Presseerklärung vom 5.10.2023 | In Sorge um die weitere Entwicklung in St. Georg

Per Adresse Stadtteilbüro St. Georg, Hansaplatz 9, 20099 Hamburg

www.ev-stgeorg.de   –   info@ev-stgeorg.de   –   Mobil 0160/91 48 10 27

  1. Seit seiner Gründung 1987 engagiert sich der alternative Einwohnerverein im Hamburger Hauptbahnhofviertel für das Mit- und Nebeneinander von Anwohner*innen, Gewerbetreibenden, hier arbeitenden und sich aufhaltenden Menschen, darunter vielen, die in Armut leben und gesellschaftlich ausgegrenzt sind.
  2. Ebenso lange erleben wir ein oftmals und über weite Strecken fragwürdiges bis kontraproduktives Umgehen des Bezirksamtes und des Senats mit diesem Stadtteil und seinen Menschen. Da war und ist der vor allem repressive Umgang mit benachteiligten Gruppen – den Drogenkonsument*innen in den neunziger Jahren und den auf der Straße Lebenden heutzutage. Da sind die kurzsichtigen, oft hilflos wirkenden Maßnahmen, um den Eindruck von Aktivität zu erwecken – nehmen wir die Kontaktverbotsverordnung oder die KI-gestützte Videoüberwachung. Da sind die übers Knie gebrochenen und über die Menschen und den Stadtteil hinweggehenden Maßnahmen; dafür seien als aktuelle Beispiele die faktische Auflösung des ältesten, allzu kritischen Stadtteilbeirats St. Georg im Januar 2023 und die jüngste Entscheidung, eine der stark frequentierten Lebensmittel-Ausgabestellen vorrangig für Obdachlose vom Hauptbahnhof an den Hansaplatz zu verlagern, angeführt.
  3. Es ist ein Affront sondergleichen, den Menschen in St. Georg, vor allem den BewohnerInnen am Hansaplatz, per Medienmeldung am 30. September mitteilen zu lassen, dass der Verein „Schau nicht weg“ seine wöchentliche Verteilaktion voraussichtlich schon ab dem 7. Oktober auf dem Hansaplatz aufnimmt. Ernstnehmen und Beteiligung sehen anders aus.
  4. Es ist vor allem ein Fauxpas, weil der Bezirk sich mit seiner polizeilichen Räumaktion der Lebensmittel-Verteilung am „Gabenzaun“ am Rande des Hachmannplatzes selbst unter Zugzwang gesetzt hat, auf die Schnelle neue Standorte für die ehrenamtlichen Helfer*innen zu benennen. Doch warum kriegt St. Georg ab, was der Bezirk(samtsleiter) verbockt hat?
  5. Der größte Fehler ist aber, als neuen Standort nun ausgerechnet den Hansaplatz – genauer, die Fläche vor dem Wohnkomplex der Baugenossenschaft freier Gewerkschafter bzw. direkt vor der Seniorenbegegnungsstätte des Vereins „Lange Aktiv Bleiben“ – auserkoren zu haben. Ohne deren Beteiligung, ohne Diskussion im Stadtteil, ohne auch nur einen Schritt zur Führung des nötigen Dialogs unternommen zu haben. Was haben Bezirk und Senat in den vergangenen Jahren nicht alles getan, den Hansaplatz runterzumachen und runterzuschreiben – übrigens gegen unseren ebenso regelmäßigen Protest und das Beharren auf eine differenzierte Betrachtung der Problemlage.
  6. Der eigentliche Skandal ist aber, dass der Bezirk mit seiner dekretierten Maßnahme von einem in den neunziger Jahren – der Hochzeit der drogenpolitischen Auseinandersetzungen – getroffenen Agreement abweicht: Nämlich alle sozialen Einrichtungen und Angebote mit erheblicher Außen-Ansammlung am Hauptbahnhofgelände oder am Stadtteilrand, jedenfalls nicht mitten im Wohngebiet anzusiedeln. Dies entsprach der Erkenntnis, dass ein so belasteter Stadtteil wie St. Georg in der Übernahme sozialer Verpflichtungen nicht überstrapaziert werden darf, um einerseits die Versorgung benachteiligter Menschen dauerhaft zu garantieren (und dafür auch die Verantwortung zu übernehmen), aber gleichzeitig die Akzeptanz und Toleranz der Wohnbevölkerung nicht aufs Spiel zu setzen. Denn dies wäre die schlimmste Entwicklung für alle Betroffenen: die Szene selbst, die sich zunehmender Aggressivität und Ablehnung ausgesetzt wird; die Bewohner*innen, die ihr soziales, mitfühlendes Herz versteinern sehen; eine politische Gemengelage, die nur den rechtesten Menschenfeinden nutzt.
  7. Wir bleiben dabei, und dies ist das Credo des Einwohnervereins seit seiner Gründung, die St. Georger*innen haben mit Phänomenen des Hauptbahnhofs zu leben – und wir tun dies auch seit vielen Jahrzehnten. Andererseits hat sich der Hauptbahnhof seiner sozialen Herausforderung und Verpflichtung zu stellen. Er ist nicht nur der Ein- oder Umsteigeort für Reisende, er ist auch ein Lebensmittelpunkt, ein zentrales Wohnzimmer für eine große Zahl ausgegrenzter, benachteiligter und vereinsamter Menschen. Das mag alles nicht schön (anzusehen) sein, aber es ist die Realität einer kapitalistischen Großstadt im 21. Jahrhundert. Stellt euch dem endlich, brecht mit dem Unwort der blütenweißen „Visitenkarte Hauptbahnhof“ – und verschiebt die Probleme nicht in die Wohnquartiere!
  8. Vor diesem Hintergrund erklären wir: Wir brauchen nicht noch mehr Konflikte, schon gar nicht am Hansaplatz, wir brauchen am Hauptbahnhof und an geeigneten unbewohnten Orten in der Nähe vielmehr vernünftige Angebote für die betroffenen Gruppen: für Obdachlose (viel mehr Housing First), für DrogenkonsumentInnen (ein zweites Drob Inn), für junge Geflüchtete (eine schnelle Arbeitserlaubnis, einen niedrigschwelligen Anlaufpunkt usw.).
  9. Zehntausende Euro sind in den letzten Jahren für allerlei Gutachten zu St. Georg ver-(sch)wendet worden, ohne sichtbare Verbesserungen zu bewirken. Stattdessen wird die in St. Georg umfassend vorhandene Stadtteilexpertise ignoriert oder – wie im Falle des Beirats – gleich in Gänze ausgeschaltet. Der einfache Austausch, der Dialog mit den Menschen des Stadtteils, seinen Gruppen und Gremien hätte auch für alternative Standortideen gesorgt. Wie wäre es, die Lebensmittel-Verteilaktion wenn schon nicht am Hauptbahnhof, so doch zumindest an anderer, geeigneter Stelle anzusiedeln und darüber mit allen zu sprechen? Wir schlagen beispielsweise die Kehre am Ferdinandstor, am unteren Ende des Inge-Stolten-Weges vor. Dort gibt es keine Wohnhäuser, keine Kinder- und Jugendeinrichtung, es ist viel Platz vorhanden und der Ort ist nur wenige Minuten vom Bieberhaus entfernt.
  10. Der völlig unsensiblen, unklugen und letztlich nach hinten losgehenden Entscheidung des Bezirks, den Hauptbahnhof in einem Teil aus seiner sozialen Verpflichtung zu entlassen und zugleich das Viertel St. Georg einmal mehr für die unzureichende und damit verfehlte Sozialpolitik heranzuziehen, muss nachhaltig widersprochen werden.

