Archiv der Kategorie: Politik

Presseerklärung des Einwohner*innenvereins St. Georg von 1987 e.V. vom 26.5.2024

Wider die Verdrängung des sozialen Elends von öffentlichen Orten, gegen das Alkoholverbot auf dem Hauptbahnhof und das Bettelverbot in Bahnhöfen und U-Bahnen!
Solche Maßnahmen gehen immer auf Kosten der betroffenen Menschen und des Hauptbahnhofviertels St. Georg!

Immer neue Maßnahmen werden ergriffen, um unliebsame Erscheinungen, soziales Elend und Armut von einigen öffentlichen Orten zu verbannen. Jetzt hat die Hochbahn die strikte Durchsetzung des Bettelverbots an den Bahnhöfen und in der U-Bahn angekündigt. Wir erinnern: In den vergangenen Jahren hatten schon der Abbau nahezu sämtlicher Parkbänke in der City und St. Georg sowie kürzlich das Verbot des „Gabenzaunes“ und des Alkoholkonsums auf dem Hauptbahnhofgelände zu keiner Verbesserung der Lage geführt.

Stattdessen wird nun also auch von der Hochbahn der Kurs verschärft, die Kehrseiten des Reichtums und gesellschaftlicher Verwerfungen zu kaschieren bzw. irgendwohin zu verlagern. Dabei hatte sich der Senat doch verpflichtet, die Überwindung der Obdach- und Wohnungslosigkeit bis zum Jahre 2030 zu erreichen. Doch statt erkennbarer Schritte in dieser Richtung werden die alten Verdrängungsmaßnahmen reaktiviert.

Als St. Georger*innen können wir ganze Arien davon singen, was diese Strategie mit den Betroffenen und unserem Stadtteil macht. Denn hier erleben wir in der jüngsten Vergangenheit – parallel zu den Verdrängungsmaßnahmen am Hauptbahnhof – ein spürbares Anwachsen der Zahl der Obdachlosen und eine ebenso deutliche Zunahme ihrer Verelendung. Verdrängung löst keine Probleme sondern verlagert und verschärft sie nur!

Seit seiner Gründung hat der Einwohner*innenverein St. Georg deshalb u.a. für Fixerräume und ein umfassendes Beratungsangebot im Stadtteil gekämpft. Und wir haben immer betont und appellieren auch weiterhin an den Senat und die Bahnverantwortlichen, den Hauptbahnhof nicht nur als Verkehrsfläche zu betrachten, sondern anzuerkennen, dass er, wie wohl nahezu alle Bahnhöfe der Welt, Aufenthaltsort und bisweilen sogar Lebensmittelpunkt für eine größere Anzahl an den Rand gedrängter Menschen in prekärer Lage ist. Wenn sie hier nicht mehr um eine kleine Spende bitten dürfen, nicht an den Bahnhöfen, nicht in den U-Bahnen, nicht in der City, wo bitteschön sollen sie sich ihren Lebensunterhalt sonst verdienen?

Wir haben eine solche Entwicklung schon in den 1990er Jahren erlebt und immer wieder kritisiert: Die „Visitenkartenpolitik“ des Senats, den Hauptbahnhof mit Razzien und Verboten clean und weiß zu machen, mag zur Entlastung des Hauptbahnhofs beigetragen haben, hat aber wie bei kommunizierenden Röhren gleichzeitig zu einer massiven Verschärfung der Dauerbelastungen in St. Georg geführt. Genauso läuft es in der Gegenwart. Obwohl der Gabenzaun am Rande des Hachmannplatzes niemand wirklich gestört hat, wurde er untersagt – und die Lebensmittelausgabe teilweise ins benachbarte Wohnviertel verlagert. Obwohl Alkoholkonsum und Betteln Passant*innen auf dem Weg zum Zug schlimmstenfalls für einen Moment verunsichert haben, sorgt das mit Polizei und Sicherheitskräften durchgesetzte Verbot nun für eine Verdrängung – nach St. Georg, und dort wiederum für Belastungen in der direkten Nachbarschaft rund um die Uhr.

Wir rufen dazu auf, das Bettelverbot auf den Bahnhöfen und in den U-Bahnen nicht durchzusetzen. Und wünschen uns, dass das Alkverbot auf dem Hauptbahnhofgelände wieder aufgeboben und der Gabenzaun am Hachmannplatz weiter betrieben werden kann.

