Archiv der Kategorie: Mieten

Pressemitteilung zum MIETENmove

Treffpunkt der St. GeorgerInnen am 2.6. um 12.30 Uhr auf dem Hachmannplatz/Bieberhaus

Pressemitteilung zum
„MIETENmove!“ – Dem Mietwahnsinn entgegentreten
vom Netzwerk Recht auf Stadt Hamburg

Berlin, Leipzig, Göttingen, Düsseldorf, Nürnberg oder auch Stuttgart – seit Wochen protestieren Menschen bundesweit gegen den Mietwahnsinn, diesen Samstag geht Hamburg auf die Straße.

Ein Bündnis aus rund 130 Gruppen, Initiativen, Vereine, Verbände, soziale Einrichtungen und Kultureinrichtungen ruft am morgigen Samstag, den 2. Juni zu einer Demonstration als Zeichen gegen den Mietwahnsinn in Hamburg auf. Um 13 Uhr geht es am Spielbudenplatz los. Zunächst Richtung Schanzenviertel, dann die Feldstraße hoch Richtung Gänsemarkt, den Jungfernsteig entlang zum Rathaus und schlussendlich über die Mönckebergstraße zum vom Abriss bedrohten City-Hof.

In ganz Deutschland wird der Unmut über steigende Mieten laut. Am 14. April diesen Jahres gingen in Berlin rund 25.000 Menschen gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn auf die Straße. Nun will Hamburg ein Zeichen gegen den Mietwahnsinn setzen. „Das bedingungslose Vertrauen des Senats in den Markt, hat sich als falsch erwiesen“, sagt Christina Zeh, aktiv bei Pro Wohnen Ottensen, dazu. „Auch die vor drei Jahren eingeführte Mietpreisbremse ist nicht mehr als ein zahnloser Tiger.“

Es geht jedoch nicht nur um Wohnungsmieten, auch nachbarschaftliches Kleingewerbe bangt um seine Existenz. Noch schlimmer steht es um die, die erst gar keine vernünftige Wohnung haben: Menschen, die Jahre lang in temporären Unterkünften „geparkt“ sind wie Obdachlose. Aber auch Bauwagenplätze müssen regelmäßig um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Bei Quadratmeterpreisen von bis zu 30 Euro, wie sie das Unternehmen Akelius verlangt, sind längst nicht mehr nur einkommensschwache Haushalte von Verdrängung bedroht, sondern auch die Mittelschicht. Wohnen wird immer mehr zu einem Luxus, dabei verstehen laut einer Studie der Caritas 93 Prozent der Deutschen Wohnen als ein Menschenrecht.

Kontakt für Rückfragen:

Sprecher*innenrat vom Netzwerk Recht auf Stadt Hamburg
E-Mail: info@rechtaufstadt.net
Telefon: 0152 27 26 63 45

Kontakt auf der Demonstration:

Sie erreichen die Pressegruppe für Interviews auf dem MIETENmove! über die oben stehende Telefonnummer oder finden sie am Recht auf Stadt-Wagen im vordersten Teil der Demonstration.

Weitere Informationen:
www.mietenmove.org 

Aufruf: Mietenwahnsinn Stoppen!

Mietenwahnsinn stoppen!

Bezahlbare gute Wohnungen für alle!

Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind unübersehbar: In den meisten Stadtregionen steigen die Mieten unaufhörlich; Verdrängungen durch Modernisierungsmaßnahmen sind alltäglich. Zwangsräumungen haben stark zugenommen. Renditeorientierte Vermieter*innen lassen ihre Wohnungen verkommen. Vermietungskonzerne erfinden immer neue Kostentricks. Rassistische Diskriminierung und Hartz IV-freie Innenstädte sind Normalität.

Gleichzeitig wehren sich immer mehr Mieter*innen in Initiativen und Mieter*innenvereinen. Sie protestieren und konfrontieren die Politik und Wohnungsunternehmen mit ihrer Situation. Auch die meisten Politiker*innen bezweifeln diesen Zustand nicht.

Es sollte daher längst etwas Wirksames geschehen sein. Dem ist aber nicht so. In der letzten schwarz-roten Bundesregierung gab es eine Reihe von Änderungen, die angeblich das Los der Mieter*innen und Wohnungssuchenden erleichtern sollten:

Die Mietpreisbremse wirkt jedoch nicht. Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus bietet keine Antwort auf den extremen Mangel an preisgünstigen Wohnraum. Sie sichert die Gewinne der privaten Wohnungsunternehmen. In einigen Kommunen konnten Proteste Zugeständnisse durchsetzen. Aber ein Richtungswechsel hin zu einem grundlegenden Wandel der Wohnungspolitik ist nicht zu erkennen.

Wir stellen fest: Das ist viel zu wenig. Uns reicht es. Wir verlangen eine Wohnungspolitik, die an den Bedürfnissen der Bewohner*innen orientiert ist. Wohnen ist ein Menschenrecht. Unser (langfristiges) Ziel ist die Vergesellschaftung von Wohnraum – ein erster Schritt dahin ist die Schaffung eines nicht marktförmigen, nicht profitorientierten Wohnungssektors.

Wir – Mietervereine, Mieter*inneninitiativen, „Recht auf Stadt“-Netzwerke und weitere soziale Organisationen – starten am 1. Juni eine wohnungspolitische Offensive.

Wir fordern:

1. Neue Wohnungsgemeinnützigkeit

Wir fordern die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit als Alternative zur renditeorientierten Wohnungswirtschaft. Die soziale Zweckbindung dieser Wohnungen muss dauerhaft sein und soll durch steuerliche Förderung, Privilegien bei der Grundstückvergabe, öffentliche Zuschüsse und Kredite gefördert werden.