 

Vorschläge für die Neuausrichtung des Stadtteilbeirat St. Georg

Vorschläge für die Neuausrichtung des Stadtteilbeirat St. Georg

St. Georg, den 5.9.2023

Seit einem dreiviertel Jahr gibt es keinen Stadtteilbeirat mehr. Viele Monate, in denen sich St. Georgs Beteiligungsgremium nicht äußern konnte, weder zur überschwappenden Videoobservierung mit KI-(Künstlicher Inztelligenz-)Verstärkung auf dem Hansaplatz noch zum drohenden Alkoholkonsumverbot auf dem Hauptbahnhof mit den damit verbundenen Verdrängungen in den Stadtteil hinein noch gar dazu, dass der vor einem Jahr einbenannte Inge-Stolten-Weg noch immer keine Beschilderung hat. Ein dreiviertel Jahr Totalverlust an demokratischer Beteiligung von unten.

Und warum? Weil die Deutschlandkoalition aus SPD, CDU und FDP Ende Januar 2023 beschlossen hatte, den durch seine kritischen Diskussionen und Anträge Arbeit machenden, überhaupt nervenden, ältesten und bestbesuchten Stadtteilbeirat Hamburgs einfach so auszusetzen, quasi abzuschalten. Und ihn, wie es euphemistisch immer wieder heißt, „neu auszurichten“. Immer klarer wird auf den Veranstaltungen des Bezirksamtes, dass die BürgerInnenbeteiligung zurückgefahren und der Kreis der TeilnehmerInnen nicht erweitert, sondern vielmehr ausgetauscht werden soll. Das kritische Publikum soll gezielt so behandelt werden, dass es zum Teil von selbst schon die Nase voll hat und wegbleibt. Und klar wird auch, dass kritische Stimmen möglichst leise gehalten werden. Zum wiederholten Mal weigerte sich jüngst die mit der „Moderation“ beauftragte, sich unabhängig gebende Lawaetz-Stiftung, kritische Einschätzungen und Widerworte zur Entwicklung der Diskussion (wie das nachfolgend weiter unten aufgenommene Statement) über den Beiratsverteiler zu verschicken. Petra Lill, verantworliche Umsetzerin der Interessen der Deutschlandkoalition und eine der Personen aus der Bezirksamtsleitung, möchte einfach nicht die Diskussion „belasten“, lies, die Kritik an ihrem Kurs allzu laut werden lassen.

