Vorschläge für die Neuausrichtung des Stadtteilbeirat St. Georg
Vorschläge für die Neuausrichtung des Stadtteilbeirat St. Georg
St. Georg, den 5.9.2023
Seit einem dreiviertel Jahr gibt es keinen Stadtteilbeirat mehr. Viele Monate, in denen sich St. Georgs Beteiligungsgremium nicht äußern konnte, weder zur überschwappenden Videoobservierung mit KI-(Künstlicher Inztelligenz-)Verstärkung auf dem Hansaplatz noch zum drohenden Alkoholkonsumverbot auf dem Hauptbahnhof mit den damit verbundenen Verdrängungen in den Stadtteil hinein noch gar dazu, dass der vor einem Jahr einbenannte Inge-Stolten-Weg noch immer keine Beschilderung hat. Ein dreiviertel Jahr Totalverlust an demokratischer Beteiligung von unten.
Und warum? Weil die Deutschlandkoalition aus SPD, CDU und FDP Ende Januar 2023 beschlossen hatte, den durch seine kritischen Diskussionen und Anträge Arbeit machenden, überhaupt nervenden, ältesten und bestbesuchten Stadtteilbeirat Hamburgs einfach so auszusetzen, quasi abzuschalten. Und ihn, wie es euphemistisch immer wieder heißt, „neu auszurichten“. Immer klarer wird auf den Veranstaltungen des Bezirksamtes, dass die BürgerInnenbeteiligung zurückgefahren und der Kreis der TeilnehmerInnen nicht erweitert, sondern vielmehr ausgetauscht werden soll. Das kritische Publikum soll gezielt so behandelt werden, dass es zum Teil von selbst schon die Nase voll hat und wegbleibt. Und klar wird auch, dass kritische Stimmen möglichst leise gehalten werden. Zum wiederholten Mal weigerte sich jüngst die mit der „Moderation“ beauftragte, sich unabhängig gebende Lawaetz-Stiftung, kritische Einschätzungen und Widerworte zur Entwicklung der Diskussion (wie das nachfolgend weiter unten aufgenommene Statement) über den Beiratsverteiler zu verschicken. Petra Lill, verantworliche Umsetzerin der Interessen der Deutschlandkoalition und eine der Personen aus der Bezirksamtsleitung, möchte einfach nicht die Diskussion „belasten“, lies, die Kritik an ihrem Kurs allzu laut werden lassen.
Das ganze Verfahren ist insofern nicht nur eine Stadtteilpetitesse, sondern dürfte auch die anderen Stadtteilbeiräte zumindest des Bezirks Hamburg-Mitte interessieren. Denn von Anfang an wurde propagiert, dass in St. Georg ein „Modell“ entwickelt wird, dass auch für die anderen Mitte-Beiräte angewandt werden soll. Also bitte, Aufmerksamkeit für das, was jetzt schon mal dem St. Georger Beirat zugemutet wird – worüber in Bälde abschließend der City-Ausschuss des Bezirks berät.
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Sehr geehrte Frau Diekmann,
ich bitte um Weiterleitung der nachfolgenden Zeilen und des Anhangs an den Stadtteilbeiratsverteiler. Transparenz und Kritik in der anhaltenden Auseinandersetzung um den Stadtteilbeirat scheinen mir unabdingbar.
Am Donnerstag, den 10. August, hatte das Bezirksamt Hamburg-Mitte, namentlich Petra Lill, zum einmaligen Treffen der so genannten „Resonanzgruppe“ eingeladen. Damit waren die bisherigen offiziellen Stadtteilbeiratsmitglieder gemeint – ein Zugeständnis aufgrund des Vorwurfs, der alte Beirat sei mit einem Federstrich sang- und klanglos aufgelöst worden. Jetzt durfte die anwesenden Haupt- und StellvertreterInnen des Beirats vorab zur Kenntnis nehmen, was da für den „neu ausgerichteten“ Stadtteilbeirat eigentlich vorgesehen ist. Ich fasse das aus meiner Sicht mal so zusammen: Es droht, wie zu befürchten war, ein nachhaltiger Abbau des bisherigen, sowieso schon dünnen BürgerInnen- Beteiligungsgrades. Das den TeilnehmerInnen dieser Zusammenkunft vorgelegte Konzept ist den anhängenden „Vorschlägen“ zu entnehmen.
Im Kern erst einmal so viel:
* Die zukünftigen fünf, von der bezirklichen Regionalbeauftragten (Frau Lill) und der Geschäftsstelle (Lawaetz) begleiteten Beiratssitzungen sollen in Zukunft jeweils 110 bis maximal 120 Minuten dauern. Es soll einen festen Ablauf geben, pro Sitzung nur ein (Haupt-) Thema, das wiederum fachlich eingeleitet, dann in Kleingruppen und anschließend im Plenum beraten wird. Vorbereitete Anträge soll es nicht mehr geben – die mir namentlich nicht bekannte, auf Kritik nicht eingehende Lawatz-„Moderatorin“ verstieg sich sogar dazu, Anträge überhaupt infrage zu stellen, schließlich säßen doch alle zusammen, um Gemeinsames zu entwickeln…
* Terminturnus und Ort für die fünf Zusammenkünfte sollen wechseln.