2. Mietenanstieg stoppen!

Wir fordern eine wirksame, flächendeckende Begrenzung des Mietenanstiegs
durch rechtlich verbindlich Mietspiegel, die das tatsächliche Mietenniveau aller Wohnungen abbilden
durch eine verschärfte und flächendeckende Mietpreisbremse ohne Ausnahmen
durch eine bundesweite Begrenzung von Mieterhöhungen auf den Inflationsausgleich
durch konsequente Ahndung von unzulässigen Mietpreisüberhöhungen und Mietwucher nach § 5Wirtschaftsstrafgesetz und § 291 Strafgesetzbuch.

3. Keine Verdrängung durch Modernisierung!

Die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete (§559 BGB) muss abgeschafft werden.

4. Zwangsräumungen verhindern! Kündigungsschutz verbessern!
Wir fordern einen wirksamen Kündigungs- und Räumungsschutz für Mieter*innen, der die Aufweichung von Mieter*innenrechten zurücknimmt und soziale Notlagen berücksichtigt.

5. Leerstände beenden!

Wir fordern, dass die Vermietung von spekulativem Leerstand erzwungen werden kann. Instandbesetzungen müssen legalisiert werden

6. Neuausrichtung der Bodenpolitik

Wir fordern, dass der Ausverkauf öffentlicher Liegenschaften und Wohnungsbestände gestoppt und umgekehrt wird. Öffentliche Liegenschaften müssen für Wohnen und soziale Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden.

7. Wohnungsunternehmen demokratisieren! Kollektive Mieter*innenrechte schaffen!

Wir fordern kollektive Mieter*innenrechte in allen Wohnungsunternehmen und echte Mieter*innen-Mitbestimmung im öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungssektor.
Wir werden in unseren Wohnvierteln, auf der Straße, vor den Parlamenten wie den Zentralen der Wohnungsunternehmen und auf Fachveranstaltungen gemeinsam für diese Forderungen eintreten.

Nur politischer Druck von unten kann konkrete Verbesserungen für Mieter*innen und eine grundlegend neue Wohnungspolitik durchsetzen.

Unterzeichner*Innen:

https://mietenwahnsinn-stoppen.de/unterzeichnerinnen/

 

Rede zum Thesenanschlag am 19. Mai von Bernhard Stietz-Leipnitz

Von Bernhard Stietz-Leipnitz, Gründungsmitglied des Einwohnervereins und Mitglieder der Redaktion der Stadtteilzeitung „Der lachende Drache“, dessen 300. Ausgabe im Februar 2017 erschienen ist. Der nachfolgende Text ist die Grundlage für die Rede, die Bernhard St.-L. am 19. Mai 2017 anlässlich des „St. Georger Thesenanschlags“, des Anbringens von 95 Titelseiten des „Lachenden Drachen“ aus den letzten drei Jahrzehnten  an der Litfaßsäule auf dem Carl-Ossietzky-Platz, vor rund 40 ZuhörerInnen gehalten hat.

Im April 87 wurde der EV von ca. 50 St. GeorgerInnen gegründet, die der Wille verband zur Einmischung und Abgrenzung vom Bürgerverein und den „Blättern aus St. Georg“, die eher Interessenvertretung für die Gewerbetreibenden und Grundeigentümerinnen betrieben.

Die EinwohnerInnen wollten und sollten beteiligt sein an den aktuellen stadtteilpolitischen Debatten, über mehrere Jahre gab es die Veranstaltungsreihe „St. Georg im Gespräch“, aber eben auch eine Zeitung von unten: Den „Lachenden Drachen“. . Es war die frühe Phase der Computerzeit, Herstellung noch eher mit der Hand, mit der Schreibmaschine, der Schere und Fix-O-Gum als auf dem PC. Deshalb auch – wie zu sehen – keine elektronische Archivierung, die gibt es erst seit ca. 2002. Natürlich alles in der Geschichtswerkstatt archiviert.

Der Drache wurde und wird rein ehrenamtlich von Vereinsmitgliedern gemacht, er finanziert sich weitgehend über Anzeigen der örtlichen Gewerbetreibenden. Hinweis: Wir nehmen noch KundInnen.

In den ersten Jahren immer mal Tiefs: Die Redaktion wurde durch Wegzüge dezimiert, es gab auch mal für zwei Monate keinen neuen Drachen. Insgesamt aber im Durchschnitt 10 Ausgaben pro Jahr, das macht 300 in 30 Jahren. Nummer 300 erschien im Februar, Nummer 303 ist in Arbeit/hier zu haben.

In den letzten Jahren gibt es eine feste Redaktion mit regelmäßigen Treffen. Am vierten Mai hatten wir 10 Redaktionen von Stadtteilzeitungen zu Gast für einen Workshop, aus dem hoffentlich weitere Zusammenarbeit erwächst.

Unsere Themen:
Von Anfang an begleiteten wir die Debatte um die Drogenpolitik dieser Stadt. Einige werden sich noch gut erinnern an die Spritzen auf den Spielplätzen und an die Freierkreisel rund um die Lange Reihe. Beides war für den Drachen Thema, immer mit dem Fokus auf Hilfe für die Abhängigen und Härte gegen die Dealer und die Freier.

Und ebenso begleitet uns das Thema Verdrängung und Aufschickung von Beginn an. Seit den „Vorbereitenden Untersuchungen“ 1978 und dem Beginn der Sanierung im Gebiet S 1 1982 hatte sich schon einiges getan. Die ersten Neubauten waren entstanden, aber auch die Umwandlung von Altbauwohnungen in Eigentum mit den entsprechenden Verdrängungsfolgen hatte 1987 bereits begonnen.