Das ganze Verfahren ist insofern nicht nur eine Stadtteilpetitesse, sondern dürfte auch die anderen Stadtteilbeiräte zumindest des Bezirks Hamburg-Mitte interessieren. Denn von Anfang an wurde propagiert, dass in St. Georg ein „Modell“ entwickelt wird, dass auch für die anderen Mitte-Beiräte angewandt werden soll. Also bitte, Aufmerksamkeit für das, was jetzt schon mal dem St. Georger Beirat zugemutet wird – worüber in Bälde abschließend der City-Ausschuss des Bezirks berät.

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Sehr geehrte Frau Diekmann,

ich bitte um Weiterleitung der nachfolgenden Zeilen und des Anhangs an den Stadtteilbeiratsverteiler. Transparenz und Kritik in der anhaltenden Auseinandersetzung um den Stadtteilbeirat scheinen mir unabdingbar.

Am Donnerstag, den 10. August, hatte das Bezirksamt Hamburg-Mitte, namentlich Petra Lill, zum einmaligen Treffen der so genannten „Resonanzgruppe“ eingeladen. Damit waren die bisherigen offiziellen Stadtteilbeiratsmitglieder gemeint – ein Zugeständnis aufgrund des Vorwurfs, der alte Beirat sei mit einem Federstrich sang- und klanglos aufgelöst worden. Jetzt durfte die anwesenden Haupt- und StellvertreterInnen des Beirats vorab zur Kenntnis nehmen, was da für den „neu ausgerichteten“ Stadtteilbeirat eigentlich vorgesehen ist. Ich fasse das aus meiner Sicht mal so zusammen: Es droht, wie zu befürchten war, ein nachhaltiger Abbau des bisherigen, sowieso schon dünnen BürgerInnen- Beteiligungsgrades. Das den TeilnehmerInnen dieser Zusammenkunft vorgelegte Konzept ist den anhängenden „Vorschlägen“ zu entnehmen.

Im Kern erst einmal so viel:

* Die zukünftigen fünf, von der bezirklichen Regionalbeauftragten (Frau Lill) und der Geschäftsstelle (Lawaetz) begleiteten Beiratssitzungen sollen in Zukunft jeweils 110 bis maximal 120 Minuten dauern. Es soll einen festen Ablauf geben, pro Sitzung nur ein (Haupt-) Thema, das wiederum fachlich eingeleitet, dann in Kleingruppen und anschließend im Plenum beraten wird. Vorbereitete Anträge soll es nicht mehr geben – die mir namentlich nicht bekannte, auf Kritik nicht eingehende Lawatz-„Moderatorin“ verstieg sich sogar dazu, Anträge überhaupt infrage zu stellen, schließlich säßen doch alle zusammen, um Gemeinsames zu entwickeln…

* Terminturnus und Ort für die fünf Zusammenkünfte sollen wechseln.

* Möglicherweise soll es statt (?) der Beiratssitzung auch mal einen „Mikroquartiersworkshop“, Stadtteilrundgänge, einen „Sommerbeirat“ o. ä. geben.

* Diese Sitzungen, nein: das jeweilige Thema soll nach einem bestimmten Schema unter Einbeziehung von Interessierten vorbereitet werden.

* Zu „selbstorganisierte Sitzungen und/oder AGs zu bestimmten Themen“ lädt die Geschäftsstelle ein.

* Der Aufbau einer Beirats-Website und Social-Media-Werbung soll aus dem Verfügungsfonds bezahlt werden, offenbar ebenso die Anschaffung bzw. Miete von Gerätschaften für hybride Sitzungen.

Die bei dieser Zusammenkunft geäußerte, deutlich vorgetragene Kritik an diesem „Konzept“ lautet in aller Kürze:

* Eine faktische Halbierung der Diskussionszeit für den Beirat kommt unter keinen Umständen infrage.

* Eine Beschränkung auf ein (Haupt-) Thema pro Sitzung ist inakzeptabel. Das würde konsequent zu Ende gedacht heißen, pro Jahr nur noch fünf Themen zu diskutieren. Ein völliges NoGo.

* Anträge muss es auch in Zukunft geben, und zwar zu allen Themen, die im Stadtteil virulent sind bzw. zu denen Menschen. Initiativen oder wer auch immer Vorschläge und Anträge einbringen möchten.

* Den Terminturnus und den Ort dauernd zu wechseln ist kontraproduktiv und würde eher zu weniger BesucherInnen führen.

* Selbstorganisierte Initiativen und Arbeitsgruppen hat es immer schon gegeben, erinnert sei beispielhaft nur an die Gruppe, die sich erfolgreich um die Turnhalle in der Rostocker Straße kümmerte. Ansonsten sind alle Initiativen, die an den Beirat herangetragen werden, in diesem Sinne Selbstorganisiertes und also völlig legitim.

* Die unzulängliche Infrastruktur des Beirats – beispielsweise die seit Jahren nicht mehr ins Netz eingestellten Protokolle – soll nicht aus dem Verfügungsfonds finanziert werden. Der ist nämlich für andere Zwecke, insbesondere für kleine Stadtteilprojekte geschaffen und dafür auch über die Jahre intensiv genutzt worden. Wenn der Bezirk BürgerInnenbeteiligung ernst meint, dann muss er auch für die nötige Infrastruktur sorgen. Ganz abgesehen davon, dass er mehrheitlich die Beteiligung der St. GeorgerInnen schon vor einigen Jahren von zehn auf fünf Sitzungen reduziert hat. Noch weniger geht gar nicht.

