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EV-Brief Wohnlagen Kock v. 24.3.16
Einwohnerverein St. Georg von 1987 e. V.
Per Adresse: Stadtteilbüro St. Georg, Hansaplatz 9, 20099 Hamburg
Website: www.ev-stgeorg.de, E-Mail: info@ev-stgeorg.de, Tel. 280 37 31
An die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen
z.Hd. Herrn Staatsrat Kock
Neuenfelder Straße 19
21109 Hamburg
St. Georg, den 24.3.2016
Betr.:
Wohnlagenverzeichnis/Mietenspiegel 2015
Sehr geehrter Herr Staatsrat Kock,
wie Sie vielleicht erinnern bzw. wissen, haben wir am 17. Februar auf einer öf-fentlichen Veranstaltung des Einwohnervereins über die Hochstufung einiger St. Georger Straßen in die sog. „gute Wohnlage“ mit rund 60 Betroffenen disku-tiert. Auf einer anschließenden internen Beratung sind die dort angesprochenen Punkte nochmals besprochen worden. Vor diesem Hintergrund übermittele ich Ihnen– stellvertretend für die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) – hiermit unsere Forderungen.
1) Das Auf und Ab der Wohnlageneinstufungen im nördlichen Teil St. Georgs im vergangenen Jahrzehnt hat die ganze Absurdität des Verfahrens unterstri-chen. Da müssen erst Gerichtsurteile herhalten, um die Wohnlagenhochstufun-gen z.B. in der Koppel und in der St. Georgstraße mit teilweise mehrjährigem Verzug zurückzunehmen und im Wohnlagenverzeichnis zu berücksichtigen. Und mit dem neuen Wohnlagenverzeichnis bzw. Mietenspiegel 2015 werden diese Entscheidungen wieder kassiert. Das geht aus unserer Sicht überhaupt nicht und untergräbt das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung. Wir fordern daher umfassende Transparenz und die vollständige Offenlegung sämtlicher Aspekte – des Anlasses, etwaiger Begutachtungsbesuche, der Gründe sowie der (Berech-nungs-) Faktoren –, die Ende 2015 zur Hochstufung der St. Georgstraße, der Rautenbergstraße und großer Teile der Koppel von der normalen in die gute Wohnlage geführt haben.
2) Wir halten die erneute Hochstufung der betreffenden Blockseiten von der normalen in die gute Wohnlage für völlig ungerechtfertigt. Es hat sich in den be-treffenden Straßen für die Menschen nichts, aber auch gar nichts verbessert. Ein-zig der Bodenrichtwert bzw. Gebietsstatus – was für kaschierende, ja euphemi-stische Begriffe – ist weiter angestiegen. Doch das nutzt den betroffenen Miete-rInnen nicht nur nix, es schadet ihnen sogar noch und trägt über massiv angeho-bene Mieten zu einer weiteren Verdrängungswelle maßgeblich bei. Wir fordern daher die Rückstufung der genannten Straßen von der guten in die normale Wohnlage.
3) Wir bezweifeln zutiefst, wie schon einmal vor zehn Jahren, die angebliche „Wissenschaftlichkeit“ der „Formel“ zur „Berechnung“ der Wohnlageneinstu-fung. Auf keiner der verschiedenen Veranstaltungen, weder damals mit Ihnen und Herrn Klupp noch in den vergangenen Wochen mit Vertreterinnen der BSW, ist es den Verantwortlichen gelungen, den Nachweis dieser Wissenschaft-lichkeit auch nur ansatzweise zu führen. Ganz im Gegenteil, wir sind erneut zu der Überzeugung gekommen, dass die völlig überproportionale Berücksichti-gung des Bodenrichtwerts bei der Berechnungsformel alleine die Interessen der Haus-, Wohnungs- und GrundeigentümerInnen widerspiegelt und befriedigt. Konkret für St. Georg bedeutet die Wertigkeit von gut 40 % des einen Faktors (0,88 für den Gebietsstatus) gegenüber allen anderen fünf Faktoren (1,20 für den Grünflächenanteil, die Verdichtung, Lärmquellen, Verkehrsbelastung und ÖPNV-Anbindung) eine Verkehrung der Wahrnehmungen, Bedürfnisse und In-teressen der gesamten Mieterschaft. Gutes Wohnen als MieterIn hat so gar nichts mit den explodierenden Bodenpreisen, dem Eigentumswohnungshype und der Flucht in die Immobilien zu tun, sehr viel aber mit der Zahl der Bäume, der Autofrequenz und dem „Rollkofferalarm“ etc. Wir fordern daher die völlige Streichung des Gebietsstatus‘ bzw. der Bodenrichtwerte aus der Berechnungs-formel für die Wohnlageneinstufung.
4) Wir stellen uns nicht grundsätzlich gegen einen Mietenspiegel und das Wohn-lagenverzeichnis, wir kritisieren allerdings, dass viele Regelungen mieterfeind-lich und am Leben vorbei sind. Wie kann es sein, dass bei der ortsüblichen Ver-gleichsmiete lediglich die „veränderten“, de facto also ausschließlich die ange-hobenen Mieten der letzten vier Jahre in deren Berechnung eingehen? Wieso wird der SAGA GWG nicht ein Riegel vorgeschoben, ausgerechnet als öffentli-ches Wohnungsunternehmen Mieterhöhungsverlangen herauszuschicken, kaum dass der neue Mietenspiegel verkündet worden ist? Was soll hinsichtlich der Wohnlageneinstufung eine „wissenschaftliche Formel“, die vorhandene Tenden-zen der Aufwertung, Gentrifizierung und Verdrängung auch noch massiv an-
heizt? Diese und einige weitere Aspekte bringen uns dazu, an den Senat, die zu-ständige Behörde, den AK Mietenspiegel und die Hamburgische Bürgerschaft zu appellieren, die Grundlagen des Mietenspiegels wie auch des Wohnlagenver-zeichnisses dringend zu überarbeiten und dabei die Interessen der MieterInnen nicht nur stärker zu berücksichtigen, sondern überhaupt Partizipation in Form von MieterInnenbeteiligung auf Augenhöhe zu gewähren und zu organisieren.
Ihrer Reaktion auf unsere Anliegen und Forderungen sehen wir mit Spannung entgegen. Im Stadtteil haben wir eine weitere öffentliche Veranstaltung ange-kündigt, sobald die Antwort der BSW vorliegt. Seien Sie dafür schon einmal im Vorwege herzlich eingeladen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Joho, 1. Vorsitzender