Und das hatte dann auch zur Folge – Sanierung erfolgreich abgeschlossen? – dass der Sanierungsbeirat bereits 1989 auf der Kippe stand. Die Proteste aus dem Stadtteil erreichten dann, dass die PolitikerInnen zähneknirschend einen „Unterausschuss St. Georg“ des Kerngebietsausschusses etablierten, der dessen Funktion bis 2008 übernahm.

Und spannend auch, dass das Riesenbauprojekt an der Adenauerallee/Lindenstraße (Scandinavian Trade Center, später Hansecube) bereits 1991 das erste Mal auf dem Titel erscheint. Abgerissen wurde in den Neunzigern schon mal, gebaut wird seit ein paar Wochen. Zugunsten der ach so seriösen Investoren wurde diese Ecke damals eigens aus dem Sanierungsgebiet S 2 Böckmannstraße ausgenommen und ein eigener Bebauungsplan erstellt.

Auch der Hauptbahnhof, damals der Umbau der Wandelhalle zur Shopping Mall, gab Anlass für eine Titelthese.
Und 1988/89 war die Ehrung des zeitweiligen St. Georgers Carl von Ossietzky ein zentrales Thema. Die Gedenktafel an der Schmilinskystraße 6 und dieser Platz legen davon Zeugnis ab.

Dessen Tradition folgend verurteilte der Drache dann auch 1991 den ersten Golfkrieg klar und eindeutig. So wie der Fokus immer auf dem Lokalen liegt, aber der Blick über den Tellerrand immer dann erfolgt, wenn die Ereignisse in der Welt uns unmittelbar betreffen.

Ebenfalls 1991 gab es Anlass, sich kritisch mit der Presseberichterstattung über unseren Stadtteil auseinanderzusetzen. Den gab es immer wieder, gerade vor einer Woche gab es wieder eine Spitzenleistung der Hamburger Morgenpost: Da beklagt sich ein Spielhallenbetreiber vom westlichen Steindamm, dass er seine weiblichen Angestellten persönlich zum Bahnhof begleiten muss … – um sie vor seinen Kunden zu schützen???

1992 war geprägt von der Forderung des Einwohnervereins „Macht endlich Drogenpolitik!“ Erster Erfolg waren verkehrslenkende Maßnahmen zur Unterbrechung der Freierkreisel zwischen Langer Reihe und Steindamm, Höhepunkt des Jahres war die große Diskussion mit Sozialsenator Ortwin Runde in der Dreieinigskeitskirche, Ergebnis: Null, bzw. sehr allgemeine Ankündigungen. Es sollte noch ein Weilchen dauern, bis tatsächlich gehandelt wurde.

Regelmäßig wurde demonstriert in Sachen Drogen- und Sparpolitik (ja auch damals schon!), aber es gab auch seit 1989 in jedem Jahr ein Stadtteilfest der Vereine und Initiativen, getragen vom Einwohnerverein und der ev. Kirchengemeinde, und ein paarmal sogar einen Karnevalsumzug hier im hohen und drögen Norden …

Und ebenfalls schon vor mehr als zwanzig Jahren begann das Ladensterben auf der Langen Reihe und Umgebung. Ebenfalls ein Sanierungserfolg? Jedenfalls stiegen die Ladenmieten erheblich und so mancher alteingesessene Laden musste aufgeben. Daran hat sich leider bis heute nichts geändert, trotz Bemühungen des ehemaligen Bezirksamtsleiters Andy Grote, der mit den Grundeigentümern einen „Letter of Intent“ vereinbarte, der dem Einhalt gebieten sollte. Verbessert hat sich nichts, auch weil es so etwas wie Mieterschutz für Kleingewerbetreibende nach wie vor nicht gibt.

Für unser Engagement in Sachen Stadtteilkultur steht der Titel Sommer/96: Seit 1988 verleiht der Einwohnerverein alle 2 Jahre den „Goldenen Drachen“ an Menschen oder Institutionen, die sich um die Kultur in St. Georg verdient gemacht haben. In diesem Falle Dankwart und Jürgen Wohlers mit ihrer Buchhandlung. Und da entsteht dann auch der Zusammenhang zum Thema Ladensterben, denn sehr viel später, nämlich 2012, erschien Wohlers wieder auf dem Titel, als Opfer der Geldgier der Immobilieneigentümer und als Gegenstand der Solidarität unzähliger St. GeorgerInnen.

Im Jahr 97 erschien das Frauencafé Bißquit auf dem Titel, leider nur von kurzer Lebensdauer (bis 2000), aber ein tolles Projekt von Frauen für Frauen. Es hätte wahrlich mehr Unterstützung verdient gehabt.

Der Einwohnerverein war zehn Jahre alt – gleichzeitig traf St. Georg die Privatisierungspolitik der Kohl-Regierung ganz konkret: Das Postamt 105 in der Lindenstraße wurde gegen den Protest des Stadtteils dicht gemacht. Mögen viele auch finden, dass sie postalisch über die Kioske weiter gut versorgt sind – es sind von der Post AG tausende von ordentlich bezahlten und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen vernichtet worden.