* Möglicherweise soll es statt (?) der Beiratssitzung auch mal einen „Mikroquartiersworkshop“, Stadtteilrundgänge, einen „Sommerbeirat“ o. ä. geben.
* Diese Sitzungen, nein: das jeweilige Thema soll nach einem bestimmten Schema unter Einbeziehung von Interessierten vorbereitet werden.
* Zu „selbstorganisierte Sitzungen und/oder AGs zu bestimmten Themen“ lädt die Geschäftsstelle ein.
* Der Aufbau einer Beirats-Website und Social-Media-Werbung soll aus dem Verfügungsfonds bezahlt werden, offenbar ebenso die Anschaffung bzw. Miete von Gerätschaften für hybride Sitzungen.
Die bei dieser Zusammenkunft geäußerte, deutlich vorgetragene Kritik an diesem „Konzept“ lautet in aller Kürze:
* Eine faktische Halbierung der Diskussionszeit für den Beirat kommt unter keinen Umständen infrage.
* Eine Beschränkung auf ein (Haupt-) Thema pro Sitzung ist inakzeptabel. Das würde konsequent zu Ende gedacht heißen, pro Jahr nur noch fünf Themen zu diskutieren. Ein völliges NoGo.
* Anträge muss es auch in Zukunft geben, und zwar zu allen Themen, die im Stadtteil virulent sind bzw. zu denen Menschen. Initiativen oder wer auch immer Vorschläge und Anträge einbringen möchten.
* Den Terminturnus und den Ort dauernd zu wechseln ist kontraproduktiv und würde eher zu weniger BesucherInnen führen.
* Selbstorganisierte Initiativen und Arbeitsgruppen hat es immer schon gegeben, erinnert sei beispielhaft nur an die Gruppe, die sich erfolgreich um die Turnhalle in der Rostocker Straße kümmerte. Ansonsten sind alle Initiativen, die an den Beirat herangetragen werden, in diesem Sinne Selbstorganisiertes und also völlig legitim.
* Die unzulängliche Infrastruktur des Beirats – beispielsweise die seit Jahren nicht mehr ins Netz eingestellten Protokolle – soll nicht aus dem Verfügungsfonds finanziert werden. Der ist nämlich für andere Zwecke, insbesondere für kleine Stadtteilprojekte geschaffen und dafür auch über die Jahre intensiv genutzt worden. Wenn der Bezirk BürgerInnenbeteiligung ernst meint, dann muss er auch für die nötige Infrastruktur sorgen. Ganz abgesehen davon, dass er mehrheitlich die Beteiligung der St. GeorgerInnen schon vor einigen Jahren von zehn auf fünf Sitzungen reduziert hat. Noch weniger geht gar nicht.
Die zweieinhalbstündige Debatte am besagten 10. August, die langen Ein- und Ausleitungen der Bezirksamtsvertreterin und das Agieren der Moderation machten sicher nicht nur aus meiner Sicht deutlich, dass es bei der „Neuausrichtung“ vor allem darum geht, den Stadtteilbeirat einzuhegen und seine dem Bezirk immer wieder Arbeit machenden Anträge einzudämmen, also für weniger Initiativen und Diskussionen zu sorgen und gerne auch mehr „selbstorganisierte“ Zusammentreffen zu organisieren. Auffällig war für meine Ohren, wie oft Kleingruppen, Sitzungsvorbereitung und Selbstorganisiertes anklangen, obwohl es doch genau so viel (besser: genau so wenig) Geld geben soll, wie im Jahre 2022 – und mit der betreffenden Summe waren bis zum faktischen Aussetzen der Beiratsengagements gerade einmal die fünf (allerdings längeren) Beiratssitzungen finanziert worden. Wie also soll dieses vermeintliche Mehr an AG’s etc. dann bezahlt werden? Durch eine weitere Reduzierung der Beiratssitzungen?
Selbst bei diesem Treffen mit doch recht wenigen TeilnehmerInnen gab es den „Einsatz“ von Karteikarten und „Kleingruppen“. Ich gewinne mehr und mehr den Eindruck, dass mit diesen Mitteln und Methoden Zeit bewusst vergeudet, Diskussionen und Schwerpunkte zerredet und eine Debatte samt Beschlussfassung verhindert oder zumindest erschwert werden sollen. Hunderte Karteikarten auf den drei „Workshops“ bedeuten, dass immer irgendjemand irgendeinen Punkt angemerkt hat. So begründete Frau Lill die angeblich nötigen Änderungen im Beirat damit, dass diese auf Karteikarten bei den „Workshops“ so formuliert worden seien – dass es für bestimmte Punkte viel mehr Karteikarten mit andersgefäbtem Inhalt gab, das erwähnte sie bezeichnenderweise nicht. Und dass Kleingruppen mehr Diskussion im kleinen Kreis ermöglichen, das ist ja eine Binsenweisheit; dass mit dem gezielten Einsatz dieses Formats aber auch eine größere, einheitliche, zugespitzte Debatte und Beschlussfassung unterlaufen werden kann, das ist die andere Wahrheit. Und dies alles vor dem Hintergrund, dass in Zukunft auf den paar Beiratssitzungen ja nur noch halb so viel Zeit zur Verfügung stehen soll. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang noch, dass auf den drei Workshops zusammen etwa so viele TeilnehmerInnen zugegen waren, wie auf jeder gut besuchten Beiratssitzung!
