Erklärung zur VOB-Kündigung
Am 30. Juni 2020 wurden die Räume des Vereins VorOrtBüro am Hansaplatz durch die Vermieterin BGFG – ohne vorheriges Gespräch oder Vorwarnung – zum Ende des Jahres gekündigt. Wie sich herausstellte, sollen die die Räume zu einem Beratungsbüro mit zwei hauptamtlichen Sozialarbeiter:innen umgewandelt werden. Wir begrüßen es, wenn behördlicherseits auf dem Hansaplatz Menschen mit Unterstützungsbedarf Hilfe angeboten wird. Allerdings haben auch wir Ehrenamtlichen in den vergangenen Jahren genau das getan.
Zur Erinnerung seien hier kurz einige Eckdaten skizziert:
Bis zum aktuellen Corona-Lockdown tagten in unseren Räumen unter anderem die Freiwilligenbörse und das Comicbüro; der beliebte Trommelkreis stellte gegen die entsprechende Miete seine Instrumente bei uns unter, es gab wechselnde Ausstellungen und Filmabende und sogar einen Sanskrit-Lehrgang für eine interessierte Einzelperson. Unsere Angebote wurden von Nutzerinnen und Nutzern des Hansaplatzes in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit angenommen, die Sozialwissenschaftler würden sagen: das VorOrtBüro hatte inklusiven Charakter. So kamen zum Beispiel Bewohnerinnen und Bewohner der anliegenden Häuser auf einen Plausch vorbei, oder wir fungierten als Auskunftsbüro für Tourist:innen, die nach dem Weg fragten. Nach und nach suchten uns immer mehr Geflüchtete auf, die bei der Bearbeitung von Anträgen und Formularen der Behörden Unterstützung brauchten. Für sie wurden wir im Laufe der Zeit eine wichtige Anlaufstelle. Eine zentrale Rolle spielten die kostenlosen Sprachkurse der „Internationalen Freiwilligen-Initiative Deutsch Gemeinsam“ in unseren Räumen, an denen bis heute etwa 300 Menschen aus ungezählten Nationen teilgenommen haben.
Es war diese Mischung, die das VorOrtBüro von herkömmlichen Beratungsstellen und Treffpunkten unterschied und es einzigartig machte. Damit entsprach unsere Arbeit genau dem, was in der Satzung als Vereinszweck festgeschrieben ist, nämlich: „Die Förderung des Völkerverständigungsgedankens“ und die „Förderung von Kunst und Kultur.“ Der Satzungszweck, so heißt es weiter, „wird insbesondere verwirklicht durch Kommunikation mit allen relevanten Gruppen rund um den sozialen Brennpunkt Hansaplatz.“ Wir fragen: Wo sonst ist es zumindest ansatzweise gelungen, diese Gruppen unter einem Dach in friedlichen Kontakt miteinander zu bringen?
In einem Telefonat mit unserem 2. Vorsitzenden Ulli Gehner sagte Bezirksamtsleiter Falko Drossmann zu, dass die Angebote des VOB und der Nutzer:innengruppen trotz des Mieterwechsels weiterhin stattfinden können. Seitdem ist es uns trotz intensiver Versuche nicht gelungen, Kontakt zu irgendjemanden bei der Behörde zu bekommen, mit dem wir weiterführende Gespräche hätten führen können.
Mit dem heutigen Tage (25.11.20) wissen wir immer noch nicht, in welchem Umfang wir unsere Arbeit fortsetzen können und ob überhaupt.
Nun noch ein Wort zu den Vorwürfen, die gegen uns verbreitet wurden und die halfen, die Stimmung für die Kündigung vorzubereiten. Das gipfelte darin, dass in den Blättern des Bürgervereins von „Saufgelagen“ die Rede war.
Dazu Folgendes: Bei einem Konzept, wie es das VorOrtBüro verfolgt hat, kann es schon mal passieren, dass Dinge ein wenig aus dem Ruder laufen. Deshalb alle Beteiligten in die Nähe von Asozialen zu rücken, ist eine böse Diffamierung. Gelegentliche Feiern waren manchmal vielleicht laut, aber sie sind nie in eine Schlägerei ode r ähnliches ausgeartet. Und wenn sich jemand beschwert hat, ist auch immer schnell Ruhe eingekehrt. Grundsätzlich wäre eine bessere Kommunikation zwischen Vermieterin und VOB sicherlich hilfreich gewesen.
Kann es sein, dass das bürgerschaftliche Engagement von uns Aktiven im VorOrtBüro einigen Hansaplatz-Anlieger:innen grundsätzlich ein Dorn im Auge war? Dass die Klientel unerwünscht ist, weil sie nicht ins gentrifizierte St. Georg passt? Wohnungen lassen sich eben umso teurer vermarkten, je aufgeräumter die Umgebung ist. Da störte es natürlich, wenn z.B. eines unserer Mitglieder gelegentlich ein Mittagessen kochte und unterschiedslos alle zu Tisch bat, die gerade da waren. Manche „Brunnenbewohnerin“, mancher „Brunnenbewohner“ aber vergaß durch diese Geste vorübergehend sein Elend und fühlte so etwas wie Angenommensein und Teilhabe. Letztlich bewirkte das vermutlich mehr zur Befriedung des Platzes als aufwendige Überwachungsanlagen, die nur dazu führen, Probleme in die Nachbarstraßen zu verlagern.
Wir protestieren gegen die Kündigung unserer Räume. Wir erwarten, dass wir Gelegenheit bekommen, unsere Arbeit fortzusetzen. Denkbar wäre eine verbindliche Vereinbarung, die alten Räume weiter nutzen zu dürfen, indem wir sie uns zum Beispiel zeitlich mit den neuen Nutzer:innen teilen. Denkbar wäre auch, dass wir die Möglichkeit zu einem Umzug in adäquate neue Räume in zentraler Lage zu einer akzeptablen Miete erhielten.
Im Interesse des Hansaplatzes wünschen wir den künftigen Sozialarbeiter:innen in ihrem neuen Büro eine glückliche Hand bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Wir sind gerne und jederzeit bereit, sie an unseren Erfahrungen und an unserer Kompetenz teilhaben zu lassen.
Der Vorstand, Hamburg, d. 25.11.2020