Und zum ersten Mal findet der Lohmühlenpark den Weg auf den Titel. Und Professor Thalgott war mit der Schätzung von 10 bis 15 Jahren Realisierungszeit noch durchaus optimistisch. Immerhin, der größte Teil ist nach 20 Jahren geschafft. Schneller gelang die damals angekündigte Neubebauung des Volksfürsorgegeländes, außer zwei Wohnhäusern An der Alster ist nichts mehr übrig. Und die Profite sprudeln …

Das Ende des Jahrtausends brachte auch die riesigen Pläne für das Gebiet südlich des Steindamms Richtung Berliner Tor. Seitdem hat unser Stadtteil sein eigenes Klein-Manhattan mit mehr als 20-geschossigen Hochhäusern und entsprechend vielen Hotelbetten und Arbeitsplätzen ohne Koppelung an den Stadtteil.

Regelmäßig erschienen über Jahre vier Sonderseiten zum Münzviertel, gestaltet von Günter Westphal im Drachen, im Mai 99 war es auch mal auf dem Titel. Und das Viertel lebt immer noch, und wie!

Mit dem neuen Jahrtausend setzte sich der Prozess der Verdrängung der angestammten Bewohnerinnen aus dem Stadtteil verschärft fort. Unter anderem führte die ach so erfolgreiche Sanierung zu Wohnlagen“verbesserungen“ und daraus folgenden Mieterhöhungen. Dagegen wendete sich die Initiative „Ohne Mix is nix“, MieterInnen gelang es mit anwaltlicher Hilfe, die Höherstufung ihrer Wohnungen rückgängig zu machen. Dennoch ist die ständige Drohung mit erheblichen Mieterhöhungen an der Tagesordnung, richtet sich die Einstufung der Wohnlage nach dem sog. Bodenrichtwert, der wiederum unmittelbar von den bei spekulativen Verkäufen erzielten Preisen abhängt. Die Forderung nach einer sozialen Erhaltenssatzung wird dennoch 2002 von der großen Koalition im Bezirk abgebügelt.

Wer erinnert sich noch? Die Turnhalle an der Langen Reihe (heute eine Abfütterungstation mit Frikadellen im Brötchen) sollte mal dem Stadtteil zum Selbstkostenpreis für Veranstaltungen zur Verfügung stehen … Ob man sich da wohl mit Angaben leicht neben der Wahrheit Zustimmung erkaufen wollte?

2001 begann erneut die Debatte über eine Verkehrsberuhigung der Langen Reihe – Fußgängerzone, Shared Space, alles Mögliche wurde diskutiert. Wir hatten dazu einiges zu sagen. Insbesondere ging es darum, den Durchgangsverkehr möglichst loszuwerden, aber eine weitere „Aufwertung“ zu verhindern, um nicht noch mehr AnwohnerInnen zum Auszug zu zwingen.

Der Schwarz-Schill-Senat hatte dann die Idee, das Drob Inn an die Amsinckstraße zu verlagern, der Drache protestierte heftig. Es wurde dann das ehemalige Wüstenrothaus, wo bis heute gute Arbeit trotz Sparpolitik geleistet wird.

Der Boulevard Steindamm war schon in 2002 Thema – so richtig viel hat sich in der Angelegenheit nicht getan – ein Business Improvement District ist aus unserer Sicht auch keine Lösung.

2003 war ein Jahr der Erinnerung, 70 Jahre nach der Machtübergabe an die deutschen Faschisten, aber auch erneut ein Jahr des NATO-Kriegs im Irak. Das ignorierte auch der Drache nicht. Und die unsägliche Kultursenatorin Horakowa brachte viele St. GeorgerInnenin Wallung mit ihrer Kürzungsorgie bei den Geschichtswerkstätten. Die Unsere – ohnehin unterfinanziert – blieb ungeschoren, andere haben das Niveau vor 2002 bis heute nicht weder erreicht.

Nach Horrorkoffer (unfreundlicher Spitzname der im Februar entsorgten Kultursenatorin) kam das sogenannte Horrorhaus, das ehemalige DAK-Gebäude auf den Titel – immerhin steht dort nun doch schon seit einigen Jahren ein neues (Büro)Gebäude mit einigen Wohnhäusern dahinter, manchmal tut sich eben doch was.

2005 wurde das Gebäude Lange Reihe 57 durch Brandstiftung zerstört. Die Täter und Anstifter wurden nicht belangt, das baureife Trümmergrundstück weiter gereicht und profitabel bebaut. Ein unerfreuliches Beispiel dafür, dass Verbrechen in dieser Stadt sich nicht selten auszahlt.

Die Videoüberwachung auf dem Hansaplatz sorgte für einigen Aufruhr, nicht nur beim Einwohnerverein. Der Widerstand aus dem Stadtteil führte letztlich dazu, dass die Kameras mit der Umgestaltung des Platzes wieder verschwanden.

Unterstützt vom EV und vom Drachen wurden die Forschungen der GW zu Opfern der NS-Vernichtungspolitik, die sich in inzwischen mehr als 100 verlegten Stolpersteinen im Stadtteil niedergeschlagen haben.

Seit mehr als 10 Jahren gibt es die Zusammenarbeit der Innenstadtviertel im Kampf gegen die Gentrifizierung, die bald – im September 2009 – zur Gründung des Netzwerks Recht auf Stadt führte, in dem der Einwohnerverein von Anfang an mitgearbeitet hat.

Ab 2007 wurde dann das „Entwicklungskonzept St. Georg“ im Fördergebiet St. Georg Mitte umgesetzt. Gleichzeitig starb der Unterausschuss St. Georg/Stadtteilbeirat und wurde durch den Stadtteilbeirat im Fördergebiet ersetzt. Der musste sich sein Zuständigkeit für den ganzen Stadtteil und mehr als nur irgendwelche Schlüsselprojekte erst mal erkämpfen.