Die zweieinhalbstündige Debatte am besagten 10. August, die langen Ein- und Ausleitungen der Bezirksamtsvertreterin und das Agieren der Moderation machten sicher nicht nur aus meiner Sicht deutlich, dass es bei der „Neuausrichtung“ vor allem darum geht, den Stadtteilbeirat einzuhegen und seine dem Bezirk immer wieder Arbeit machenden Anträge einzudämmen, also für weniger Initiativen und Diskussionen zu sorgen und gerne auch mehr „selbstorganisierte“ Zusammentreffen zu organisieren. Auffällig war für meine Ohren, wie oft Kleingruppen, Sitzungsvorbereitung und Selbstorganisiertes anklangen, obwohl es doch genau so viel (besser: genau so wenig) Geld geben soll, wie im Jahre 2022 – und mit der betreffenden Summe waren bis zum faktischen Aussetzen der Beiratsengagements gerade einmal die fünf (allerdings längeren) Beiratssitzungen finanziert worden. Wie also soll dieses vermeintliche Mehr an AG’s etc. dann bezahlt werden? Durch eine weitere Reduzierung der Beiratssitzungen?

Selbst bei diesem Treffen mit doch recht wenigen TeilnehmerInnen gab es den „Einsatz“ von Karteikarten und „Kleingruppen“. Ich gewinne mehr und mehr den Eindruck, dass mit diesen Mitteln und Methoden Zeit bewusst vergeudet, Diskussionen und Schwerpunkte zerredet und eine Debatte samt Beschlussfassung verhindert oder zumindest erschwert werden sollen. Hunderte Karteikarten auf den drei „Workshops“ bedeuten, dass immer irgendjemand irgendeinen Punkt angemerkt hat. So begründete Frau Lill die angeblich nötigen Änderungen im Beirat damit, dass diese auf Karteikarten bei den „Workshops“ so formuliert worden seien – dass es für bestimmte Punkte viel mehr Karteikarten mit andersgefäbtem Inhalt gab, das erwähnte sie bezeichnenderweise nicht. Und dass Kleingruppen mehr Diskussion im kleinen Kreis ermöglichen, das ist ja eine Binsenweisheit; dass mit dem gezielten Einsatz dieses Formats aber auch eine größere, einheitliche, zugespitzte Debatte und Beschlussfassung unterlaufen werden kann, das ist die andere Wahrheit. Und dies alles vor dem Hintergrund, dass in Zukunft auf den paar Beiratssitzungen ja nur noch halb so viel Zeit zur Verfügung stehen soll. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang noch, dass auf den drei Workshops zusammen etwa so viele TeilnehmerInnen zugegen waren, wie auf jeder gut besuchten Beiratssitzung!

Für Donnerstag, den 31. August, lädt der Bezirk nun für 19.00 Uhr in die Paula zu einer allgemeinen „Infoveranstaltung“ ein. „Hier wird eine Zusammenfassung aus dem Prozess der Neuausrichtung vorgestellt, im Anschluss geht es in den Austausch und die Diskussion der Ergebnisse.“ Der gleiche Ablauf, das gleiche Spiel.

Michael Joho

Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V.

 

 

—–Original-Nachricht—–

Betreff: Vorbereitung- Infoveranstaltung am 31.08.23 zur Neuausrichtung des Stadtteilbeirates St. Georg

Datum: 2023-08-28T17:53:47+0200

Von: „St. Georg | Lawaetz-Stiftung“ <st.georg@lawaetz.de>

An: „St. Georg | Lawaetz-Stiftung“ <st.georg@lawaetz.de>

Liebe Mitglieder und Mitwirkende des Stadtteilbeirates St. Georg,

sehr geehrte Damen und Herren,

zur Vorbereitung der Infoveranstaltung am 31.08.2023 übersenden wir Ihnen in der Anlage die  „Vorschläge für die Neuausrichtung des Stadtteilbeirat St. Georg“

Die Grundlage für die Erarbeitung der Vorschläge (Anlage: Punkt 2.) sind die Nennungen bei den Veranstaltungen/Workshops (Anlage: Punkt 3.) sowie die benannten Ziele der Neuausrichtung (Anlage:  Punkt 1.).

Ebenfalls wurden die Hinweise der Resonanzgruppe mitaufgeführt.

Wir werden in der Infoveranstaltung auf die Punkte eingehen,  aber nicht in der hier dargestellten Ausführlichkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Stahl

Soziale Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung

st.georg@lawaetz.de

JOHANN DANIEL LAWAETZ-STIFTUNG

Gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts

Geschäftsführender Vorstand: Jörg Lindner, Peer Gillner, Gundula Zierott

Neumühlen 16-20, 22763 Hamburg

Telefon + 49 (0) 40 – 39 99 36 – 0

www.lawaetz.de

Die Lawaetz-Stiftung ist eine unabhängige, gemeinwohlorientierte Akteurin für die Gestaltung einer sozial gerechten, zukunftsfähigen Gesellschaft.