Für Donnerstag, den 31. August, lädt der Bezirk nun für 19.00 Uhr in die Paula zu einer allgemeinen „Infoveranstaltung“ ein. „Hier wird eine Zusammenfassung aus dem Prozess der Neuausrichtung vorgestellt, im Anschluss geht es in den Austausch und die Diskussion der Ergebnisse.“ Der gleiche Ablauf, das gleiche Spiel.
Michael Joho
Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V.
—–Original-Nachricht—–
Betreff: Vorbereitung- Infoveranstaltung am 31.08.23 zur Neuausrichtung des Stadtteilbeirates St. Georg
Datum: 2023-08-28T17:53:47+0200
Von: „St. Georg | Lawaetz-Stiftung“ <st.georg@lawaetz.de>
An: „St. Georg | Lawaetz-Stiftung“ <st.georg@lawaetz.de>
Liebe Mitglieder und Mitwirkende des Stadtteilbeirates St. Georg,
sehr geehrte Damen und Herren,
zur Vorbereitung der Infoveranstaltung am 31.08.2023 übersenden wir Ihnen in der Anlage die „Vorschläge für die Neuausrichtung des Stadtteilbeirat St. Georg“
Die Grundlage für die Erarbeitung der Vorschläge (Anlage: Punkt 2.) sind die Nennungen bei den Veranstaltungen/Workshops (Anlage: Punkt 3.) sowie die benannten Ziele der Neuausrichtung (Anlage: Punkt 1.).
Ebenfalls wurden die Hinweise der Resonanzgruppe mitaufgeführt.
Wir werden in der Infoveranstaltung auf die Punkte eingehen, aber nicht in der hier dargestellten Ausführlichkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Stahl
Soziale Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung
JOHANN DANIEL LAWAETZ-STIFTUNG
Gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts
Geschäftsführender Vorstand: Jörg Lindner, Peer Gillner, Gundula Zierott
Neumühlen 16-20, 22763 Hamburg
Telefon + 49 (0) 40 – 39 99 36 – 0
Die Lawaetz-Stiftung ist eine unabhängige, gemeinwohlorientierte Akteurin für die Gestaltung einer sozial gerechten, zukunftsfähigen Gesellschaft.
Kultur in St. Georg | September 2023 – Januar 2024
Mehr Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen unter www.gw-stgeorg.de.
Radiobeitrag zur Bänke-Initiative
Am 25.7.23 auf Deutschlandfunk Kultur:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/gestalten-pollerbank-against-hostile-design-auf-dem-hamburger-hansaplatz-dlf-kultur-8c43e67b-100.html
„Sitzen und Bleiben“
Ein Video vom Probesitzen 2.0 am 3. Juni auf dem Hansaplatz
PROTEST gegen Laden-LEERSTAND am Fr/30.06.23
Solidarität mit allen Obdachlosen – Wohnungen statt Verdrängung und Ausgrenzung
Demonstration am Samstag, den 17.6.2023.
Beitrag von Michael Joho im Rahmen der Abschlusskundgebung auf dem Hansaplatz.
Seit Ende der achtziger Jahre rankt sich um den Einwohnerverein St. Georg und die sozialen Einrichtungen des Hauptbahnhofviertels der Widerstand gegen die allzu einfachen und damit falschen Vorstellungen der konservativen Kräfte. Und die lauteten – damals wie heute: Man müsse die „randständigen Gruppen“ einfach nur vertreiben, die allzu offensichtlichen Erscheinungen von Armut und Entwurzelung aus dem Blickfeld schaffen, um eine blütenweiße „Visitenkarte Hauptbahnhof“ zu schaffen.
Das Unwort der „Visitenkarte“ ist Mitte der neunziger Jahre unter sozialdemokratischer Senatsführung geboren worden. Es richtete sich damals vor allem gegen die Drogenkonsument:Innen, es meinte ihre Verdrängung vom Hauptbahnhofgelände – faktisch in die benachbarten Straßenzüge. Die Bürgerinnen und die Touristen sollten beim Verlassen der Anlage nicht gleich über obdachlose, bettelnde, arme, anschaffende Menschen stolpern. Die St. Georger Wohnbevölkerung spielte dabei nur eine nachgeordnete Rolle.
Gut zwei Jahrzehnte später ist das Modell der „Visitenkarte“ auf ganz St. Georg – vor allem auf den Hansaplatz – ausgeweitet worden.
- Alle Sitzbänke sind abgebaut worden, damit sich ja niemand setzen kann, vor allem keine Obdachlosen. Irgendein Abgedrehter schlug sogar vor, den Hansabrunnen zu schleifen, damit sich Menschen nicht auf dessen Stufen niederlassen können.
- Das Anbringen auch nur einer Schaukel – jawohl, einer Schaukel! – wird rigoros unterbunden.
- Zweier-, Dreier-, Viererstreifen der Polizei und permanente Personenkontrollen von Alkoholkonsumierenden (natürlich nicht an den Bezahltischen), von anders Gekleideten, Black and People of Color, irgendwie anders Erscheinenden prägen das Bild.
- Und die jahrelange, schon fast aus dem Alltagsbewusstsein geschwundene Videoüberwachung der Menschen soll jetzt durch den Einsatz „Künstlicher Allianz“ effektiviert werden.
