Soziale und pädagogische Initiative St. Georg
Presseerklärung zur Situation der Flüchtlinge in St. Georg vom 25.9.2015
Die Soziale und pädagogische Initiative St. Georg (SOPI) – seit fast 30 Jahren der Zu-sammenschluss der sozialen, der Kinder- und Jugendeinrichtungen, der ev.-luth. Kir-chengemeine sowie des Einwohnervereins – hat sich auf ihrer heutigen Sitzung mit der Situation der Flüchtlinge auf dem Hauptbahnhof und im Stadtteil beschäftigt.
In St. Georg kommen zurzeit jeden Tag viele Hundert Flüchtlinge an, von denen jeweils ca. 300 bis 400 kurzfristig in Hauptbahnhofnähe nächtigen, um danach ihre Weiterreise überwiegend nach Schweden anzutreten. Die zuständigen Behörden verweigern dieser täglich wechselnden Personengruppe seit knapp zwei Wochen jegliche Hilfeleistung. Die nur durchreisenden Menschen wollen sich nicht offiziell registrieren lassen, um zu verhindern, dass Deutschland zu ihrem Erstaufnahmeland wird, von dem aus sie dann nicht mehr weiterreisen könnten. Die Unterstützung dieser großen Personengruppe – ne-ben den nicht wenigen Obdachlosen – wird seit zwei Wochen in aufopferungsvoller Weise ausschließlich von ehrenamtlich engagierten BürgerInnen geleistet, verschiedene Einrichtungen (das Deutsche Schauspielhaus, Moscheen und ab heute auch die katholi-sche und die evangelisch-lutherische Kirche im Haus des Caritas-Verbandes) sorgen für eine Notübernachtung.
Die SOPI kritisiert das bürokratische Herangehen der Hamburger Behörden nachhaltig und appelliert an den Senat, aus humanitären Gründen die sofortige staatliche Unter-stützung dieser Personengruppe anlaufen zu lassen und den MitarbeiterInnen in den Be-hörden und den freiwilligen HelferInnen die Angst zu nehmen, wegen vermeintlicher Unterstützung von nicht registrierten Flüchtlingen als illegal handelnde Personen („Schlepper“) belangt zu werden. Im Einzelnen fordert die SOPI:
- Schaffung von genügend Übernachtungsplätzen für durchreisende Flüchtlinge und Ob-dachlose in Hauptbahnhofnähe!
- Beschlagnahmung auf Zeit von länger leerstehenden Wohn- und Bürogebäuden im Stadt-teil, insbesondere der teilweise seit Jahren ungenutzten Etagen des Bieberhauses am Hach-mannplatz und schnellstmögliche sofortige Herrichtung als Notübernachtungs-stätten!
- Städtische Unterstützung (die es in Kiel schon gibt) der im Bahnhof und auf dem Hach-mannplatz ehrenamtlich engagierten HelferInnen (Lebensmittel, Beratungs- und ärztli-che Kapazitäten)!
- Aufstellung eines betreuten Toiletten-Containers bzw. von mobilen Toiletten auf dem Hachmannplatz und dem Hansaplatz, auch zur Entlastung der aus Notdurftgründen stark frequentierten Spielplätze St. Georgs Kirchhof und Danziger Straße!
- Finanzielle Unterstützung derjenigen weiterreisenden Flüchtlinge, die auf eine Bezu-schussung der Fahrkarte angewiesen sind!
Nichts dazugelernt oder Zur Lage am 2.11.2015
Senat und Bezirk rühren nach wie vor keinen Finger am Hauptbahnhof!
Seitdem wir seitens der Sozialen und pädagogische Initiative St. Georg (SOPI) vor sechs Wochen (s. Rückseite) auf die unglaubliche Situation aufmerksam gemacht haben, dass täglich Hunderte Geflüchtete am Hauptbahnhof ankommen, ohne dass sich die Stadt in irgendeiner Weise um sie schert, stellen wir heute fest: An dieser Situation hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert. Die ganze, gerade auch vom Bürgermeister so ger-ne unterstrichene „Willkommenskultur“ beschränkt sich am Hamburger Hauptbahnhof auf das rein ehrenamtliche Engagement von BürgerInnen und den Einsatz von Wohl-fahrtsverbänden. Die Versorgung muss tagtäglich neu organisiert werden, ohne die Spenden gäbe es nicht einmal Wasser oder Brot, Hunderte von Ehrenamtlichen sind nach Wochen des aufopferungsvollen Einsatzes am Limit. In zugigen Zelten ohne Bo-den müssen Kinder gewickelt werden, erfolgt eine erste medizinische Grundversorgung. Die Übernachtung von täglich mehreren Hundert wechselnden Flüchtlingen wird im Stadtteil in verschiedenen Einrichtungen und privaten Quartieren organisiert. – Und das alles ohne jegliche öffentliche Unterstützung, die Stadt schaut vielmehr ungerührt zu.
Die Eigentümerin des am Hachmannplatz gelegenen Bieberhauses ist seit 2006 das bör-sennotierte Immobilienunternehmen „Alstria office REIT-AG“. Sie hatte der Stadt schon vor etlichen Wochen freie Flächen im Bieberhaus für die Versorgung der am Haupt-bahnhof für kurzzeitig gestrandeten Menschen angeboten. Doch die Stadt ignoriert diese große Gruppe der nicht registrierten Flüchtlinge. Lediglich einige Wohlfahrtsverbände bemühen sich derzeit um das Gebäude, um hier wenigstens die Tagesversorgung unter besseren Bedingungen organisieren zu können. Doch an eine Übernachtungsstätte wird nicht gedacht. Dabei wäre dieses Gebäude vis-à-vis zum Hauptbahnhof geradezu ideal gelegen, um die Bedarfe der Geflüchteten und der HelferInnen halbwegs zu abzudecken, nicht nur tagsüber, sondern auch nachts. Und dies gilt erst recht für die kommenden Wo-chen, in denen Kälte und Feuchtigkeit den Menschen zusätzlich zu schaffen machen werden.
Wir bekräftigen unsere Forderungen vom 25.9.2015 und fordern die Stadt auf, endlich tätig zu werden. Wir warnen davor, dass aus der Kombination von sozialer Kälte und winterlichen Temperaturen in den nächsten Wochen eine noch stärkere Katastrophe droht. Senat und Bezirksamt Hamburg-Mitte tragen dafür die Vedrantwortung!