DAS kann ich wirklich kaum glauben. Die Auflösung des Stadtteilbeirats hat mich erschüttert. Sie ist meines Wissens beispiellos. Unabhängig von politischer Zugehörigkeit, Sympathie und Antipathie frage ich mich nach diesem Vorgang: Wie wird hier miteinander umgegangen? Dieses Vorgehen kann doch nur bedeuten, dass Politikverantwortliche den Bürger:innen mit ihren Fragen, Vorschlägen und Anträgen bewusst aus dem Weg gehen. Welches Demokratieverständnis steckt dahinter?
Ja, der Stadtteilbeirat St. Georg ist unbequem, laut und streitbar, die Sitzungen sind lang, der Ton ist direkt, manchmal rau und gewöhnungsbedürftig. So ist das eben, wenn Bürger:innenbeteiligung und freie Meinungsäußerung angesagt sind, unabhängig von Mehrheiten, Zugehörigkeit und politischem Kalkül. Das ist mitunter nervig, aber das muss Demokratie aushalten.
Der Stadtteilbeirat ist DAS Beteiligungsforum für interessierte und engagierte Stadtteilbewohner:innen, für diejenigen, die hier leben, arbeiten und den Herausforderungen in St. Georg täglich begegnen.
Die Begründung für die angekündigte „Neugestaltung“ klingt beim ersten Hören ja gar nicht so verkehrt: Mehr hier lebende Migrant:innen sollen eingebunden werden. Der Stadtteilbeirat soll jünger und diverser werden. All dies soll die Lawaetz-Stiftung in Gesprächen mit Akteur:innen und Bewohner:innen des Stadtteils entwickeln. Doch wer bitte ist damit gemeint? Offensichtlich sind es nicht die seit vielen Jahren engagierten Menschen im Stadtteilbeirat. Wenn politisch so agiert und kommuniziert wird, darf man sich nicht wundern, wenn die Wellen der Empörung hoch schlagen und die Formulierung „Vertrauen in die Politik“ bei vielen nur Stirnrunzeln hervorruft. Ich bin gespannt darauf, wer in den kommenden Wochen an welche Türen in St. Georg klopft, um mehr, andere oder wie auch immer gewollte Bürger:innenbeteiligung auf den Weg zu bringen.
Der Stadtteilbeirat ist eine Chance für die Politik, an den Menschen zu sein und im Gespräch zu bleiben. Stattdessen stellen die Verantwortlichen die Stadtteilengagierten vor vollendete Tatsachen und setzen die Sitzungen aus – ohne Gespräch, Austausch und (sicherlich streitbare!) Diskussion. Über die Gründe kann ich nur spekulieren. Egal, ob die Entscheidung bewusst von oben herab oder aus Angst vor der Auseinandersetzung getroffen wurde: Sie zeugt von mangelndem Fingerspitzengefühl und einer schmerzlichen Missachtung jahrelangen bürgerlichen Engagements, gegen das sich die Einwohner:innen St. Georgs zu Recht wehren. Ich hatte gedacht und gehofft, dass die Politik in Hamburg-Mitte weiter wäre.
Elisabeth Kühn, Pastorin der Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde