Alle Beiträge von Felix Haxthausen
Solidarität mit allen Obdachlosen – Wohnungen statt Verdrängung und Ausgrenzung
Demonstration am Samstag, den 17.6.2023.
Beitrag von Michael Joho im Rahmen der Abschlusskundgebung auf dem Hansaplatz.
Seit Ende der achtziger Jahre rankt sich um den Einwohnerverein St. Georg und die sozialen Einrichtungen des Hauptbahnhofviertels der Widerstand gegen die allzu einfachen und damit falschen Vorstellungen der konservativen Kräfte. Und die lauteten – damals wie heute: Man müsse die „randständigen Gruppen“ einfach nur vertreiben, die allzu offensichtlichen Erscheinungen von Armut und Entwurzelung aus dem Blickfeld schaffen, um eine blütenweiße „Visitenkarte Hauptbahnhof“ zu schaffen.
Das Unwort der „Visitenkarte“ ist Mitte der neunziger Jahre unter sozialdemokratischer Senatsführung geboren worden. Es richtete sich damals vor allem gegen die Drogenkonsument:Innen, es meinte ihre Verdrängung vom Hauptbahnhofgelände – faktisch in die benachbarten Straßenzüge. Die Bürgerinnen und die Touristen sollten beim Verlassen der Anlage nicht gleich über obdachlose, bettelnde, arme, anschaffende Menschen stolpern. Die St. Georger Wohnbevölkerung spielte dabei nur eine nachgeordnete Rolle.
Gut zwei Jahrzehnte später ist das Modell der „Visitenkarte“ auf ganz St. Georg – vor allem auf den Hansaplatz – ausgeweitet worden.
- Alle Sitzbänke sind abgebaut worden, damit sich ja niemand setzen kann, vor allem keine Obdachlosen. Irgendein Abgedrehter schlug sogar vor, den Hansabrunnen zu schleifen, damit sich Menschen nicht auf dessen Stufen niederlassen können.
- Das Anbringen auch nur einer Schaukel – jawohl, einer Schaukel! – wird rigoros unterbunden.
- Zweier-, Dreier-, Viererstreifen der Polizei und permanente Personenkontrollen von Alkoholkonsumierenden (natürlich nicht an den Bezahltischen), von anders Gekleideten, Black and People of Color, irgendwie anders Erscheinenden prägen das Bild.
- Und die jahrelange, schon fast aus dem Alltagsbewusstsein geschwundene Videoüberwachung der Menschen soll jetzt durch den Einsatz „Künstlicher Allianz“ effektiviert werden.
Gemeinsam ist all diesen Punkten, überhaupt dem Konzept „Visitenkarte“, dass es sich gegen Menschen, gegen Betroffene, gegen eh schon an den Rand gedrängte Menschen richtet. Es richtet sich nicht gegen das System, das Armut, Verelendung und Vereinsamung überhaupt erst hervorbringt. Seit Jahren fordern wir z.B. eine niedrigschwellige Anlaufstelle für junge Geflüchtete im Hauptbahnhofumfeld. Nichts ist gekommen, gar nichts. Mit der Folge, dass viele ihren Lebensmittelpunkt genau hier auf und um den Hansaplatz haben, vor dem Hintergrund mieser Unterkünfte und fehlender Arbeits- und Betätigungsmöglichkeiten.
Ein aktueller Konflikt dreht sich u.a. um den Vorplatz des Drob Inn. Obwohl Bezirksamtsleiter Neubauer (SPD) angesichts des Elends der dort in großer Anzahl lagernden DrogenkonsumentInnen – rund drei Viertel davon obdachlos – einen weiteren Konsumraum vorschlägt – ein unbedingt beachtenswerter Vorschlag –, reagiert der hiesige Bürgervereinsvorsitzende Schreiber mit nichts anderem als der Forderung nach Kameras mit Künstlicher Intelligenz. Na wunderbar, mit den durch künstlicher Intelligenz aufgepeppten Videokamers das Drogenelend bekämpfen. Das nenne ich mal echt eine Lösung, die an die Wurzel geht!
Was den Drogenkonsument:innen hilft, das entlastet auch das Hauptbahnhofviertel! Mit dieser Erkenntnis haben wir in den 1990ern ein Jahrzehnt lang Drogenpolitik betrieben. Und mit dafür Sorge getragen, dass ein umfangreiches niedrigschwelliges Drogenhilfesystem geschaffen wurde. Es ist an der Zeit, eine ähnlich starke Kampagne für die Menschen auf der Straße in Gang zu bringen. Auch jetzt wieder heißt es aus unserer Sicht, endlich mehr zu tun für die in St. Georg gestrandeten, verarmten, an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Menschen.
Vor allem die unübersehbare Verelendung der Obdachlosen, das vermehrte Aufkommen von bettelnden und hier quasi auf der Straße lebenden Menschen bedarf dringend nachhaltiger Veränderungen, bedarf einer neuen, deutlich erhöhten Qualität an Unterstützung. Das heißt vor allem, dass sich Leistungs- und Hilfsangebote an den individuellen Lebensrealitäten und Bedürfnissen obdachloser Menschen orientieren müssen, weil sie tagtäglich in mehrfacher Hinsicht, z. B. durch ihre Herkunft und Hautfarbe, ihrer Sucht, ihrem Geschlecht und/oder einer Behinderung, von Diskriminierung und Ausgrenzung bedroht sind.
Das zunehmend repressiv-verdrängende Vorgehen in der City lehnen wir dabei eindeutig ab, es verschlimmert die Lage der Betroffenen und belastet zusätzlich die benachbarten Quartiere. Wir brauchen vielmehr eine wirkliche soziale und inklusive Wohnungspolitik, kurzfristig mehr kleine Notübernachtungsstätten und schnellere Schritte in Richtung auf eine Beendigung der Wohn- und Obdachlosigkeit – auch und gerade im Stadtteil St. Georg. Housing first!
Rede auf der Obdachlosigkeit-Demo von Joscha Metzger am 15.04.2023
Hallo und Herzlich Willkommen im Hamburger Bahnhofsviertel St. Georg.
Wie in vermutlich fast allen Hauptbahnhofvierteln dieser Welt konzentrieren sich in St. Georg die Problemlagen einer sozial gespaltenen Stadt. Armut, Elend, Drogenkonsum, Prostitution und Obdachlosigkeit treten hier ebenso in Erscheinung wie teure Geschäfte, Luxusimmobilien und neoliberale und autoritäre Politikansätze, die den Hauptbahnhof als „Visitenkarte“ der Stadt präsentieren wollen.
Der Kapitaldruck auf dem Stadtteil und daraus folgende Gentrifizierung sind hier ebenso tagtäglich zu spüren, wie polizeiliche Kontrolle und der Versuch, den Stadtteil durch behördliche Repression „sauber“ zu halten.
Als Einwohner*innenverein St. Georg setzen wir uns seit den 1980er Jahren für eine Politik ein, die soziale Lösungen für soziale Probleme sucht.
Spannungen, die sich aus den vielfältigen Widersprüchen einer kapitalistischen und polarisierten Stadt ergeben, können nur durch sozialen Ausgleich, durch eine Politik auf Augenhöhe abgefedert werden. Repression und Verdrängung erreichen nichts anderes, als eine räumliche Verschiebung der Problemlagen und erzeugen Trauer und Wut bei allen Beteiligten.
Wir schließen uns daher voll und ganz der Forderung an: Anstelle einer Aufrüstung der Polizei brauchen wir eine gemeinwohlorientierte Sozialarbeit. Sozialer gesellschaftlicher Ausgleich statt Repression!
Als Einwohner*innen in St. Georg befinden wir uns seit Jahrzehnten im Auge des Orkans des Immobilienkapitals.
Waren die Mieten hier im Stadtteil in den 1990er Jahren noch bezahlbar, ist die Wohnungssuche heute ein Alptraum geworden. Viele unserer Nachbar*innen haben Angst vor der nächsten Mieterhöhung, weil sie dazu führen wird, die Wohnung zu verlieren.
Für manche droht dann ganz konkrete Wohnungslosigkeit. Andere werden sich ganz woanders in der Stadt umgucken müssen, denn hier – in ihrem Lebensumfeld – werden sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden.
Verdrängung von Obdachlosen, Angst vor dem Wohnungsverlust und horrend steigende Mieten sind alles Erscheinungen desselben Problems: In unserer Gesellschaft wird Wohnen als Kapitalanlage gehandelt, Wohnraum über den Markt vermittelt.
Wir sagen: Das muss ein Ende haben. Wohnen ist eine Sache der Daseinsversorgung. Wir müssen endlich übergehen zu einer Vergesellschaftung der Wohnungsversorgung.
In diesem Sinne fordern wir:
- Eine ernsthaft soziale Wohnungspolitik, die alle Mittel in Bewegung setzt, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen
- Die Ausweisung von Flächen für Notübernachtungen und Zelten sowie die Öffnung von leerstehendem Wohnraum für Menschen in Situation der Wohnungs- und Obdachlosigkeit – auch und gerade hier im Stadtteil St. Georg
- Praktische Konzepte für eine Beendigung der Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030. Housing First statt Repression und Verdrängung!
Und schließlich fordern wir als Einwohner*innenverein – so wie es auch von vielen anderen Stadtteilinitiativen Hamburgs gefordert wird –:
Die Ermöglichung von Stadtteildemokratie, Partizipation und Selbstverwaltung, damit wir als Menschen vor Ort über unsere Bedürfnisse und Bedarfe selbst bestimmen und dafür sorgen können, dass alle das bekommen, was sie zu einem guten Leben brauchen.
Hamburg Journal und NDR-Hörfunk Beitrag zur Protestaktion wider die Beiratsauflösung
EV-Stadtteilversammlung zur Beiratsauflösung am 22. Februar
Stellungnahme des Netzwerks Hamburger Stadtteilbeiräte zur Auflösung des Stadtteilbeirats
Kandidaten abgelehnt und Tagungsrecht entzogen
Mit großem Befremden hat das Netzwerk Hamburger Stadtteilbeiräte die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen den politischen Gremien und den Stadtteilbeiräten in
Wilhelmsburg und St. Georg zur Kenntnis genommen, die auch in Artikeln der Hamburger
Morgenpost (2.2.23) und des Hamburger Abendblattes (3.2.) Berücksichtigung fanden.
Beiräte erwachsen in ihrer Geschichte aus Förderprogrammen des Bundes oder der FHH.
Im Laufe der Förderprogramme übernehmen sie eine wichtige vermittelnde Funktion in der Umsetzung der Programminhalte und schaffen gleichzeitig eine Basis für die Kommunikation innerhalb der Stadtteile.
Dieser Prozess führt fast ausnahmslos dazu, dass sich die Beiräte in ihrem Selbstverständnis zu einem zentralen Organ der stadtteilinternen Meinungsbildung entwickeln und vor Ort ein hohes Maß an Kontinuität in der vor allem ehrenamtlichen Mitarbeit generieren.
Menschen aus den Quartieren erkennen, dass gerade in dieser Organisationsform eine
Mitgestaltung der Stadtteilentwicklung möglich ist und schließen sich den Beiräten an.
Darüber hinaus sind die Teilnehmenden Seismographen oder auch Ohr am Quartier und
transportieren Inhalte, die von Menschen artikuliert werden, die sich nicht in eine solche
Struktur einfügen möchten, in den Beirat.
Im Verlauf der Förderperioden werden die Stadtteilbeiräte immer vertrauter mit den
komplizierten Aushandlungsprozessen zwischen Politik, Verwaltung und Quartier und
gewinnen darin zusehends Gewicht und Selbstbewusstsein. Dies führt dazu, dass sie zu einer zunehmend unabhängigen Institution werden, sich als Bürgervertretungsgremium verstehen und entsprechend auftreten.
In den allermeisten Beiräten gibt es für eine stimmberechtigte Mitgliedschaft inzwischen
keine Wahlvorgänge mehr, sondern über eine regelmäßige Teilnahme wird man zu einem
Vollmitglied. Das heißt auch, dass es keine zahlenmäßigen Beschränkungen für die
Quartiersbewohnerschaft mehr gibt. Und genau dies ist auch das Interesse der Beiräte,
nämlich so viel wie möglich Interessierte und Engagierte für die Mitarbeit im Beirat zu
gewinnen.
Dies ist gleichbedeutend mit einer Entkoppelung der Beiräte von politischer oder verwaltungsmäßiger Einflussnahme auf die Selbstorganisation der Beiräte. Ihre Qualität besteht in der Unabhängigkeit von eben solcher und nur so können sie ihre Aufgabenstellung einer offenen, unparteiischen Meinungsbildung und der Organisierung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten für die Entwicklung der Quartiere erfüllen.
Die Stärke der Beiräte liegt darin, dass dort nicht Parteipolitik praktiziert wird, dass dort keine politischen Mehrheitsverhältnisse abgebildet werden, sondern dass Aushandlungsprozesse auf Basis des Engagements und der Verantwortlichkeit für einen Stadtteil ausgefochten werden. Und diese benötigt keine Legitimation von politischen Ausschüssen, seien es Regionalausschüsse oder der Cityausschuss. Ganz im Gegenteil, jede Form der Einflussnahme widerspricht dem Selbstverständnis der Beiräte und gefährdet ihre Unabhängigkeit von Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung.
Beiräte wissen darum, dass sie politisch nicht legitimiert sind („politisch nicht legitimiertes
Teilvolk“ – Dr. Michael Freitag, Referent für Bürger:innenbeteiligung in der BWFGB) und nicht unmittelbare Entscheidungsbefugnisse haben, aber aufgrund der sehr vielfältigen
Zusammensetzung trifft sich dort ein hohes Maß an Stadtteilexpertise, die für die
Entwicklungsprozesse von unschätzbarem Wert ist.
Es ist Aufgabe von Politik und Verwaltung, Partizipation und selbstbewusste, unabhängige
Beiräte ernst zu nehmen, diesen auf Augenhöhe zu begegnen und in ihrer Funktionsweise zu unterstützen, sich inhaltlich an den Diskussionsprozessen zu beteiligen und hernach die
Ergebnisse zu transportieren und einfließen zu lassen in die Entscheidungen in den
politischen Ausschüssen und in die Planungsprozesse der Verwaltung, nicht aber, deren
personelle Zusammensetzung, deren Tagungsrhythmus oder deren inhaltliche
Diskussionszuschnitte zu bestimmen. Dies wäre das vollkommene Verkennen von dem, was Beteiligung und zivilgesellschaftliche Organisierung ausmacht, nämlich Unabhängigkeit von politischem Proporz und Zwängen.
Die Mitarbeit in den Beiräten beruht allein auf der Motivation, sich für den eigenen Stadtteil
zu engagieren. Sie gilt dem Austausch unter vielfältigsten Akteur:innen und Interessenvertreter:innen auf der „untersten“ und damit dem Stadtteilherzschlag nächsten
Ebene mit dem Ziel einer Kompromissfindung bzw. einer Meinungsbildung, die jenseits von Individualinteressen sich Monat für Monat neu organisiert.
Dabei ist die Politik ein Teilnehmender, aber eben einer unter vielen und schon gar kein
bestimmender. Dort, wo sie dies sein möchte, widerspricht sie der DNA der Beiräte.
Dies wird in den Hamburger Bezirken durchaus geachtet und akzeptiert, so wie wir es aus
den Berichten im Netzwerk Hamburger Stadtteilbeiräte erfahren.
Eine dermaßen eklatante Einflussnahme in die Strukturgebung und personelle
Zusammensetzung einzelner Beiräte, im Falle von St. Georg bis hin zu einer Auflösung der
bisherigen Beiratsstruktur, euphemistisch umschrieben als Aussetzung bzw. Neuausrichtung, ist ein völlig inakzeptabler Eingriff in die Autonomie der Beiräte und unserer Kenntnis nach einmalig im Verhältnis zwischen Beiräten und Bezirkspolitik.
Das Netzwerk der Hamburger Stadteilbeiräte fordert die politischen Gremien in St. Georg
und Wilhelmsburg eindringlich auf, sich an der Praxis in den anderen Bezirken zu orientieren, die Beiräte als eigenständige Organisationsformen mit ihrer variablen, aber
selbstbestimmten Zusammensetzung zu akzeptieren und in ihrem unabhängigen Wirken zu unterstützen.
Konkret heißt das,
- den Stadtteilbeirat St. Georg in seiner bisherigen Form uneingeschränkt
fortzuführen, bis eine Neukonzeptionierung verabredet ist
sowie - Kandidaturen und Vertretungen von Ortsbereichen aus Sicht des Wilhelmsburger Beirats anzuerkennen und nicht durch parteipolitische Präferenzen und Beeinflussungen infrage zustellen.