Erklärung zur ersten Sitzung am 29.11.2023 nach der Auflösung des Stadtteilbeirats St. Georg auf Beschluss der Bezirkskoalition aus SPD, CDU und FDP am 31.1.2023

Wir machen’s kurz:

  1. Der Stadtteilbeirat St. Georg war bis zu seiner letzten regulären Sitzung am 30.11. 2022 der älteste und anerkanntermaßen bestbesuchte Beirat in Hamburg.
  1. Das von der Deutschlandkoalition am 31.1.2023 beschlossene Verfahren zur sog., von oben aufgesetzten „Neuausrichtung des Stadtteilbeirats“ ist gescheitert. Entgegen der verkündeten und auch uns unserer Sicht richtigen Zielsetzung, mehr Menschen und neue Gruppen zu gewinnen, haben sich auf den auch erst auf Druck konzedierten drei Workshops des Bezirksamtes zusammen gerade so viele BesucherInnen eingefunden, wie auf jeder gut besuchten Stadtteilbeiratssitzung. An den von der Lawaetz-„Moderatorin“ anberaumten beiden Vorbereitungstreffen für die heutige Sitzung haben sich gerade mal 2 bzw. 3 Personen beteiligt. Es hat unterm Strich keine erkennbaren Bemühungen gegeben, den Kreis der aktiv Beteiligten an den Beiratssitzungen zu erweitern.
  1. Das nährt die Zweifel bzw. bestätigt die Befürchtungen, dass es bei der „Neuausrichtung“ gar nicht um eine Erweiterung des Stadtteilbeirats ging, sondern um seine Zurichtung zu einem stromlinienförmigeren Gremium. Die faktische Halbierung der „Beteiligung“ auf fünf Sitzungen zu je zwei Stunden pro Jahr, die angekündigte Begrenzung auf ein durch „ExpertInnen“ eingeleitetes Thema und einen Antrag dazu und gleichzeitig das zeitraubende methodische Zerfasern der eh schon kurzen Sitzung wird der vielfältigen Problemlage in St. Georg in keiner Weise gerecht.
  1. Ein Jahr lang ist dem Stadtteil die Möglichkeit genommen worden, zu aktuellen Entwicklungen Position zu beziehen und Forderungen zu erheben. Aber darum ging’s ja auch, endlich Schluss damit zu machen, dass der Stadtteilbeirat zu verschiedenen St. Georger Fragen Stellung nimmt und vom Bezirk Änderungen verlangt. Aus dem sich unabhängig verstehenden Stadtteilbeirat ist nun offenbar ein Stadtteilbeirätchen von bezirklichen Gnaden Mit der allenthalben betonten BürgerInnenbeteiligung hat das nichts mehr zu tun. Im Gegenteil, die vom Bezirk mehrheitlich gewollte und von Lawaetz umgesetzte „Neuausrichtung“ ist weniger als wir vorher hatten. Die Gräben sind damit vertieft worden, Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung hat es nicht gegeben, jegliche Entschuldigung ist unterlassen worden, neues Vertrauen ist nicht aufgebaut, alle Änderungsvorschläge sind in den Wind geschlagen worden. Die Lust zur Teilnahme ist vielen von uns vergangen. Dabei hätten wir immer an einer konstruktiven Verbesserung der Beiratsarbeit mitgewirkt. Aber nicht so.
  1. Das ganze Verfahren ist für die gut 50 Hamburger Stadtteilbeiräte einmalig, so viel Eingriff in deren Beteiligungsstruktur und Autonomie war nie.

Positionspapier zur „Neuausrichtung“ des Stadtteilbeirats

Das sind die Punkte, die der Einwohnerverein auf der vom Bezirk einberufenen Versammlung zur „Neuausrichtung“ des Stadtteilbeirats St. Georg am 5. April einbringen will:

Positionspapier zur „Neuausrichtung“ des Stadtteilbeirats St. Georg
anlässlich der Bezirk-Mitte-Veranstaltung am 5.4.2023 in der Paula

