„In Sorge um die weitere Entwicklung in St. Georg“. So lautete die Überschrift einer Presseerklärung, die der Einwohnerverein vor genau zwei Wochen abgegeben hat. Darin warnten wir vor der Verlagerung der Spenden- und Lebensmittelausgabe vom „Gabenzaun“ am Hachmannplatz ins Wohngebiet am Hansaplatz. Doch der Bezirk Hamburg-Mitte, allen voran offenbar sein Leiter Ralf Neubauer, hat alle Warnungen in den Wind geschlagen.
Mittlerweile hat die erste Ausgabe am 14.10. stattgefunden, mit nur 80 „von den bei uns üblichen 300-400 Gästen“ (Schau nicht weg e.V.). Nicht nur, dass die Eingänge von Geschichtswerkstatt und Seniorenbegegnungsstätte zugestellt wurden und damit kein Betrieb mehr stattfinden konnte, vor allem war die Szeneansammlung laut Anwohner*innen auch nach dem Abbau der Stände deutlich stärker als hier eh schon üblich. Für kommenden Samstag ist die nächste Aktion geplant, sicherlich mit noch größerer Resonanz.
Wir stellen fest, dass die Verlagerung der Spendenabgabe an den Hansaplatz gegen den ausdrücklichen Protest des Einwohnervereins sowie der betroffenen Einrichtungen Geschichtswerkstatt und Lange Aktiv Bleiben (LAB) durchgesetzt wurde. Eine Beteiligung dieser Einrichtungen, überhaupt eine Vorab-Diskussion über die Verlagerung hat es nicht gegeben, die vorhandene Expertise und jahrzehntelange Erfahrungen hinsichtlich des sensiblen Nebeneinanders von Anwohner*innen, sozialen Einrichtungen und ihren Klient*innen wurden völlig ignoriert, der kritische Stadtteilbeirat St. Georg durfte eh seit einem Jahr nicht mehr tagen.
Selbst der Verein „Schau nicht weg“ hält den Ort für unglücklich, er musste den Standort aber akzeptieren, um überhaupt noch eine Möglichkeit zu haben, seine Gäste zu versorgen. Im Klartext: Das Bezirksamt lässt die Verteilstellen am Hachmannplatz verbieten, um einen clean gemachten Visitenkarten-Hauptbahnhof präsentieren zu können, und verschiebt die betreffenden Stände mitten ins Wohngebiet, genauer: auf den Hansaplatz, der schon lange als „Brennpunkt“ bezeichnet wird und mit allerlei Verdrängungsmaßnahmen von der Stadt überzogen wurde. Das ist nichts anderes als eine Visitenkarten-Politik auf Kosten des Stadtteils!
Es gibt seit den sozial- und drogenpolitisch brisanten 1990er Jahren ein ungeschriebenes Agreement, auf das sich die Stadtteilgruppen, allen voran der Einwohnerverein, die Einrichtungen und die Stadt verständigt hatten: Die Versorgung benachteiligter Menschen und Gruppen im Hauptbahnhofviertel ist sicherzustellen und wird von allen Seiten selbstverständlich begrüßt; die dafür nötigen Einrichtungen werden nahe am Hauptbahnhof oder an der Peripherie des Stadtteils, keinesfalls jedoch im Wohnquartier angesiedelt. Mit dem Vorgehen haben der Bezirk Hamburg-Mitte und sein Leiter dieses jahrzehntelang mehr oder weniger gültige Agreement aufgekündigt und damit dem sozialen Frieden im Stadtteil erheblich geschadet.
Michael Joho, Vorsitzender des Einwohnervereins