Gemeinsam ist all diesen Punkten, überhaupt dem Konzept „Visitenkarte“, dass es sich gegen Menschen, gegen Betroffene, gegen eh schon an den Rand gedrängte Menschen richtet. Es richtet sich nicht gegen das System, das Armut, Verelendung und Vereinsamung überhaupt erst hervorbringt. Seit Jahren fordern wir z.B. eine niedrigschwellige Anlaufstelle für junge Geflüchtete im Hauptbahnhofumfeld. Nichts ist gekommen, gar nichts. Mit der Folge, dass viele ihren Lebensmittelpunkt genau hier auf und um den Hansaplatz haben, vor dem Hintergrund mieser Unterkünfte und fehlender Arbeits- und Betätigungsmöglichkeiten.
Ein aktueller Konflikt dreht sich u.a. um den Vorplatz des Drob Inn. Obwohl Bezirksamtsleiter Neubauer (SPD) angesichts des Elends der dort in großer Anzahl lagernden DrogenkonsumentInnen – rund drei Viertel davon obdachlos – einen weiteren Konsumraum vorschlägt – ein unbedingt beachtenswerter Vorschlag –, reagiert der hiesige Bürgervereinsvorsitzende Schreiber mit nichts anderem als der Forderung nach Kameras mit Künstlicher Intelligenz. Na wunderbar, mit den durch künstlicher Intelligenz aufgepeppten Videokamers das Drogenelend bekämpfen. Das nenne ich mal echt eine Lösung, die an die Wurzel geht!
Was den Drogenkonsument:innen hilft, das entlastet auch das Hauptbahnhofviertel! Mit dieser Erkenntnis haben wir in den 1990ern ein Jahrzehnt lang Drogenpolitik betrieben. Und mit dafür Sorge getragen, dass ein umfangreiches niedrigschwelliges Drogenhilfesystem geschaffen wurde. Es ist an der Zeit, eine ähnlich starke Kampagne für die Menschen auf der Straße in Gang zu bringen. Auch jetzt wieder heißt es aus unserer Sicht, endlich mehr zu tun für die in St. Georg gestrandeten, verarmten, an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Menschen.
Vor allem die unübersehbare Verelendung der Obdachlosen, das vermehrte Aufkommen von bettelnden und hier quasi auf der Straße lebenden Menschen bedarf dringend nachhaltiger Veränderungen, bedarf einer neuen, deutlich erhöhten Qualität an Unterstützung. Das heißt vor allem, dass sich Leistungs- und Hilfsangebote an den individuellen Lebensrealitäten und Bedürfnissen obdachloser Menschen orientieren müssen, weil sie tagtäglich in mehrfacher Hinsicht, z. B. durch ihre Herkunft und Hautfarbe, ihrer Sucht, ihrem Geschlecht und/oder einer Behinderung, von Diskriminierung und Ausgrenzung bedroht sind.
Das zunehmend repressiv-verdrängende Vorgehen in der City lehnen wir dabei eindeutig ab, es verschlimmert die Lage der Betroffenen und belastet zusätzlich die benachbarten Quartiere. Wir brauchen vielmehr eine wirkliche soziale und inklusive Wohnungspolitik, kurzfristig mehr kleine Notübernachtungsstätten und schnellere Schritte in Richtung auf eine Beendigung der Wohn- und Obdachlosigkeit – auch und gerade im Stadtteil St. Georg. Housing first!
Offener Brief der SOPI zur Obdachlosigkeit
Soziale und pädagogische Initiative St. Georg (SOPI) |
Offener Brief vom 26.5.2023
St. Georg solidarisch – Kernforderungen, um dem Phänomen der Obdachlosigkeit beizukommen
1,8 Km² – auf diese Fläche ist unser Viertel St. Georg bemessen. Auf dieser Fläche findet sich ein pulsierender Schmelztiegel, der sich vom Hauptbahnhof über die Lange Reihe, den Hansaplatz und den Steindamm bis zum Krankenhaus und zur Außenalster erstreckt. Die Diversität des Viertels zeichnet sich durch eine vielschichtige Bevölkerung, insbesondere auch eine bunte Gewerbe-, Kunst- und Kulturszene, durch etliche Gaststätten und Szenebars aus. Allerdings sind dies die gewöhnlich positiv bewerteten Bestandteile des Gemischs, welches im Schmelztiegel brodelt. Zur Stadtteilrealität gehört gleichzeitig, dass kaum irgendwo anders in Hamburg Reichtum und Armut auf so engem Raum aufeinandertreffen wie hier. Drogenkonsum, Sexarbeit, Obdachlosigkeit und soziale Entwurzelung sind ebenso Bestandteile des Viertels – auch wenn sie meist als negativ gebrandmarkt werden. Wir fordern, letzteren Phänomenen in einer Art und Weise beizukommen, die sozial verträglich ist und nicht primär auf Repression und Verdrängung setzt. Wir haben aber zugleich auch die Belastungen der Menschen – vorrangig der 12.000 hier Wohnenden, aber auch der im Hauptbahnhofviertel rund 40.000 Arbeitenden – vor Augen. Auch ihre Interessen und Bedürfnisse, ihre Sorgen und Nöte gilt es zu berücksichtigen, um eine lebenswerte, gemeinsam getragene, solidarische Lebens- und Stadtteilwelt zu schaffen.