Im gleichen Jahr wurde der Grundstein für das vierte Wohnprojekt im Stadtteil, die „Brennerei“, gelegt. Diesem Projekt hat der Drache seine damals zugezogene Chefreporterin zu verdanken.

Aber auch die Heuschrecken machten ungebremst weiter: Die MieterInnen des Merckstifts in der Knorrestraße wurden brutal rausgedrängt, da konnte es dann auch schon mal im Hinterhof brennen – natürlich rein zufällig, ein Schelm, der Böses dabei dächte. Der große Erfolg der Rot-Grünen Bezirks-Politik besteht nun darin, dass die Fassade des Stiftsgebäudes in die Eigentumsblocks auf dem ehemaligen 1000-Töpfe-Gelände integriert ist. Danke noch mal!

Und vor knapp 10 Jahren wurde der Ort unseres heutigen Thesenanschlags eingeweiht: Hamburgs erste kommunale Litfaßsäule in der Regie der Geschichtswerkstatt. Mancher hatte gezweifelt, dass das klappen würde mit der Aktualisierung und dem regelmäßigen Kleben, die Zweifler wurden von den Plakatlieferanten sowie den Verantwortlichen Steffen und Rita eines besseren belehrt!

Im Stadtteil einhellig begrüßt, in der Bezirksversammlung nicht unumstritten waren die grün-weißen Minarette für Centrum Moschee, die der Künstler Boran Burchhardt gestaltete.

Die nun ja vorläufig beendete Geschichte der Dreifeldsporthalle für St. Georg fand den Weg auf den Titel Anfang 2010. Ein gutes Beispiel für das Scheitern der vielgelobten „Integrierten Stadtteilentwicklung“. Obwohl Schlüsselprojekt, kam es nicht zu einer finanziellen Kooperation der verschiedenen Behörden, die Dreifeldhalle kam nicht, und die Aktiven können ein leidvolles Lied davon singen, wie schwer es war, wenigstens die baufällige Halle an der Rostocker Straße zu retten und dem Stadtteil zugänglich zu machen.

Immer wieder brauchte auch die Heinrich-Wolgast-Schule die Solidarität des Stadtteils. Heute können wir davon ausgehen, dass ihre Existenz als Ganztagsprimarschule gesichert ist, auch wenn die bilingualen Klassen auf der Kippe stehen.

Nach der Einbenennung des Durchgangs zwischen Greifswalder Straße und Kirchenweg in Erinnerung an Helmut Hübener konnte 2010 auch ein Wandbild für die Ecke Kirchenweg im Stadtteilbeirat vorgestellt werden. Und der Einwohnerverein schlug Mehmet Simsit, den Wirt des Hansatreffs und Stadtteilaktivisten, für den BürgerInnenpreis der Bezirksversammlung vor. Da war allerdings Markus Schreiber vor, der die Aufwertung des Hansaplatzes durch Mehmet gefährdet sah.

Ansonsten waren die Jahre 12/13 geprägt vom Thema Läden und Ladenmieten auf der Langen Reihe, ausgehend von der Auseinandersetzung um die Buchhandlung Wohlers. Leider hat sich nichts gebessert seither.

Der Beirat stand auch 2013 mit dem Auslaufen der RISE- Förderung wieder auf der Kippe. Unsere Proteste konnten wenigstens die jetzt bestehende sehr abgespeckte Version retten, die nach wie vor mehr als notwendig ist. Wir brauchen mindestens 10 Sitzungen im Jahr! Die Einmischung des Beirats in das Thema Busbeschleunigung auf den Linien 6 und 37 ist das beste Beispiel. Anders als vom Senat beabsichtigt wurde das Thema intensiv und konsensorientiert im Beirat diskutiert. Folge: Fast alle sind zufrieden und es wurde viel Geld gespart. Von den eingesparten Kosten für den unsinnigen Kreisel an der Lohmühlenstraße könnte der Beirat mehrere Jahre lang in der alten Höhe finanziert werden!

Mehrfach beschäftigten den Drachen in letzter Zeit die rabiaten Entmietungsmethoden des neuen Eigentümers in der Danziger Straße 44. Dieses Haus könnte die Nagelprobe sein auf die Wirksamkeit der Sozialen Erhaltungsverordnung. Es kann nicht sein, dass die Verwaltung den MieterInnen immer nur erzählt, es handele sich um privatrechtliche Streitigkeiten, in die sich die öffentliche Hand nicht einmischen könne.

An die vergangenen zwei Jahre erinnern sich die Meisten sicherlich gut. Auch der Drache führte die NOlympia-Diskussion. Und der Einwohnerverein widmete sich wie die meisten St. Georger Vereine und Initiativen dem Los der hier gestrandeten Kriegsflüchtlinge. Daneben begleiteten uns weiter Hansaplatz und Hauptbahnhof, das wird wohl auch so bleiben.

Der Stoff ist der Redaktion jedenfalls nie ausgegangen – und auch das wird wohl so bleiben.

Hinz und Kunzt – Artikel zum Cityhof

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Bald eine Nobelmeile? Bislang befindet sich in den Häusern des Cityhofs das Bezirksamt Mitte – und zwei Einrichtungen für Obdachlose. Foto: BELA

Sozialwohnungen und Raum für soziale Einrichtungen statt Abriss und Neubau: Hamburger Initiativen haben ihre Pläne für den City-Hof am Klosterwall vorgestellt. Sie wollen für den Erhalt der Gebäude kämpfen.