Solidarität mit allen Obdachlosen – Wohnungen statt Verdrängung und Ausgrenzung

Demonstration am Samstag, den 17.6.2023.

Beitrag von Michael Joho im Rahmen der Abschlusskundgebung auf dem Hansaplatz.

Seit Ende der achtziger Jahre rankt sich um den Einwohnerverein St. Georg und die sozialen Einrichtungen des Hauptbahnhofviertels der Widerstand gegen die allzu einfachen und damit falschen Vorstellungen der konservativen Kräfte. Und die lauteten – damals wie heute: Man müsse die „randständigen Gruppen“ einfach nur vertreiben, die allzu offensichtlichen Erscheinungen von Armut und Entwurzelung aus dem Blickfeld schaffen, um eine blütenweiße „Visitenkarte Hauptbahnhof“ zu schaffen.

Das Unwort der „Visitenkarte“ ist Mitte der neunziger Jahre unter sozialdemokratischer Senatsführung geboren worden. Es richtete sich damals vor allem gegen die Drogenkonsument:Innen, es meinte ihre Verdrängung vom Hauptbahnhofgelände – faktisch in die benachbarten Straßenzüge. Die Bürgerinnen und die Touristen sollten beim Verlassen der Anlage nicht gleich über obdachlose, bettelnde, arme, anschaffende Menschen stolpern. Die St. Georger Wohnbevölkerung spielte dabei nur eine nachgeordnete Rolle.

Gut zwei Jahrzehnte später ist das Modell der „Visitenkarte“ auf ganz St. Georg – vor allem auf den Hansaplatz – ausgeweitet worden.

  • Alle Sitzbänke sind abgebaut worden, damit sich ja niemand setzen kann, vor allem keine Obdachlosen. Irgendein Abgedrehter schlug sogar vor, den Hansabrunnen zu schleifen, damit sich Menschen nicht auf dessen Stufen niederlassen können.
  • Das Anbringen auch nur einer Schaukel – jawohl, einer Schaukel! – wird rigoros unterbunden.
  • Zweier-, Dreier-, Viererstreifen der Polizei und permanente Personenkontrollen von Alkoholkonsumierenden (natürlich nicht an den Bezahltischen), von anders Gekleideten, Black and People of Color, irgendwie anders Erscheinenden prägen das Bild.
  • Und die jahrelange, schon fast aus dem Alltagsbewusstsein geschwundene Videoüberwachung der Menschen soll jetzt durch den Einsatz „Künstlicher Allianz“ effektiviert werden.

Gemeinsam ist all diesen Punkten, überhaupt dem Konzept „Visitenkarte“, dass es sich gegen Menschen, gegen Betroffene, gegen eh schon an den Rand gedrängte Menschen richtet. Es richtet sich nicht gegen das System, das Armut, Verelendung und Vereinsamung überhaupt erst hervorbringt. Seit Jahren fordern wir z.B. eine niedrigschwellige Anlaufstelle für junge Geflüchtete im Hauptbahnhofumfeld. Nichts ist gekommen, gar nichts. Mit der Folge, dass viele ihren Lebensmittelpunkt genau hier auf und um den Hansaplatz haben, vor dem Hintergrund mieser Unterkünfte und fehlender Arbeits- und Betätigungsmöglichkeiten.

Ein aktueller Konflikt dreht sich u.a. um den Vorplatz des Drob Inn. Obwohl Bezirksamtsleiter Neubauer (SPD) angesichts des Elends der dort in großer Anzahl lagernden DrogenkonsumentInnen – rund drei Viertel davon obdachlos – einen weiteren Konsumraum vorschlägt – ein unbedingt beachtenswerter Vorschlag –, reagiert der hiesige Bürgervereinsvorsitzende Schreiber mit nichts anderem als der Forderung nach Kameras mit Künstlicher Intelligenz. Na wunderbar, mit den durch künstlicher Intelligenz aufgepeppten Videokamers das Drogenelend bekämpfen. Das nenne ich mal echt eine Lösung, die an die Wurzel geht!

Was den Drogenkonsument:innen hilft, das entlastet auch das Hauptbahnhofviertel! Mit dieser Erkenntnis haben wir in den 1990ern ein Jahrzehnt lang Drogenpolitik betrieben. Und mit dafür Sorge getragen, dass ein umfangreiches niedrigschwelliges Drogenhilfesystem geschaffen wurde. Es ist an der Zeit, eine ähnlich starke Kampagne für die Menschen auf der Straße in Gang zu bringen. Auch jetzt wieder heißt es aus unserer Sicht, endlich mehr zu tun für die in St. Georg gestrandeten, verarmten, an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Menschen.

Vor allem die unübersehbare Verelendung der Obdachlosen, das vermehrte Aufkommen von bettelnden und hier quasi auf der Straße lebenden Menschen bedarf dringend nachhaltiger Veränderungen, bedarf einer neuen, deutlich erhöhten Qualität an Unterstützung. Das heißt vor allem, dass sich Leistungs- und Hilfsangebote an den individuellen Lebensrealitäten und Bedürfnissen obdachloser Menschen orientieren müssen, weil sie tagtäglich in mehrfacher Hinsicht, z. B. durch ihre Herkunft und Hautfarbe, ihrer Sucht, ihrem Geschlecht und/oder einer Behinderung, von Diskriminierung und Ausgrenzung bedroht sind.