2030 – bis zu diesem Jahr soll das Phänomen der Obdachlosigkeit laut Zielsetzung auch des Senats überwunden sein.[1] Um an diesem hehren Ziel mitzuwirken, haben wir als Soziale und pädagogische Initiativen St. Georg (Sopi) einen Forderungskatalog formuliert, der sich spezifisch auf die Gegebenheiten dieses Viertels bezieht, wohl wissend, dass das Phänomen der Obdachlosigkeit ein stadt(teil)übergreifendes ist.
Der größte Teil der Menschen, die in Hamburg obdachlos geworden sind, finden sich hier ein, weil sie sich ein Leben erhofft haben, dass ihnen Arbeit, Wohnraum und Zugang zu einem guten Gesundheitssystem gewährleisten kann.[2] Die alltägliche Realität der Menschen, die ohne Obdach leben (müssen), sieht jedoch ganz anders aus. Dabei zeigt die Erfahrung, dass bedingungslos bereitgestellter Wohnraum – im Sinne des international bereits erprobten Housing First Ansatzes – den Weg zu einem Leben ermöglicht, dass autonom und würdevoll gestaltet werden kann. Prävention und Intervention scheinen am erfolgreichsten zu funktionieren, wenn der Lebensentwurf und Sozialraum der Betroffenen respektiert wird.
Daher erachten wir es für notwendig, gerade auch vor Ort Möglichkeiten zu schaffen, die im Sinne einer umfassenden Vorbeugung und Unterstützung funktionieren. Das bedeutet, die Verhältnisse für Betroffene so zu strukturieren, dass sie möglichst niedrigschwellig darauf zugreifen können. Unseres Erachtens braucht es mehr stadteilbezogene Angebote, welche die Menschen so nutzen können, wie es ihrer Lebensrealität entspricht. Um diese strukturelle Unterstützung leisten zu können, brauchen die Menschen, die bereits ihren Lebensmittelpunkt in St. Georg haben, Möglichkeiten, unbürokratisch auf das Hilfesystem zugreifen zu können, um sich einen sicheren Hafen zu schaffen.
Daher fordern wir als Soziale und pädagogische Initiative St. Georg:
- Bezahlbarer Wohnraum für alle Menschen St. Georgs!
- Unbürokratischer, niedrigschwelliger Zugang zum Hilfesystem für Menschen ohne Leistungsanspruch!
- Nachhaltige Lösungen statt Repression und Verdrängung!
Ergänzende Statements einzelner Mitglieder der SOPI:
ragazza e.V.
Das ragazza ist eine Kontakt- und Anlaufstelle und ein Schutzraum für drogengebrauchende und der Sexarbeit nachgehende Frauen* in St. Georg. Unsere Besucherinnen* sind in erheblicher Weise von Obdach- und Wohnungslosigkeit betroffen: nicht einmal ein Viertel der Frauen*, die in 2022 unsere Einrichtung besucht haben, verfügt über eine eigene Wohnung und ein Drittel ist akut obdachlos und lebt auf der Straße. Insbesondere die verdeckte Wohnungslosigkeit ist ein Phänomen, von dem Frauen* besonders häufig betroffen sind: Zur Abwendung der akuten Obdachlosigkeit kommen diese Frauen* vorübergehend bei Freund*innen, Bekannten* oder auch Freiern unter. Diese verdeckte Wohnungslosigkeit ist meist mit Abhängigkeitsverhältnissen verbunden und sexuelle Gegenleistungen sind ein häufiges „Zahlungsmittel“ für die Bereitstellung eines Bettes.
So gehören Wohnungs- und Obdachlosigkeit bei dem überwiegenden Teil unserer Besucherinnen* zu den drängendsten Problemlagen, deren Bearbeitung aber nur erschwert möglich ist. Drogenkonsumierende Frauen* haben in der Regel keine Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt, auch die Vermittlung in Wohnunterkünfte und Notschlafangebote scheitert häufig. Die wenigen Notschlafstellen, die für drogengebrauchende Sexarbeiterinnen* infrage kommen, sind oftmals an ihren Auslastungsgrenzen. Aufgrund von Gewalterfahrungen, Traumatisierungen und psychischen Erkrankungen gehören drogenkonsumierende und der Sexarbeit nachgehende Frauen* zu einer besonders vulnerablen Gruppe im Hilfesystem für wohnungslose Menschen, die besondere Bedarfe aufweist. Eine Unterbringung in Mehrbettzimmern ist für viele in ihrer Lebenssituation nicht erträglich und bestehende Angebote werden häufig nicht kontinuierlich aufgesucht. Dies erschwert wiederum den Zugang zu höherschwelligen Angeboten, da diese häufig über die Notschlafstellen vermittelt werden. Ohne eine gesicherte Wohnsituation wiederum ist eine Bearbeitung von komplexen Problemlagen und damit eine Stabilisierung der Lebenssituation der Frauen* häufig nicht möglich. So erschwert die Wohnungslosigkeit die weitere Hilfeplanung und trägt zu einer Verfestigung der prekären Lebenslagen bei.
Sperrgebiet
Das Sperrgebiet, Fachberatungsstelle Prostitution in Hamburg, ist seit den 1980iger Jahren eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Frauen* in der Sexarbeit, im Stadtteil St. Georg.
