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Presseerklärung des Einwohnervereins zu Alkoholkonsum auf dem Hansaplatz

Erklärung des Einwohnervereins St. Georg von 1987 e.V. vom 21.10.2018

Der Einwohnerverein St. Georg beschäftigt sich seit seiner Gründung 1987 intensiv mit der Entwicklung des Stadtteils, insbesondere auch mit seinen „Brennpunkten“ Hauptbahnhof und Hansaplatz. Gut drei Jahrzehnte haben uns gelehrt, dass die vielfältigen globalen und sozialen Probleme, die sich in einem Hauptbahnhofviertel nun einmal im besonderen Maße niederschlagen, niemals durch allzu einfache Antworten oder eine rein lokale (z.B. auf den Hansaplatz begrenzte) Sicht gelöst werden können. Schon gar nicht durch eine einfache Verdrängungsstrategie, wie sie regelmäßig von konservativen und populistischen PolitikerInnen, flankiert durch eine in Teilen undifferenzierte, an der Oberfläche verbleibende Medienberichterstattung, eingefordert wird. Nichtsdestoweniger reicht nicht alleine der Verweis auf die Komplexität der Probleme, es müssen im Einzelfall und in der konkreten Situation auch Vorschläge her, die das Leben der Menschen verbessern und das Nebeneinander unterschiedlicher Personengruppen erleichtern.

Vor diesem Hintergrund bezieht der Einwohnerverein wie folgt Stellung.