Das zunehmend repressiv-verdrängende Vorgehen in der City lehnen wir dabei eindeutig ab, es verschlimmert die Lage der Betroffenen und belastet zusätzlich die benachbarten Quartiere. Wir brauchen vielmehr eine wirkliche soziale und inklusive Wohnungspolitik, kurzfristig mehr kleine Notübernachtungsstätten und schnellere Schritte in Richtung auf eine Beendigung der Wohn- und Obdachlosigkeit – auch und gerade im Stadtteil St. Georg. Housing first!

Offener Brief der SOPI zur Obdachlosigkeit

Soziale und pädagogische Initiative St. Georg (SOPI)
            c/o Stadtteil Büro St.Georg – Hansaplatz 9 – 20099 Hamburg

Offener Brief vom 26.5.2023 

St. Georg solidarisch – Kernforderungen, um dem Phänomen der Obdachlosigkeit beizukommen

1,8 Km² – auf diese Fläche ist unser Viertel St. Georg bemessen. Auf dieser Fläche findet sich ein pulsierender Schmelztiegel, der sich vom Hauptbahnhof über die Lange Reihe, den Hansaplatz und den Steindamm bis zum Krankenhaus und zur Außenalster erstreckt. Die Diversität des Viertels zeichnet sich durch eine vielschichtige Bevölkerung, insbesondere auch eine bunte Gewerbe-, Kunst- und Kulturszene, durch etliche Gaststätten und Szenebars aus. Allerdings sind dies die gewöhnlich positiv bewerteten Bestandteile des Gemischs, welches im Schmelztiegel brodelt. Zur Stadtteilrealität gehört gleichzeitig, dass kaum irgendwo anders in Hamburg Reichtum und Armut auf so engem Raum aufeinandertreffen wie hier. Drogenkonsum, Sexarbeit, Obdachlosigkeit und soziale Entwurzelung sind ebenso Bestandteile des Viertels – auch wenn sie meist als negativ gebrandmarkt werden. Wir fordern, letzteren Phänomenen in einer Art und Weise beizukommen, die sozial verträglich ist und nicht primär auf Repression und Verdrängung setzt. Wir haben aber zugleich auch die Belastungen der Menschen – vorrangig der 12.000 hier Wohnenden, aber auch der im Hauptbahnhofviertel rund 40.000 Arbeitenden – vor Augen. Auch ihre Interessen und Bedürfnisse, ihre Sorgen und Nöte gilt es zu berücksichtigen, um eine lebenswerte, gemeinsam getragene, solidarische Lebens- und Stadtteilwelt zu schaffen.

2030 – bis zu diesem Jahr soll das Phänomen der Obdachlosigkeit laut Zielsetzung auch des Senats überwunden sein.[1] Um an diesem hehren Ziel mitzuwirken, haben wir als Soziale und pädagogische Initiativen St. Georg (Sopi) einen Forderungskatalog formuliert, der sich spezifisch auf die Gegebenheiten dieses Viertels bezieht, wohl wissend, dass das Phänomen der Obdachlosigkeit ein stadt(teil)übergreifendes ist.

Der größte Teil der Menschen, die in Hamburg obdachlos geworden sind, finden sich hier ein, weil sie sich ein Leben erhofft haben, dass ihnen Arbeit, Wohnraum und Zugang zu einem guten Gesundheitssystem gewährleisten kann.[2] Die alltägliche Realität der Menschen, die ohne Obdach leben (müssen), sieht jedoch ganz anders aus. Dabei zeigt die Erfahrung, dass bedingungslos bereitgestellter Wohnraum – im Sinne des international bereits erprobten Housing First Ansatzes – den Weg zu einem Leben ermöglicht, dass autonom und würdevoll gestaltet werden kann. Prävention und Intervention scheinen am erfolgreichsten zu funktionieren, wenn der Lebensentwurf und Sozialraum der Betroffenen respektiert wird.

Daher erachten wir es für notwendig, gerade auch vor Ort Möglichkeiten zu schaffen, die im Sinne einer umfassenden Vorbeugung und Unterstützung funktionieren. Das bedeutet, die Verhältnisse für Betroffene so zu strukturieren, dass sie möglichst niedrigschwellig darauf zugreifen können. Unseres Erachtens braucht es mehr stadteilbezogene Angebote, welche die Menschen so nutzen können, wie es ihrer Lebensrealität entspricht. Um diese strukturelle Unterstützung leisten zu können, brauchen die Menschen, die bereits ihren Lebensmittelpunkt in St. Georg haben, Möglichkeiten, unbürokratisch auf das Hilfesystem zugreifen zu können, um sich einen sicheren Hafen zu schaffen.

Daher fordern wir als Soziale und pädagogische Initiative St. Georg:

  • Bezahlbarer Wohnraum für alle Menschen St. Georgs!
  • Unbürokratischer, niedrigschwelliger Zugang zum Hilfesystem für Menschen ohne Leistungsanspruch!
  • Nachhaltige Lösungen statt Repression und Verdrängung!
     