Durch eine Grundversorgung, wie z.B. Lebensmittelausgaben, die Kleiderkammer und die ärztliche Sprechstunde versorgt die Beratungsstellungsstelle somit vor allem Frauen* die im Stadtteil prekär leben und arbeiten.
Durch die allgegenwärtige Stigmatisierung und Diskriminierung des Arbeitsfeldes ist das Klientel auch in Bezug auf Wohnungslosigkeit in St. Georg besonders getroffen.
Öffentliche Unterbringungen werden meist, aufgrund von Angst vor Übergriffen und Outings des Berufes, nicht aufgesucht und frauenspezifische Alternativen sind kaum aufzutreiben.
Somit fordern wir:
- Niedrigschwellige Unterbringungsmöglichkeiten für Sexarbeiter*innen
- Zugänge mit Hilfesystem, auch für Menschen ohne Leistungsansprüche
BASIS-Projekt (Anlaufstelle für Mann-männliche Sexarbeiter*innen)
Mann-männliche Sexarbeiter*innen existieren in der öffentlichen Wahrnehmung nicht und sind aufgrund ihrer Tätigkeit, sexueller Identität und Herkunft häufig Diskriminierungen und Stigmatisierungen ausgesetzt. Insbesondere Sexarbeiter*innen mit einer Trans* oder nicht binären Identität nutzen selten die bestehenden öffentlichen Unterkunftsmöglichkeiten, da sie sich dort nicht akzeptiert und geschützt fühlen. Sexarbeiter*innen aus unterschiedlichen Herkunftsländern haben ihren Lebensmittelpunkt oftmals bereits seit vielen Jahren in Hamburg, aber keine Zugänge zu einer stabilen und langfristigen Unterkunft, da keine Leistungsansprüche bestehen. Sie leben hier, fallen aber aufgrund fehlender Ansprüche durch das soziale Sicherungssystem. Trotzdem bleiben sie in Hamburg und leben hier unter sehr prekären Lebensumständen auf der Straße, häufig mit massiven gesundheitlichen Problemen. Sexarbeiter*innen mit Leistungsansprüchen fallen wiederrum durch ihre multiplen Problemlagen und Bedarfe durch das bestehende Hilfesystem, da sie ihre Tätigkeit selten offen thematisieren, weil sie die Folgen fürchten.
Daher fordern wir:
- Altersunabhängige und längerfristige Unterkunftsmöglichkeiten für Menschen in der Sexarbeit!
- Einen niedrigschwelligen Zugang zu bestehenden Unterkunftsangeboten und eine Erweiterung der geschützten Bereiche!
- Zugänge zum Regelsystem, insbesondere eine kostenlose Krankenversicherung für Menschen ohne Ansprüche!
Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V.
Was den Drogenkonsument:innen hilft, das entlastet auch das Hauptbahnhofviertel! Mit dieser Erkenntnis haben wir in den 1990ern ein Jahrzehnt lang Drogenpolitik betrieben. Und mit dafür Sorge getragen, dass ein umfangreiches niedrigschwelliges Drogenhilfesystem geschaffen wurde. Es ist an der Zeit, eine ähnlich starke Kampagne auf den Weg zu bringen. Auch jetzt wieder heißt es, endlich mehr zu tun für die in St. Georg gestrandeten, verarmten, an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Menschen. Vor allem die Opfer der unübersehbaren Verelendung, die vermehrt aufkommenden bettelnden und hier quasi lebenden Bürger:innen bedürfen dringend nachhaltiger Unterstützung. Das heißt, dass sich Leistungs- und Hilfsangebote an den individuellen Lebensrealitäten und Bedürfnissen obdachloser Menschen orientieren müssen, weil sie tagtäglich in mehrfacher Hinsicht z. B. durch ihre Herkunft und Hautfarbe, ihrer Sucht, ihrem Geschlecht und/oder einer Behinderung von Diskriminierung und Ausgrenzung bedroht sind. Das zunehmend repressiv-verdrängende Vorgehen in der City lehnen wir dabei ab, es verschlimmert die Lage der Betroffenen und belastet zusätzlich die benachbarten Quartiere. Wir brauchen vielmehr eine wirkliche soziale und inklusive Wohnungspolitik, kurzfristig mehr kleine Notübernachtungsstätten und schnellere Schritte in Richtung auf eine Beendigung der Wohn- und Obdachlosigkeit – auch und gerade im Stadtteil St. Georg. Housing first!
Johann-Wilhelm-Rautenberg-Gesellschaft e.V.
Seit 2005 bietet die jwrg e.V. mit dem Wohnhaus „Münze“ 16 obdachlosen Menschen mit psychischer Erkrankung eine Wohnung (eigenes Bad, Gemeinschaftsküche) mit unbefristetem Mietvertrag von Anfang an. Ergänzende Hilfen können, müssen jedoch nicht angenommen werden. Die jwrg e.V. bietet neben anderen Unterstützungsleistungen Eingliederungshilfe an der Schnittstelle soziale Teilhabe und Wohnungslosenhilfe an.
Ein Einzug in die „Münze“ bedeutet meistens nach langer Zeit endlich wieder dauerhaft ein Dach über dem Kopf zu haben. Ein Einzug bedeutet i.d.R. aber auch ein jahrelanger Verbleib in der Münze, denn der Auszug in eine andere Wohnung gelingt Menschen mit langjähriger Erfahrung in Obdachlosigkeit und mit psychischer Erkrankung nur selten, da bezahlbarer Wohnraum knapp und die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt groß ist.