Es kamen viel mehr Zuhörer als erwartet: Mehr als 120 Menschen haben sich am Dienstagabend in der Tagesaufenthaltsstätte Herz As im Münzviertel versammelt, um über soziale Stadtentwicklung rund um den Hauptbahnhof zu diskutieren. Eingeladen hatten sieben Initiativen, darunter das Gängeviertel, der Einwohnerverein St. Georg und der AStA der HafenCity Universität. Ihr Ziel: den abrissbedrohten City-Hof zu erhalten und darin soziale Einrichtungen und Sozialwohnungen für Wohnungslose und Flüchtlinge zu errichten.

Die Veranstaltung war der Auftakt für geplante Proteste gegen Abriss und Neubau des Gebäudeensembles am Hauptbahnhof. „Wir haben Zeit bis Ende Mai, um in dieser Stadt das Fass aufzumachen, den City-Hof zu erhalten“, sagte Michael Joho vom Einwohnerverein, der die Veranstaltung moderierte.

Sozialwohnungen und Raum für soziale Einrichtungen statt Abriss und Neubau: Hamburger Initiativen haben ihre Pläne für den City-Hof am Klosterwall vorgestellt. Sie wollen für den Erhalt der Gebäude kämpfen.

Es kamen viel mehr Zuhörer als erwartet: Mehr als 120 Menschen haben sich am Dienstagabend in der Tagesaufenthaltsstätte Herz As im Münzviertel versammelt, um über soziale Stadtentwicklung rund um den Hauptbahnhof zu diskutieren. Eingeladen hatten sieben Initiativen, darunter das Gängeviertel, der Einwohnerverein St. Georg und der AStA der HafenCity Universität. Ihr Ziel: den abrissbedrohten City-Hof zu erhalten und darin soziale Einrichtungen und Sozialwohnungen für Wohnungslose und Flüchtlinge zu errichten.

Die Veranstaltung war der Auftakt für geplante Proteste gegen Abriss und Neubau des Gebäudeensembles am Hauptbahnhof. „Wir haben Zeit bis Ende Mai, um in dieser Stadt das Fass aufzumachen, den City-Hof zu erhalten“, sagte Michael Joho vom Einwohnerverein, der die Veranstaltung moderierte.

Unternehmen will den Gebäudekomplex eigentlich abreißen

Eigentlich ist der Abriss der Häuser bereits beschlossene Sache. Nach langer Debatte stimmte die Bürgerschaft mit den Stimmen von SPD und Grünen im vergangenen Frühjahr für einen Verkauf der denkmalgeschützten Häuser an das Unternehmen Aug. Prien. Da ein Erhalt der Häuser „wirtschaftlich nicht darstellbar“ sei, sollen sie abgerissen werden.

„Es gibt keine Beteiligungsmöglichkeit mehr.“– Magnus-Sebastian Kutz

Ein Architektenwettbewerb mit Entwürfen für eine Neubebauung läuft bereits, im Frühsommer soll das Ergebnis feststehen. Weitere Entwürfe könnten nicht mehr eingereicht werden, sagte Baubehördensprecher Magnus-Sebastian Kutz zu Hinz&Kunzt: „Es gibt keine Beteiligungsmöglichkeit mehr.“

Die Initiativen wollen nun erreichen, dass das bisherige Verfahren ausgesetzt und im Sommer erneut ergebnisoffen über das Areal diskutiert wird – schließlich ist der Kaufvertrag noch nicht unterschrieben. „Wir wollen von den Verantwortlichen wissen, wieso sie diese Chance für eine soziale Stadtentwicklung vergeben“, sagte Marco Alexander Hosemann, Vorstand im Verein City-Hof.Schwierige Suche nach Räumen am Hauptbahnhof

In der Innenstadt ist der Bedarf an Räumen für soziale Einrichtungen groß. Die Suche danach im Umfeld des Hauptbahnhofs sei schwierig, beklagten im Herz As Vertreter mehrerer Einrichtungen.

Dem Straßenkinderprojekt Kids zum Beispiel waren zum Oktober die Räume im Biberhaus am Hachmannplatz gekündigt worden. Neue Räumlichkeiten sind bis heute nicht gefunden: „Wir haben rundherum gesucht und nichts gefunden“, berichtete Kids-Leiter Burkhard Czarnitzki auf der Veranstaltung.

Seitdem müssen die Sozialarbeiter in Bürocontainern arbeiten. Die sozialen Einrichtungen in Bahnhofsnähe stünden in Konkurrenz zu „Upperclassläden und Wettbüros“, sagte Czarnitzki. Den Cityhof für soziale Zwecke zu nutzen, sei deswegen „eine verdammt gute Idee“.

„Es ist Zeit für ein soziales Leuchtturmprojekt am Hauptbahnhof.“– Stephan Karrenbauer

Hinz&Kunzt begrüßt die Pläne

Auch Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer begrüßte im Herz As die Pläne der Initiativen. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass ein weiterer Teil der Innenstadt zu einer Nobelmeile wird“, sagte er. Eine solche Entwicklung hätte die Verdrängung von Armen zur Folge. „Es ist die Zeit gekommen, ein soziales Leuchtturmprojekt am Hauptbahnhof zu schaffen.“

In wenigen Wochen planen die Initiativen ein Aktionstreffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Moderator Joho gab sich entschlossen: „Es muss auf eine große Auseinandersetzung mit der Stadt hinauslaufen.“

„Hinz&Kunzt“, Mittwoch, 25. Januar 2017 · von Benjamin Laufer 

EV-Brief Wohnlagen Kock v. 24.3.16

Einwohnerverein St. Georg von 1987 e. V.
Per Adresse: Stadtteilbüro St. Georg, Hansaplatz 9, 20099 Hamburg
Website: www.ev-stgeorg.de, E-Mail: info@ev-stgeorg.de, Tel. 280 37 31