Ergänzende Statements einzelner Mitglieder der SOPI:

 ragazza e.V.

Das ragazza ist eine Kontakt- und Anlaufstelle und ein Schutzraum für drogengebrauchende und der Sexarbeit nachgehende Frauen* in St. Georg. Unsere Besucherinnen* sind in erheblicher Weise von Obdach- und Wohnungslosigkeit betroffen: nicht einmal ein Viertel der Frauen*, die in 2022 unsere Einrichtung besucht haben, verfügt über eine eigene Wohnung und ein Drittel ist akut obdachlos und lebt auf der Straße. Insbesondere die verdeckte Wohnungslosigkeit ist ein Phänomen, von dem Frauen* besonders häufig betroffen sind: Zur Abwendung der akuten Obdachlosigkeit kommen diese Frauen* vorübergehend bei Freund*innen, Bekannten* oder auch Freiern unter. Diese verdeckte Wohnungslosigkeit ist meist mit Abhängigkeitsverhältnissen verbunden und sexuelle Gegenleistungen sind ein häufiges „Zahlungsmittel“ für die Bereitstellung eines Bettes.

So gehören Wohnungs- und Obdachlosigkeit bei dem überwiegenden Teil unserer Besucherinnen* zu den drängendsten Problemlagen, deren Bearbeitung aber nur erschwert möglich ist. Drogenkonsumierende Frauen* haben in der Regel keine Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt, auch die Vermittlung in Wohnunterkünfte und Notschlafangebote scheitert häufig. Die wenigen Notschlafstellen, die für drogengebrauchende Sexarbeiterinnen* infrage kommen, sind oftmals an ihren Auslastungsgrenzen. Aufgrund von Gewalterfahrungen, Traumatisierungen und psychischen Erkrankungen gehören drogenkonsumierende und der Sexarbeit nachgehende Frauen* zu einer besonders vulnerablen Gruppe im Hilfesystem für wohnungslose Menschen, die besondere Bedarfe aufweist. Eine Unterbringung in Mehrbettzimmern ist für viele in ihrer Lebenssituation nicht erträglich und bestehende Angebote werden häufig nicht kontinuierlich aufgesucht. Dies erschwert wiederum den Zugang zu höherschwelligen Angeboten, da diese häufig über die Notschlafstellen vermittelt werden. Ohne eine gesicherte Wohnsituation wiederum ist eine Bearbeitung von komplexen Problemlagen und damit eine Stabilisierung der Lebenssituation der Frauen* häufig nicht möglich. So erschwert die Wohnungslosigkeit die weitere Hilfeplanung und trägt zu einer Verfestigung der prekären Lebenslagen bei.

Sperrgebiet

Das Sperrgebiet, Fachberatungsstelle Prostitution in Hamburg, ist seit den 1980iger Jahren eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Frauen* in der Sexarbeit, im Stadtteil St. Georg.

Durch eine Grundversorgung, wie z.B. Lebensmittelausgaben, die Kleiderkammer und die ärztliche Sprechstunde versorgt die Beratungsstellungsstelle somit vor allem Frauen* die im Stadtteil prekär leben und arbeiten.

Durch die allgegenwärtige Stigmatisierung und Diskriminierung des Arbeitsfeldes ist das Klientel auch in Bezug auf Wohnungslosigkeit in St. Georg besonders getroffen.

Öffentliche Unterbringungen werden meist, aufgrund von Angst vor Übergriffen und Outings des Berufes, nicht aufgesucht und frauenspezifische Alternativen sind kaum aufzutreiben.

Somit fordern wir:

  • Niedrigschwellige Unterbringungsmöglichkeiten für Sexarbeiter*innen
  • Zugänge mit Hilfesystem, auch für Menschen ohne Leistungsansprüche


BASIS-Projekt (Anlaufstelle für Mann-männliche Sexarbeiter*innen)

Mann-männliche Sexarbeiter*innen existieren in der öffentlichen Wahrnehmung nicht und sind aufgrund ihrer Tätigkeit, sexueller Identität und Herkunft häufig Diskriminierungen und Stigmatisierungen ausgesetzt. Insbesondere Sexarbeiter*innen mit einer Trans* oder nicht binären Identität nutzen selten die bestehenden öffentlichen Unterkunftsmöglichkeiten, da sie sich dort nicht akzeptiert und geschützt fühlen. Sexarbeiter*innen aus unterschiedlichen Herkunftsländern haben ihren Lebensmittelpunkt oftmals bereits seit vielen Jahren in Hamburg, aber keine Zugänge zu einer stabilen und langfristigen Unterkunft, da keine Leistungsansprüche bestehen. Sie leben hier, fallen aber aufgrund fehlender Ansprüche durch das soziale Sicherungssystem. Trotzdem bleiben sie in Hamburg und leben hier unter sehr prekären Lebensumständen auf der Straße, häufig mit massiven gesundheitlichen Problemen. Sexarbeiter*innen mit Leistungsansprüchen fallen wiederrum durch ihre multiplen Problemlagen und Bedarfe durch das bestehende Hilfesystem, da sie ihre Tätigkeit selten offen thematisieren, weil sie die Folgen fürchten.