  1. Wir sprechen uns für einen selbstbewussten, starken Stadtteilbeirat aus, der als Säule der Stadtteildemokratie die Interessen und Bedarfe der St. GeorgerInnen diskutiert, zusammenfasst und per Antrag an die entsprechenden Stellen (Bezirk, Senat…) weiterreicht.
  2. Ernst gemeinte, demokratische Beteiligung setzt bestimmte Standards voraus:
  3. * jährlich 10 Sitzungen, auch gerne etwas kürzer,
    * professionelle Moderation,
    * professionelle Protokollführung,
    * regelmäßige Beteiligung von Bezirksamtsvertreter:innen,
    * darüber die Weiterverfolgung der Beiratsanliegen und -beschlüsse.
  4. Wir wollen keine Verkleinerung des Stadtteilbeirats mit seinen bisher 18 stimmberechtigten Mitgliedern. Eher kann daran gedacht werden, diese Zahl zu erhöhen oder ggfs. – wie in vielen anderen Beiratsgremien üblich – alle Anwesenden als stimmberechtigt zu betrachten, wenn sie – sagen wir – dreimal auf einer Beiratssitzung zugegen waren. Dieser Punkt ist ebenso diskutabel, wie die Idee, dass BezirkspolitikerInnen auf der Beiratssitzung kein Stimmrecht haben, da sie ja die Haltung des Stadtteils kennenlernen sollen, um darüber auf bezirklicher Ebene dann weiterzuverhandeln.
  5. Wir wollen und benötigen eine aktive Beteiligung von BezirksamtsvertreterInnen, die auch regelmäßig über stadtteilbezogene Entwicklungen informieren und die Umsetzung der Empfehlungen verfolgen Das vom Bezirk laut Beschluss des Hauptausschusses vom 31.1.2023 anvisierte „Ziel selbsttragender Strukturen“, also die „Übernahme vollständiger Eigenverantwortung“ in dem vom Bezirk gemeinten Sinne lehnen wir ab.
  6. Wir wollen keine Verkleinerung des Stadtteilbeirats mit seinen bisher 18 stimmberechtigten Mitgliedern. Eher kann daran gedacht werden, diese Zahl zu erhöhen oder ggfs. – wie in vielen anderen Beiratsgremien üblich – alle Anwesenden als stimmberechtigt zu betrachten, wenn sie – sagen wir – dreimal auf einer Beiratssitzung zugegen waren. Dieser Punkt ist ebenso diskutabel, wie die Idee, dass BezirkspolitikerInnen auf der Beiratssitzung kein Stimmrecht haben, da sie ja die Haltung des Stadtteils kennenlernen sollen, um darüber auf bezirklicher Ebene dann weiterzuverhandeln.
  7. Der Gewinnung neuer Besucher:innen – insbesondere aus den Bereichen unterrepräsentierter Gruppen wie MigrantInnen, junge Menschen usw. – stehen wir natürlich positiv gegenüber.
  8. Der Beirat muss in seiner Schwerpunktsetzung und Themenfindung selbstverständlich autonom entscheiden können. Eine Beschränkung seiner Themen – in der Formulierung des Hauptausschusses vom 31.1.2023 wird das mit den Worten „Konzentration auf Aufgaben in der Stadtentwicklung“ umschrieben – lehnen wir ab.
  9. Die Praxis, Beschlüsse des Stadtteilbeirats lediglich „zur Kenntnis zu nehmen“, widerspricht dem Ernstnehmen engagierter Beiratsarbeit und -ergebnisse und führt auch die Entscheidungskompetenz des Bezirks ad absurdum. Wir wollen klare Stellungnahmen.
  10. Eine neue Geschäftsordnung brauchen wir nicht, für die Aushandlung der alten, also gültigen haben wir ein Jahr benötigt. Angezeigt sind allenfalls redaktionelle Änderungen. Die womöglich beabsichtigte Streichung des bisherigen Passus, in dem dem Beirat die Möglichkeit von Statements an die diejenigen Stellen und Akteur:innen eingeräumt wird, die er für angemessen hält, lehnen wir ab.
  11. Eine weitere Debatte oder gar eine Beschlussfassung über einen „neu ausgerichteten“ Beirats darf es ohne Beteiligung des bisherigen Stadtteilbeirats nicht geben. Es ist mehr als nur eine einmalige Diskussion und Ideensammlung nötig, um eine „Neuausrichtung“ des ältesten Hamburger Gremiums dieser Art mit den vor Ort engagierten Menschen auf Augenhöhe zu vereinbaren.

Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V.

Pressemitteilung zur Auflösung des Stadtteilbeirats

Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V.
Per Adresse Stadtteilbüro St. Georg, Hansaplatz 9, 20099 Hamburg
www.ev-stgeorg.de   –   info@ev-stgeorg.de –   Mobil 0160/91 48 10 27

 Presseerklärung vom 1.2.2023:
Auflösung des Stadtteilbeirats St. Georg – ein Schlag gegen die Bürger:innenbeteiligung

Es ist unglaublich: Mit einem Federstrich hat gestern Abend der Hauptausschuss der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP den Stadtteilbeirat St. Georg für aufgelöst erklärt, ohne jede Ankündigung, ohne jegliche Beteiligung der AkteurInnen. Dieser dreiste Schritt ist einmalig in der Geschichte der hamburgischen Stadtteilbeiräte und rundet das höchst fragwürdige Bild eines Verständnisses der „Bürgerbeteiligung“ ab, das schon vor längerem zur Halbierung der jahrzehntelang gewohnten Sitzungen auf nur noch fünf pro Jahr geführt hatte und nun also mit der Liquidation endet. Damit hat die sog. Deutschlandkoalition den ältesten (seit 1979) und bestbesuchten Stadtteilbeirat Hamburgs (zwischen 50 und 100 vor Corona, seitdem zwischen 40 und 70 TeilnehmerInnen) kurzerhand ausgeschaltet, schon die vereinbarte nächste Sitzung am 22. Februar findet nicht mehr statt, um jegliche Diskussion oder Proteste des Beirats zu verhindern.

