Rede auf der Obdachlosigkeit-Demo von Joscha Metzger am 15.04.2023

Hallo und Herzlich Willkommen im Hamburger Bahnhofsviertel St. Georg.

Wie in vermutlich fast allen Hauptbahnhofvierteln dieser Welt konzentrieren sich in St. Georg die Problemlagen einer sozial gespaltenen Stadt. Armut, Elend, Drogenkonsum, Prostitution und Obdachlosigkeit treten hier ebenso in Erscheinung wie teure Geschäfte, Luxusimmobilien und neoliberale und autoritäre Politikansätze, die den Hauptbahnhof als „Visitenkarte“ der Stadt präsentieren wollen.

Der Kapitaldruck auf dem Stadtteil und daraus folgende Gentrifizierung sind hier ebenso tagtäglich zu spüren, wie polizeiliche Kontrolle und der Versuch, den Stadtteil durch behördliche Repression „sauber“ zu halten.

Als Einwohner*innenverein St. Georg setzen wir uns seit den 1980er Jahren für eine Politik ein, die soziale Lösungen für soziale Probleme sucht.

Spannungen, die sich aus den vielfältigen Widersprüchen einer kapitalistischen und polarisierten Stadt ergeben, können nur durch sozialen Ausgleich, durch eine Politik auf Augenhöhe abgefedert werden. Repression und Verdrängung erreichen nichts anderes, als eine räumliche Verschiebung der Problemlagen und erzeugen Trauer und Wut bei allen Beteiligten.

Wir schließen uns daher voll und ganz der Forderung an: Anstelle einer Aufrüstung der Polizei brauchen wir eine gemeinwohlorientierte Sozialarbeit. Sozialer gesellschaftlicher Ausgleich statt Repression!

 

Als Einwohner*innen in St. Georg befinden wir uns seit Jahrzehnten im Auge des Orkans des Immobilienkapitals.

Waren die Mieten hier im Stadtteil in den 1990er Jahren noch bezahlbar, ist die Wohnungssuche heute ein Alptraum geworden. Viele unserer Nachbar*innen haben Angst vor der nächsten Mieterhöhung, weil sie dazu führen wird, die Wohnung zu verlieren.

Für manche droht dann ganz konkrete Wohnungslosigkeit. Andere werden sich ganz woanders in der Stadt umgucken müssen, denn hier – in ihrem Lebensumfeld – werden sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden.

Verdrängung von Obdachlosen, Angst vor dem Wohnungsverlust und horrend steigende Mieten sind alles Erscheinungen desselben Problems: In unserer Gesellschaft wird Wohnen als Kapitalanlage gehandelt, Wohnraum über den Markt vermittelt.

Wir sagen: Das muss ein Ende haben. Wohnen ist eine Sache der Daseinsversorgung. Wir müssen endlich übergehen zu einer Vergesellschaftung der Wohnungsversorgung.

 

In diesem Sinne fordern wir:

  • Eine ernsthaft soziale Wohnungspolitik, die alle Mittel in Bewegung setzt, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen
  • Die Ausweisung von Flächen für Notübernachtungen und Zelten sowie die Öffnung von leerstehendem Wohnraum für Menschen in Situation der Wohnungs- und Obdachlosigkeit – auch und gerade hier im Stadtteil St. Georg
  • Praktische Konzepte für eine Beendigung der Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030. Housing First statt Repression und Verdrängung!

 

Und schließlich fordern wir als Einwohner*innenverein – so wie es auch von vielen anderen Stadtteilinitiativen Hamburgs gefordert wird –:

Die Ermöglichung von Stadtteildemokratie, Partizipation und Selbstverwaltung, damit wir als Menschen vor Ort über unsere Bedürfnisse und Bedarfe selbst bestimmen und dafür sorgen können, dass alle das bekommen, was sie zu einem guten Leben brauchen.