische Bestrebungen zu engagieren. Inge Stoltens inzwischen erschlossener, umfangreicher Nachlass befindet sich heute in der Staats- und Universitäts-Bibliothek Carl von Ossietzky. Im „Garten der Frauen“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof trägt ein Gedenkstein auch ihren Namen. Mit der Einbenennung eines Weges nach Inge Stolten soll dieser aufrechten, kritischen Zeitzeugin an ihrem Geburtsort Hamburg-St. Georg gedacht werden. |