Die Nachfrage nach einem Angebot wie der „Münze“, das obdachlosen Menschen mit multikomplexen Problemlagen eine Perspektive bietet, ist immens. Gleichzeitig entsteht in St. Georg und Umgebung jedoch seit Jahren ein Hotel nach dem Anderen und große Gebäudekomplexe werden aufgekauft, um jahrelang leer zu stehen.
Im März 2023 startete die jwrg e.V. mit dem vom Deutschen Hilfswerk finanzierten Projekt „Housing 1st Rautenberg“. In drei Jahren wollen wir 15 obdachlosen Menschen mit multiplen Problemlagen in Wohnraum bringen. Wir wollen dazu beitragen, dass Housing First Prinzip in der Stadt zu etablieren, so wie es auch schon in vielen anderen Großstädten Europas gelungen ist.
Wir fordern deshalb:
- Freie Liegenschaften der FHH für niedrigschwellige Wohnprojekte zur Verfügung zu stellen (z.B. leerstehende Gebäude nutzen)
- Entstehung von bezahlbaren Quartieren mit einer fixen Quote von Wohnungen, die obdachlosen Menschen angeboten werden
- Übernahme des Housing First Prinzips (unbefristeter Wohnraum für obdachlose Menschen von Anfang an, freiwilliges Angebot flankierende sozialarbeiterische Unterstützung) in die Regelfinanzierung
- Unbürokratische Lösungen für den Zugang zum Hilfesystem für alle Menschen – ob mit oder ohne Leistungsanspruch
[1] https://www.agfw-hamburg.de/download/AGFW-Eckpunkte_Aktionsplan-Ueberwindung- Wohnungsloskeit.pdf
[2] https://www.hamburg.de/contentblob/12065738/5702405ed386891a25cdf9d4001e546b/data/d-obdachlosenstudie-2018.pdf
Rede auf der Obdachlosigkeit-Demo von Joscha Metzger am 15.04.2023
Hallo und Herzlich Willkommen im Hamburger Bahnhofsviertel St. Georg.
Wie in vermutlich fast allen Hauptbahnhofvierteln dieser Welt konzentrieren sich in St. Georg die Problemlagen einer sozial gespaltenen Stadt. Armut, Elend, Drogenkonsum, Prostitution und Obdachlosigkeit treten hier ebenso in Erscheinung wie teure Geschäfte, Luxusimmobilien und neoliberale und autoritäre Politikansätze, die den Hauptbahnhof als „Visitenkarte“ der Stadt präsentieren wollen.
Der Kapitaldruck auf dem Stadtteil und daraus folgende Gentrifizierung sind hier ebenso tagtäglich zu spüren, wie polizeiliche Kontrolle und der Versuch, den Stadtteil durch behördliche Repression „sauber“ zu halten.
Als Einwohner*innenverein St. Georg setzen wir uns seit den 1980er Jahren für eine Politik ein, die soziale Lösungen für soziale Probleme sucht.
Spannungen, die sich aus den vielfältigen Widersprüchen einer kapitalistischen und polarisierten Stadt ergeben, können nur durch sozialen Ausgleich, durch eine Politik auf Augenhöhe abgefedert werden. Repression und Verdrängung erreichen nichts anderes, als eine räumliche Verschiebung der Problemlagen und erzeugen Trauer und Wut bei allen Beteiligten.
Wir schließen uns daher voll und ganz der Forderung an: Anstelle einer Aufrüstung der Polizei brauchen wir eine gemeinwohlorientierte Sozialarbeit. Sozialer gesellschaftlicher Ausgleich statt Repression!
Als Einwohner*innen in St. Georg befinden wir uns seit Jahrzehnten im Auge des Orkans des Immobilienkapitals.
Waren die Mieten hier im Stadtteil in den 1990er Jahren noch bezahlbar, ist die Wohnungssuche heute ein Alptraum geworden. Viele unserer Nachbar*innen haben Angst vor der nächsten Mieterhöhung, weil sie dazu führen wird, die Wohnung zu verlieren.
Für manche droht dann ganz konkrete Wohnungslosigkeit. Andere werden sich ganz woanders in der Stadt umgucken müssen, denn hier – in ihrem Lebensumfeld – werden sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden.
Verdrängung von Obdachlosen, Angst vor dem Wohnungsverlust und horrend steigende Mieten sind alles Erscheinungen desselben Problems: In unserer Gesellschaft wird Wohnen als Kapitalanlage gehandelt, Wohnraum über den Markt vermittelt.
Wir sagen: Das muss ein Ende haben. Wohnen ist eine Sache der Daseinsversorgung. Wir müssen endlich übergehen zu einer Vergesellschaftung der Wohnungsversorgung.
In diesem Sinne fordern wir:
- Eine ernsthaft soziale Wohnungspolitik, die alle Mittel in Bewegung setzt, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen
- Die Ausweisung von Flächen für Notübernachtungen und Zelten sowie die Öffnung von leerstehendem Wohnraum für Menschen in Situation der Wohnungs- und Obdachlosigkeit – auch und gerade hier im Stadtteil St. Georg
- Praktische Konzepte für eine Beendigung der Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030. Housing First statt Repression und Verdrängung!