An die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen  piratdrachen_200
z.Hd. Herrn Staatsrat Kock
Neuenfelder Straße 19
21109 Hamburg
St. Georg, den 24.3.2016

Betr.:
Wohnlagenverzeichnis/Mietenspiegel 2015

Sehr geehrter Herr Staatsrat Kock,
wie Sie vielleicht erinnern bzw. wissen, haben wir am 17. Februar auf einer öf-fentlichen Veranstaltung des Einwohnervereins über die Hochstufung einiger St. Georger Straßen in die sog. „gute Wohnlage“ mit rund 60 Betroffenen disku-tiert. Auf einer anschließenden internen Beratung sind die dort angesprochenen Punkte nochmals besprochen worden. Vor diesem Hintergrund übermittele ich Ihnen– stellvertretend für die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) – hiermit unsere Forderungen.

1) Das Auf und Ab der Wohnlageneinstufungen im nördlichen Teil St. Georgs im vergangenen Jahrzehnt hat die ganze Absurdität des Verfahrens unterstri-chen. Da müssen erst Gerichtsurteile herhalten, um die Wohnlagenhochstufun-gen z.B. in der Koppel und in der St. Georgstraße mit teilweise mehrjährigem Verzug zurückzunehmen und im Wohnlagenverzeichnis zu berücksichtigen. Und mit dem neuen Wohnlagenverzeichnis bzw. Mietenspiegel 2015 werden diese Entscheidungen wieder kassiert. Das geht aus unserer Sicht überhaupt nicht und untergräbt das Rechtsbewusstsein der Bevölkerung. Wir fordern daher umfassende Transparenz und die vollständige Offenlegung sämtlicher Aspekte – des Anlasses, etwaiger Begutachtungsbesuche, der Gründe sowie der (Berech-nungs-) Faktoren –, die Ende 2015 zur Hochstufung der St. Georgstraße, der Rautenbergstraße und großer Teile der Koppel von der normalen in die gute Wohnlage geführt haben.

2) Wir halten die erneute Hochstufung der betreffenden Blockseiten von der normalen in die gute Wohnlage für völlig ungerechtfertigt. Es hat sich in den be-treffenden Straßen für die Menschen nichts, aber auch gar nichts verbessert. Ein-zig der Bodenrichtwert bzw. Gebietsstatus – was für kaschierende, ja euphemi-stische Begriffe – ist weiter angestiegen. Doch das nutzt den betroffenen Miete-rInnen nicht nur nix, es schadet ihnen sogar noch und trägt über massiv angeho-bene Mieten zu einer weiteren Verdrängungswelle maßgeblich bei. Wir fordern daher die Rückstufung der genannten Straßen von der guten in die normale Wohnlage.

3) Wir bezweifeln zutiefst, wie schon einmal vor zehn Jahren, die angebliche „Wissenschaftlichkeit“ der „Formel“ zur „Berechnung“ der Wohnlageneinstu-fung. Auf keiner der verschiedenen Veranstaltungen, weder damals mit Ihnen und Herrn Klupp noch in den vergangenen Wochen mit Vertreterinnen der BSW, ist es den Verantwortlichen gelungen, den Nachweis dieser Wissenschaft-lichkeit auch nur ansatzweise zu führen. Ganz im Gegenteil, wir sind erneut zu der Überzeugung gekommen, dass die völlig überproportionale Berücksichti-gung des Bodenrichtwerts bei der Berechnungsformel alleine die Interessen der Haus-, Wohnungs- und GrundeigentümerInnen widerspiegelt und befriedigt. Konkret für St. Georg bedeutet die Wertigkeit von gut 40 % des einen Faktors (0,88 für den Gebietsstatus) gegenüber allen anderen fünf Faktoren (1,20 für den Grünflächenanteil, die Verdichtung, Lärmquellen, Verkehrsbelastung und ÖPNV-Anbindung) eine Verkehrung der Wahrnehmungen, Bedürfnisse und In-teressen der gesamten Mieterschaft. Gutes Wohnen als MieterIn hat so gar nichts mit den explodierenden Bodenpreisen, dem Eigentumswohnungshype und der Flucht in die Immobilien zu tun, sehr viel aber mit der Zahl der Bäume, der Autofrequenz und dem „Rollkofferalarm“ etc. Wir fordern daher die völlige Streichung des Gebietsstatus‘ bzw. der Bodenrichtwerte aus der Berechnungs-formel für die Wohnlageneinstufung.

4) Wir stellen uns nicht grundsätzlich gegen einen Mietenspiegel und das Wohn-lagenverzeichnis, wir kritisieren allerdings, dass viele Regelungen mieterfeind-lich und am Leben vorbei sind. Wie kann es sein, dass bei der ortsüblichen Ver-gleichsmiete lediglich die „veränderten“, de facto also ausschließlich die ange-hobenen Mieten der letzten vier Jahre in deren Berechnung eingehen? Wieso wird der SAGA GWG nicht ein Riegel vorgeschoben, ausgerechnet als öffentli-ches Wohnungsunternehmen Mieterhöhungsverlangen herauszuschicken, kaum dass der neue Mietenspiegel verkündet worden ist? Was soll hinsichtlich der Wohnlageneinstufung eine „wissenschaftliche Formel“, die vorhandene Tenden-zen der Aufwertung, Gentrifizierung und Verdrängung auch noch massiv an-

heizt? Diese und einige weitere Aspekte bringen uns dazu, an den Senat, die zu-ständige Behörde, den AK Mietenspiegel und die Hamburgische Bürgerschaft zu appellieren, die Grundlagen des Mietenspiegels wie auch des Wohnlagenver-zeichnisses dringend zu überarbeiten und dabei die Interessen der MieterInnen nicht nur stärker zu berücksichtigen, sondern überhaupt Partizipation in Form von MieterInnenbeteiligung auf Augenhöhe zu gewähren und zu organisieren.