Dieser Beirat hat sich in den vergangenen Jahren mit seinen Themen immer wieder als unabhängige Interessenvertretung des Stadtteils begriffen und betätigt. Er hat regelmäßig die vielschichtigen St. Georger Anliegen und Forderungen in den Mittelpunkt gestellt und sich nicht auf die vordemokratische Haltung beschränken lassen, der Beirat solle die bezirklichen „Mehrheitsverhältnisse akzeptieren“ und durch seine Beschlüsse „nicht immer wieder in Frage“ stellen (so ein SPD-Bürgerschaftsabgeordneter in den „Blättern aus St. Georg“ 7/2022). Es ist schier eine Verdrehung der Tatsachen, wenn in der bezirklichen Drucksache 22-3516 (s. Anhang) als Hauptgrund für die Auflösung angegeben wird, der Beirat habe Zeit lediglich „in sehr kleinteilige oder sehr globale Themen investiert“. Die Anträge beispielsweise des Einwohnervereins (s. die Liste hinten) sprechen eine ganz andere Sprache, sie machten allerdings Arbeit und haben auch immer wieder Unzulänglichkeiten von Bezirkspolitik und -verwaltung in den Fokus gerückt.

Nach dem Willen der Deutschlandkoalition und der Abwicklung des bisherigen Beirats soll ein Konzept für eine „Neuausrichtung“ erarbeitet werden, ohne Beteiligung des Beirats oder der Menschen vor Ort, mit dem Ziel einer anderen, verkleinerten Zusammensetzung. Gegen noch mehr Beteiligung und Formate, die einen noch größeren Kreis ansprechen, ist ja gar nichts einzuwenden. Aber wenn als erster Schritt die bestehende Beteiligung ausgehebelt und stillgelegt wird, weckt das – gelinde gesagt – Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorhabens. Den ganzen Vorgang empfinden wir nicht nur als skandalös und respektlos gegenüber den vielen, seit etlichen Jahren ehrenamtlich Aktiven im Stadtteil, sondern es steht jetzt auch ein zahmer Beirat zu befürchten, der – entsprechend besetzt – gefälligst alle Kritik am Bezirk unterlässt. Alles in allem, ein doppelter Schlag gegen Partizipation, den wir nicht hinnehmen.

Michael Joho (Mobil 0160 / 91 48 10 27)
Vorsitzender des Einwohnerverein St. Georg
Mitglied des Stadtteilbeirats seit den 1990er Jahren
Mitglied des Lenkungskreises Hamburger Stadtteilbeiräte

Liste der vom Einwohnerverein eingebrachten und vom Beirat beschlossenen Anträge im vergangenen Jahr – siehe dazu die Berichte über die jeweiligen Beiratssitzungen in der Stadtteilzeitung „Der lachende Drache“ Nr. 3, 5, 9, 10 und 12, einsehbar unter https://ev-stgeorg.de/drachen/:

  • Einbenennung eines Weges nach der in St. Georg aufgewachsenen Inge Stolten (23.2., Bericht im „Lachenden Drachen“ 3/2022)
  • Forderungen wider die anhaltende Gentrifizierung, Mietenexplosion und Verdrängung in St. Georg (27.4.)
  • Forderungen zum Schutz der inhabergeführten Geschäfte, speziell der rauswurfbedrohten Gewerbetreibenden in der Danziger Straße 47-51 (29.6.)
  • Konkrete Maßnahmen gegen die Energieverschwendung in St. Georg, z.B. nachts beleuchtete Bürohochhäuser und energiefressende Werbesäulen (28.9.)
  • Wiederinbetriebnahme der großen Uhr auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz nach jahrelangem Ausfall (28.9.)
  • Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und Obdachlosigkeit im Hauptbahnhofviertel, u.a. durch sofortige Aufstellung von Notcontainern (30.11.)
  • Erhalt des abrissbedrohten Hübener-Wandbildes im Helmuth-Hübener-Gang (30.11.)
  • Protest gegen die drohende Abrissgenehmigung des Wohnhauses Brennerstraße 80/82 wegen „Unwirtschaftlichkeit“, d.h. zu geringer Mieten nach jahrzehntelang unterlassener Instandhaltung (30.11.)

Bei Bedarf können wir die Anträge resp. Beschlüsse Interessierten zuschicken.