Daher fordern wir:

  • Altersunabhängige und längerfristige Unterkunftsmöglichkeiten für Menschen in der Sexarbeit!
  • Einen niedrigschwelligen Zugang zu bestehenden Unterkunftsangeboten und eine Erweiterung der geschützten Bereiche!
  • Zugänge zum Regelsystem, insbesondere eine kostenlose Krankenversicherung für Menschen ohne Ansprüche!

Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V.

Was den Drogenkonsument:innen hilft, das entlastet auch das Hauptbahnhofviertel! Mit dieser Erkenntnis haben wir in den 1990ern ein Jahrzehnt lang Drogenpolitik betrieben. Und mit dafür Sorge getragen, dass ein umfangreiches niedrigschwelliges Drogenhilfesystem geschaffen wurde. Es ist an der Zeit, eine ähnlich starke Kampagne auf den Weg zu bringen. Auch jetzt wieder heißt es, endlich mehr zu tun für die in St. Georg gestrandeten, verarmten, an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Menschen. Vor allem die Opfer der unübersehbaren Verelendung, die vermehrt aufkommenden bettelnden und hier quasi lebenden Bürger:innen bedürfen dringend nachhaltiger Unterstützung. Das heißt, dass sich Leistungs- und Hilfsangebote an den individuellen Lebensrealitäten und Bedürfnissen obdachloser Menschen orientieren müssen, weil sie tagtäglich in mehrfacher Hinsicht z. B. durch ihre Herkunft und Hautfarbe, ihrer Sucht, ihrem Geschlecht und/oder einer Behinderung von Diskriminierung und Ausgrenzung bedroht sind. Das zunehmend repressiv-verdrängende Vorgehen in der City lehnen wir dabei ab, es verschlimmert die Lage der Betroffenen und belastet zusätzlich die benachbarten Quartiere. Wir brauchen vielmehr eine wirkliche soziale und inklusive Wohnungspolitik, kurzfristig mehr kleine Notübernachtungsstätten und schnellere Schritte in Richtung auf eine Beendigung der Wohn- und Obdachlosigkeit – auch und gerade im Stadtteil St. Georg. Housing first!

Johann-Wilhelm-Rautenberg-Gesellschaft e.V.

Seit 2005 bietet die jwrg e.V. mit dem Wohnhaus „Münze“ 16 obdachlosen Menschen mit psychischer Erkrankung eine Wohnung (eigenes Bad, Gemeinschaftsküche) mit unbefristetem Mietvertrag von Anfang an. Ergänzende Hilfen können, müssen jedoch nicht angenommen werden. Die jwrg e.V. bietet neben anderen Unterstützungsleistungen Eingliederungshilfe an der Schnittstelle soziale Teilhabe und Wohnungslosenhilfe an.

Ein Einzug in die „Münze“ bedeutet meistens nach langer Zeit endlich wieder dauerhaft ein Dach über dem Kopf zu haben. Ein Einzug bedeutet i.d.R. aber auch ein jahrelanger Verbleib in der Münze, denn der Auszug in eine andere Wohnung gelingt Menschen mit langjähriger Erfahrung in Obdachlosigkeit und mit psychischer Erkrankung nur selten, da bezahlbarer Wohnraum knapp und die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt groß ist.

Die Nachfrage nach einem Angebot wie der „Münze“, das obdachlosen Menschen mit multikomplexen Problemlagen eine Perspektive bietet, ist immens. Gleichzeitig entsteht in St. Georg und Umgebung jedoch seit Jahren ein Hotel nach dem Anderen und große Gebäudekomplexe werden aufgekauft, um jahrelang leer zu stehen.

Im März 2023 startete die jwrg e.V. mit dem vom Deutschen Hilfswerk finanzierten Projekt „Housing 1st Rautenberg“. In drei Jahren wollen wir 15 obdachlosen Menschen mit multiplen Problemlagen in Wohnraum bringen. Wir wollen dazu beitragen, dass Housing First Prinzip in der Stadt zu etablieren, so wie es auch schon in vielen anderen Großstädten Europas gelungen ist.

Wir fordern deshalb:

  • Freie Liegenschaften der FHH für niedrigschwellige Wohnprojekte zur Verfügung zu stellen (z.B. leerstehende Gebäude nutzen)
  • Entstehung von bezahlbaren Quartieren mit einer fixen Quote von Wohnungen, die obdachlosen Menschen angeboten werden
  • Übernahme des Housing First Prinzips (unbefristeter Wohnraum für obdachlose Menschen von Anfang an, freiwilliges Angebot flankierende sozialarbeiterische Unterstützung) in die Regelfinanzierung
  • Unbürokratische Lösungen für den Zugang zum Hilfesystem für alle Menschen – ob mit oder ohne Leistungsanspruch

[1] https://www.agfw-hamburg.de/download/AGFW-Eckpunkte_Aktionsplan-Ueberwindung- Wohnungsloskeit.pdf

[2] https://www.hamburg.de/contentblob/12065738/5702405ed386891a25cdf9d4001e546b/data/d-obdachlosenstudie-2018.pdf