Die Lenkungsgruppe des Netzwerks Hamburger Stadtteilbeiräte
c/o Stadtteilbüro Dulsberg
Stellungnahme des Instituts für Konfliktaustragung und Mediation zur geplanten Neuausrichtung des Stadtteilbeirats St. Georg
Das Institut für Konfliktaustragung und Mediation e.V. (ikm) ist seit 1998 ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in St.Georg, jedoch stadtweit aktiv. Lokal im Stadtteil sind wir vom Bezirksamt Mitte, Fachamt Sozialraummanagement beauftragt mit der Koordinierung der lokalen Partnerschaften für Demokratie im Rahmen des Bundesprojekts „Demokratie leben! St.Georg – Borgfelde“. Als Teil dieser Koordinierungsstelle moderieren wir seit 2011 einen Begleitausschuss mit Einrichtungsvertretungen aus St. Georg und Borgfelde. Der Begleitausschuss arbeitet eng zusammen und ist sehr divers zusammengestellt, mit Vertretungen aus säkularen Einrichtungen wie Schulen, Kulturladen, Bücherhallen, AIDSHilfe, Sportverein, Einwohnerverein und mit Vertretungen aus vielen religiösen Gemeinden (muslimisch, christlich, jüdisch), wie auch das SCHORSCH als wichtiger Stadtteilakteur. Der Begleitausschuss bespricht gesellschaftspolitische und lokale Themen und entscheidet über Anträge aus dem Sozialraum mit einem Aktionsfonds von 45.000 Euro jährlich. Die drei inhaltlichen Säulen der Förderungen sind Interkultureller/interreligiöser Austausch, Empowerment von Minderheiten und Beteiligung im öffentlichen Raum. Zusätzlich ist das ikm als Koordinierungsstelle von Demokratie leben! St.Georg-Borgfelde Träger des Jugendforums, welches ein Zusammenschluss von 15 jungen Menschen aus unterschiedlichen Einrichtungen ist, die ein eigenes jungerwachsenen Moderationsteam haben und ein zusätzliches Budget von 10.000,- € verwalten. Auch das Jugendforum ist mit zwei Stimmen aktiv im Begleitausschuss vertreten.
Seit der Übernahme der Koordination der Partnerschaft für Demokratie St. Georg/Borgfelde in 2011, pflegen wir einen guten und konstruktiven Kontakt zu Mitglieder*innen des Stadtteilbeirates. Menschen und Institutionen, die sich im Begleitausschuss der Partnerschaft engagieren, sind auch Teil des Stadtteilbeirates. Somit gab es an geeigneten Stellen einen konstruktiven Austausch und Informationsfluss zwischen beiden Gremien. Das ikm als gemeinnütziger Verein ist nicht ausschließlich auf den Stadtteil St. Georg begrenzt, sondern arbeitet hamburgweit und auch darüber hinaus. Deshalb sahen wir, abgesehen von unserem Engagement als Koordinierungsstelle, keinen Anlass eine aktive Rolle im Stadtteilbeitrat einzunehmen – auch wenn wir stets die Möglichkeit dazu hatten.
Wir sind überrascht und irritiert, dass in der Drucksache 22-3516 zur Neuausrichtung des Stadtteilbeirats beispielhaft das ikm, das Jugendforum und die Partnerschaften für Demokratie aufgelistet sind als mögliche neue Mitglieder*innen – ohne das mit uns seitens Verwaltung oder Politik darüber in den Austausch getreten wurde. Dies
impliziert für Lesende, das wir bisher nicht eingeladen worden wären oder es keinen Austausch gegeben hätte. Dies möchten wir hiermit richtigstellen.
Wir befürworten eine Intensivierung der Zusammenarbeit des Begleitausschusses und des (zukünftigen) Stadtteilbeirates und stehen für Gespräche der Ausgestaltung gern bereit. Wir hoffen auf einen gelingenden Prozess der Neuausrichtung im Sinne des Stadtteils, der das jahrzehntelange Engagement vieler Mitglieder des Stadtteilbeirats würdigt und wertschätzt.
Katty Nöllenburg und Urs Erben, Geschäftsführung ikm
Statement von Pastorin Elisabeth Kühn zur Auflösung des Stadtteilbeirats
DAS kann ich wirklich kaum glauben. Die Auflösung des Stadtteilbeirats hat mich erschüttert. Sie ist meines Wissens beispiellos. Unabhängig von politischer Zugehörigkeit, Sympathie und Antipathie frage ich mich nach diesem Vorgang: Wie wird hier miteinander umgegangen? Dieses Vorgehen kann doch nur bedeuten, dass Politikverantwortliche den Bürger:innen mit ihren Fragen, Vorschlägen und Anträgen bewusst aus dem Weg gehen. Welches Demokratieverständnis steckt dahinter?
Ja, der Stadtteilbeirat St. Georg ist unbequem, laut und streitbar, die Sitzungen sind lang, der Ton ist direkt, manchmal rau und gewöhnungsbedürftig. So ist das eben, wenn Bürger:innenbeteiligung und freie Meinungsäußerung angesagt sind, unabhängig von Mehrheiten, Zugehörigkeit und politischem Kalkül. Das ist mitunter nervig, aber das muss Demokratie aushalten.
Der Stadtteilbeirat ist DAS Beteiligungsforum für interessierte und engagierte Stadtteilbewohner:innen, für diejenigen, die hier leben, arbeiten und den Herausforderungen in St. Georg täglich begegnen.