  1. Gewalt darf in einer weltoffenen Metropole und sowieso in einem Hauptbahnhofviertel kein Mittel der Auseinandersetzung bei Problemen und Konflikten sein. Es ist Zeit, auf verschiedenen Ebenen zu handeln, um die für nicht wenige AnwohnerInnen belastende Situation auf dem Hansaplatz zu verbessern. Dies kann nur funktionieren, indem alle den Platz nutzenden Gruppen in ihrer Interessen- und Bedürfnislage berücksichtigt und einbezogen werden.
  1. Vereinfachende Zustandsbeschreibungen der Problemlage auf und um den Hansaplatz und eine eindimensionale Verdrängungsstrategie zur Vertreibung bestimmter Personengruppen werden weder den Betroffenen noch menschenwürdigen Grundsätzen noch der jahrzehntelangen Bedeutung und Rolle des Platzes gerecht.
  1. Im Sinne des Ziels „einer offenen Stadtteilgesellschaft, in der die verschiedenen Lebensentwürfe nebeneinander Platz und Akzeptanz finden“ (s. Stadtteilbeirats-Beschluss vom 29.3.2017 weiter unten), müssen allerdings Störungen und Belastungen angegangen werden. Ein Problem ist, dass vereinzelt Glasflaschen auf dem Platz zerschlagen und bisweilen auch als Waffe eingesetzt werden. Auch wenn die Dimension dieses Problems unterschiedlich eingeschätzt wird, sind Glasflaschen nun auch nicht der Inbegriff einer freien, demokratischen und sozial orientierten Gesellschaft. Anders formuliert: Wenn Glasflaschen mit Problemen einhergehen und Ersatz möglich ist, kann und soll darüber nachgedacht werden.
  1. Der Einwohnerverein bleibt skeptisch, wie ein Glasflaschenverbot auf und um den Hansaplatz durchgesetzt werden soll. Er kann sich aber vorstellen, in einer Art Probephase von einem halben Jahr den Verkauf von Glasflaschen auf und am Platz einzuschränken bzw. zu untersagen und dann zu evaluieren. Da es aus unserer Sicht nicht um ein grundsätzliches Alkoholverkaufsverbot gehen kann und soll – das lehnen wir aus prinzipiellen Erwägungen ab –, bleibt die Alternative, in den betreffenden Läden und vor allem Kiosken zumindest abends und nachts auf den Verkauf von Plastikflaschen umzustellen. Dem zunächst temporären Verkaufsverbot sollten Bemühungen und Gespräche mit den einschlägigen Läden und Kiosken vorausgehen, von sich aus das Sortiment abends und nachts auf Plastikflaschen umzustellen. Gerne auch auf Dauer.
  1. Glasflaschen sind weder der Inbegriff einer freiheitlichen Gesellschaft noch gar der Kern der vielschichtigen Problemlage. Eine wesentliche wenn nicht gar zentrale Ursache für den Alkoholkonsum (von Selters in Glasflaschen ist ja nirgends die Rede) sind soziale und individuelle Verhältnisse von Menschen, die mit Entwurzelung, Perspektivlosigkeit und permanenter Benachteiligung und Ausgrenzung einhergehen. Eine von unserer reichen Gesellschaft zugelassene Obdachlosigkeit ist so ein kritikwürdiger Zustand; es wäre ein Leichtes, ihn durch die Schaffung von vernünftigem Wohnraum zu überwinden. Die miese Unterbringungssituation, das Arbeitsverbot und die völlig mangelhafte Ansprache von jungen, in Hamburg gestrandeten Geflüchteten ist ein anderer, durch nichts zu legitimierender Mißstand.
  1. Der Einwohnerverein fordert schon seit längerem, endlich Anlaufpunkte und Aufenthaltsstätten für junge Geflüchtete zu schaffen. Einrichtungen der Sozialarbeit, die gerade nicht, wie Markus Schreiber (im Interview mit dem ZEIT-Newsletter „Elbvertiefung“ vom 18.10.2018) anregt, „durch Gemeinden und ehrenamtliche Initiativen“ betrieben werden, sondern selbstverständlich staatlich finanziert und professionell geführt werden müssen! Eine solche Einrichtung könnte beispielsweise im Eckhaus Hansaplatz/Ellmenreichstraße angesiedelt werden. Seit rund zehn Jahren steht das großflächige Souterrain leer. Eine andere Einrichtung könnte Platz finden in der ehemaligen Handelsschule am Holzdamm, die mit ihren gut 7.000 qm seit Herbst 2017 absurderweise ebenfalls leer steht. Dieses Gebäude bietet die Möglichkeit, verschiedenen sozialen Einrichtungen wie nicht zuletzt den zurzeit notdürftig in Containern im Münzviertel untergebrachten Obdachlosenanlaufpunkten der Caritas Unterkunft zu bieten.
  1. Denken wir also größer und weiter. Und nachhaltiger.
Antrag des Einwohnervereins St. Georg von 1987 e.V. für den Text einer Erklärung des Stadtteilbeirats St. Georg. Auf dessen Sitzung am 29.3.2017 wurde er mit großer Mehrheit angenommen (vom gesamten Beirat mit ca. 50 : 5 : 1 Stimmen, von den stimmberechtigten Beiratsmitgliedern mit 12 : 1 : 1 Stimmen).
Aus aktuellem Anlass erklärt der Stadtteilbeirat St. Georg:
Eine Stadtteilgesellschaft wie St. Georg ist sowohl ein „Melting Pot“ (Schmelztiegel) wie auch eine „Salad Bowl“ (Salatschüssel). Hier treffen Menschen aller sozialen Schichten wie auch mit den verschiedensten kulturellen Hintergründen aufeinander, leben teils ihr eigenes Leben, kommen aber auch beständig in Kontakt mit anderen Gruppen von Menschen.
Unser Ziel ist das einer offenen Stadtteilgesellschaft, in der die verschiedenen Lebensentwürfe nebeneinander Platz und Akzeptanz finden – ein Hauptbahnhofviertel ist ein Hauptbahnhofviertel ist ein Hauptbahnhofviertel, mit gut 10.000 BewohnerInnen, 40.000 Arbeitenden, täglich 600.000 Bahnhofsgästen und eben auch vielen Entwurzelten, Gestrandeten und Verarmten dieser oftmals keineswegs gerechten, humanen Welt.
Gewalt darf gerade in einer weltoffenen Metropole und sowieso in einem Hauptbahnhofviertel kein Mittel der Auseinandersetzung bei Problemen und Konflikten sein. Gewalt hat aber auch etwas mit sozialen und psychischen Ursachen zu tun; deren Ausblendung führt zu falschen Konsequenzen und einer alleinigen Betonung repressiver Maßnahmen.
Vor diesem Hintergrund erfüllt die Polizei eine wichtige und oftmals auch schwierige Aufgabe. Wir BewohnerInnen und Gewerbetreibenden erleben deren Einsatz als hilfreich und dem friedlichen Zusammenleben dienend. Wir haben viele positive Eindrücke und Erfahrungen, um die Arbeit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten als GesprächspartnerInnen, DeeskaliererInnen und HelferInnen in der Not zu würdigen. Dafür sagen wir einfach mal Dankeschön!
Wir möchten aber auch nicht die Augen davor verschließen, wenn es Ungereimtheiten oder Widersprüche bei dem einen oder anderen polizeilichen Einsatz, Kritik an bestimmten polizeilichen Strategien oder etwaigen diskriminierenden Praktiken gibt. Polizei gehört als Institution ebenso wie das individuelle polizeiliche Verhalten einer allgemeinen Transparenz und einer öffentlichen Kontrolle unterstellt – das ist einer der Grundpfeiler der demokratischen Gesellschaft. Allzu schnelle Vorab-Verurteilungen und das Schüren von Ressentiments – in welcher Richtung und von wem auch immer – sind unter allen Umständen zu vermeiden, schon um das friedliche Miteinander nicht zu gefährden.