Und schließlich fordern wir als Einwohner*innenverein – so wie es auch von vielen anderen Stadtteilinitiativen Hamburgs gefordert wird –:
Die Ermöglichung von Stadtteildemokratie, Partizipation und Selbstverwaltung, damit wir als Menschen vor Ort über unsere Bedürfnisse und Bedarfe selbst bestimmen und dafür sorgen können, dass alle das bekommen, was sie zu einem guten Leben brauchen.
Positionspapier zur „Neuausrichtung“ des Stadtteilbeirats
Das sind die Punkte, die der Einwohnerverein auf der vom Bezirk einberufenen Versammlung zur „Neuausrichtung“ des Stadtteilbeirats St. Georg am 5. April einbringen will:
Positionspapier zur „Neuausrichtung“ des Stadtteilbeirats St. Georg
anlässlich der Bezirk-Mitte-Veranstaltung am 5.4.2023 in der Paula
- Wir sprechen uns für einen selbstbewussten, starken Stadtteilbeirat aus, der als Säule der Stadtteildemokratie die Interessen und Bedarfe der St. GeorgerInnen diskutiert, zusammenfasst und per Antrag an die entsprechenden Stellen (Bezirk, Senat…) weiterreicht.
- Ernst gemeinte, demokratische Beteiligung setzt bestimmte Standards voraus:
- * jährlich 10 Sitzungen, auch gerne etwas kürzer,
* professionelle Moderation,
* professionelle Protokollführung,
* regelmäßige Beteiligung von Bezirksamtsvertreter:innen,
* darüber die Weiterverfolgung der Beiratsanliegen und -beschlüsse. - Wir wollen keine Verkleinerung des Stadtteilbeirats mit seinen bisher 18 stimmberechtigten Mitgliedern. Eher kann daran gedacht werden, diese Zahl zu erhöhen oder ggfs. – wie in vielen anderen Beiratsgremien üblich – alle Anwesenden als stimmberechtigt zu betrachten, wenn sie – sagen wir – dreimal auf einer Beiratssitzung zugegen waren. Dieser Punkt ist ebenso diskutabel, wie die Idee, dass BezirkspolitikerInnen auf der Beiratssitzung kein Stimmrecht haben, da sie ja die Haltung des Stadtteils kennenlernen sollen, um darüber auf bezirklicher Ebene dann weiterzuverhandeln.
- Wir wollen und benötigen eine aktive Beteiligung von BezirksamtsvertreterInnen, die auch regelmäßig über stadtteilbezogene Entwicklungen informieren und die Umsetzung der Empfehlungen verfolgen Das vom Bezirk laut Beschluss des Hauptausschusses vom 31.1.2023 anvisierte „Ziel selbsttragender Strukturen“, also die „Übernahme vollständiger Eigenverantwortung“ in dem vom Bezirk gemeinten Sinne lehnen wir ab.
- Wir wollen keine Verkleinerung des Stadtteilbeirats mit seinen bisher 18 stimmberechtigten Mitgliedern. Eher kann daran gedacht werden, diese Zahl zu erhöhen oder ggfs. – wie in vielen anderen Beiratsgremien üblich – alle Anwesenden als stimmberechtigt zu betrachten, wenn sie – sagen wir – dreimal auf einer Beiratssitzung zugegen waren. Dieser Punkt ist ebenso diskutabel, wie die Idee, dass BezirkspolitikerInnen auf der Beiratssitzung kein Stimmrecht haben, da sie ja die Haltung des Stadtteils kennenlernen sollen, um darüber auf bezirklicher Ebene dann weiterzuverhandeln.
- Der Gewinnung neuer Besucher:innen – insbesondere aus den Bereichen unterrepräsentierter Gruppen wie MigrantInnen, junge Menschen usw. – stehen wir natürlich positiv gegenüber.
- Der Beirat muss in seiner Schwerpunktsetzung und Themenfindung selbstverständlich autonom entscheiden können. Eine Beschränkung seiner Themen – in der Formulierung des Hauptausschusses vom 31.1.2023 wird das mit den Worten „Konzentration auf Aufgaben in der Stadtentwicklung“ umschrieben – lehnen wir ab.
- Die Praxis, Beschlüsse des Stadtteilbeirats lediglich „zur Kenntnis zu nehmen“, widerspricht dem Ernstnehmen engagierter Beiratsarbeit und -ergebnisse und führt auch die Entscheidungskompetenz des Bezirks ad absurdum. Wir wollen klare Stellungnahmen.
- Eine neue Geschäftsordnung brauchen wir nicht, für die Aushandlung der alten, also gültigen haben wir ein Jahr benötigt. Angezeigt sind allenfalls redaktionelle Änderungen. Die womöglich beabsichtigte Streichung des bisherigen Passus, in dem dem Beirat die Möglichkeit von Statements an die diejenigen Stellen und Akteur:innen eingeräumt wird, die er für angemessen hält, lehnen wir ab.
- Eine weitere Debatte oder gar eine Beschlussfassung über einen „neu ausgerichteten“ Beirats darf es ohne Beteiligung des bisherigen Stadtteilbeirats nicht geben. Es ist mehr als nur eine einmalige Diskussion und Ideensammlung nötig, um eine „Neuausrichtung“ des ältesten Hamburger Gremiums dieser Art mit den vor Ort engagierten Menschen auf Augenhöhe zu vereinbaren.
Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V.