Ihrer Reaktion auf unsere Anliegen und Forderungen sehen wir mit Spannung entgegen. Im Stadtteil haben wir eine weitere öffentliche Veranstaltung ange-kündigt, sobald die Antwort der BSW vorliegt. Seien Sie dafür schon einmal im Vorwege herzlich eingeladen.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Joho, 1. Vorsitzender

Artikel im „Hamburger Wochenblatt“ zur Wohnlageneinstufung

Artikel im „Hamburger Wochenblatt“,
Ausgabe St. Georg/Uhlenhorst/Hohenfelde/City/Hafencity
Nr. 24/2016, vom 15.6.2016
http://www.hamburger-wochenblatt.de/st-georg/lokales/streitpunkt-mietenspiegel-d32797.html

Normale oder gute Wohnlage? Das große Einstufen geht weiter

  1. GEORG. In St. Georg gibt es seit Jahren Streit um die Einstufung der Wohnlagen. Normale oder gute Wohnlage ist dann die Frage. Beurteilt wird dies von den Behörden, die nach Hinweisen von Vermietern, Immobilienbesitzern oder anderen Interessierten immer wieder nachprüfen und hin- und her stufen. So wurde in der Koppel vor rund zehn Jahren ein Teilabschnitt zunächst von der normalen in gute Wohnlage umbenannt und nach Klagen der Anwohner wieder zurückbetitelt.

    Lothar Degen, der seit 1974 in der Koppel Nummer 16 wohnt, hat die ganze Prozedur miterlebt und war damals unter den Klägern. Jetzt gab es eine neue Begutachtung der Umgebung und eine erneute Hochstufung in die gute Wohnlage. Die Kriterien, die zur Berechnung herangezogen werden sind für die meisten Mieter kaum nachvollziehbar, und auch Lothar Degen kann keine positive Veränderung seines Umfeldes feststellen, die für eine gute Wohnlage sprechen würde. „Die Koppel hat sich total verdichtet“, so der Grafiker, der dort mit seiner Frau lebt und kaum noch Licht in der Küche hat.

    „Wir können am Tag etwa eine Stunde ohne künstliches Licht in der Wohnung sitzen“, so Lothar Degen, dann würde der Neubau gegenüber so viel Schatten werfen, dass es in den Räumen permanent dunkel sei. Was jetzt zu der erneuten Hochstufung der Wohnlage geführt haben könnte, bleibt für die betroffen Mieter ein Rätsel. Die Entfernung zum Hauptbahnhof sei dieselbe geblieben, Bäume und Grün rund um die Straße, die parallel zur Langen Reihe verläuft, seien eher im Bestand zurückgegangen und die vielen neuen Gewerbetreibenden, die dem Quartier den Ruf des Szeneviertels verpasst haben, sind für die Anwohner eher eine Lärmbelästigung als Glück. Bei einem Treffen der Anwohner und Behördenvertreter im Februar in St. Georg wurde die Forderung laut, mehr Transparenz für die Berechnungen der Wohnlagen zu bieten.

„Ungerechtfertigte Hochstufung“

In 2015 gab es immerhin Veränderungen für die St. Georgstraße, die Rautenbergstraße und Teile der Koppel. „Wir halten die erneute Hochstufung der betreffenden Blockseiten für völlig ungerechtfertigt“, hieß es auch von Seiten des Einwohnervereins mit Michael Joho als Ersten Vorsitzenden. Für die Menschen habe sich nichts in den betroffenen Straßen verbessert und allein der Anstieg des Bodenrichtwerts habe zu dem erneuten Anstieg geführt. Die Verdrängungswelle werde dadurch maßgeblich weiter vorangetrieben, so Joho. „Wir bezweifeln zudem die Wissenschaftlichkeit der Formel zur Berechnung der Wohnlageneinstufung“, so der Einwohnerverein. Die Berücksichtigung der Bodenrichtwerte halten die Anwohner der betroffenen Straßen für völlig überproportionale und im alleinigen Interesse der Grundeigentümer.

Der Einwohnerverein fordert deshalb eine komplette Streichung dieser Berechnungsgrundlage. Lothar Degen hat auch nach der Neueinstufung noch keine Mieterhöhung erhalten, die Angst geht aber um – und das nicht ohne Grund. Schon die letzte Hochstufung hatte den Anwohnern saftige Mieterhöhungen und dadurch die Überlegung ins Haus gebracht, ob die Wohnung überhaupt noch zu halten sei. Familie Degen, die hier mit einer Warmmiete von 110 D-Mark begonnen hat, steht an der Grenze des Möglichen. Eine weitere Mieterhöhung würde ihr Budget übertreffen.

„Wir haben schon überlegt, ein Zimmer unter zu vermieten“, so Lothar Degen. Bei knapp 60 Quadratmetern keine leichte Aufgabe, wenn man bereits zu zweit in einer Wohnung lebt. Wie Familie Degen geht es auch vielen anderen Bewohnern in Hamburg. Die Mieten explodieren und neuer Wohnraum ist kaum zu finden. „Wenn wir umziehen, kommen noch Kosten für Renovierungen und Transport dazu“, erklärt Lothar Degen, der auf jeden Fall versuchen will, im Stadtteil zu bleiben. (kg)