Die Begründung für die angekündigte „Neugestaltung“ klingt beim ersten Hören ja gar nicht so verkehrt: Mehr hier lebende Migrant:innen sollen eingebunden werden. Der Stadtteilbeirat soll jünger und diverser werden. All dies soll die Lawaetz-Stiftung in Gesprächen mit Akteur:innen und Bewohner:innen des Stadtteils entwickeln. Doch wer bitte ist damit gemeint? Offensichtlich sind es nicht die seit vielen Jahren engagierten Menschen im Stadtteilbeirat. Wenn politisch so agiert und kommuniziert wird, darf man sich nicht wundern, wenn die Wellen der Empörung hoch schlagen und die Formulierung „Vertrauen in die Politik“ bei vielen nur Stirnrunzeln hervorruft. Ich bin gespannt darauf, wer in den kommenden Wochen an welche Türen in St. Georg klopft, um mehr, andere oder wie auch immer gewollte Bürger:innenbeteiligung auf den Weg zu bringen.
Der Stadtteilbeirat ist eine Chance für die Politik, an den Menschen zu sein und im Gespräch zu bleiben. Stattdessen stellen die Verantwortlichen die Stadtteilengagierten vor vollendete Tatsachen und setzen die Sitzungen aus – ohne Gespräch, Austausch und (sicherlich streitbare!) Diskussion. Über die Gründe kann ich nur spekulieren. Egal, ob die Entscheidung bewusst von oben herab oder aus Angst vor der Auseinandersetzung getroffen wurde: Sie zeugt von mangelndem Fingerspitzengefühl und einer schmerzlichen Missachtung jahrelangen bürgerlichen Engagements, gegen das sich die Einwohner:innen St. Georgs zu Recht wehren. Ich hatte gedacht und gehofft, dass die Politik in Hamburg-Mitte weiter wäre.
Elisabeth Kühn, Pastorin der Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Georg-Borgfelde
Statement der Vertreterin der Schulen im Stadtteilbeirat zur Auflösung des Stadtteilbeirats St. Georg
Artikel und Statements zur Auflösung des Stadtteilbeirats St. Georg, die aus Platzgründen im „Lachenden Drachen“ 2/2023 nur gekürzt erscheinen konnten
Unglaublich: Stadtteilbeirat St. Georg aufgelöst
Weil der Stadtteilbeirat St. Georg mit seinen kritischen Themen und Anträgen den im Bezirk Hamburg-Mitte regierenden Parteien SPD/CDU/FDP schon seit längerem nicht mehr passte, haben diese ihn jetzt kurzerhand aufgelöst, ohne Ankündigung, ohne Einbeziehung des Beirats selbst. Dieser Federstrich ist bestens vorbereitet worden, selbst die Oppositionsparteien haben von dem Vorhaben erst am 31. Januar morgens erfahren, abends hat der Hauptausschuss des Bezirks der Auflösung und „Neuausrichtung“ dann mit den Stimmen der „Deutschlandkoalition“ zugestimmt. Während die teilweise seit vielen Jahren aktiven BesucherInnen und Stimmberechtigten des Stadtteilbeirats St. Georgs also mit keiner Silbe von diesem Vorhaben erfuhren, war der Bürgerverein bereits vorher ins Bild gesetzt worden.
Erst jetzt begreifen wir, warum auf der letzten Stadtteilbeiratssitzung am 30. November 2022 (!) zum ersten Mal überhaupt weder VertreterInnen des Bürgervereins oder der SPD zugegen waren. Erst jetzt verstehen wir, warum das Protokoll dieser Sitzung entgegen ausdrücklicher Zusicherung erst viele Wochen nach Fertigstellung, nämlich Anfang Februar, verschickt wurde. Verbunden mit der Ankündigung der leitenden Bezirksamtsangestellten Petra Lill, nun ist Schluss, es kommt was Neues und alle sind zur Mitarbeit eingeladen. Für wie doof halten uns dieser BezirkspolitikerInnen und -mitarbeiterInnen eigentlich?
Fakt ist: Bereits angekündigte Beiratssitzungen – die nächste war für den 22. Februar anberaumt – wurden einfach so abgesagt, ein halbes Jahr lang soll jetzt das „Konzept“ für einen kleineren Beirat (von 18 auf 12 Stimmberechtigte) erarbeitet werden, aber der quasi seit 1979 wirkende Stadtteilbeirat selbst soll sich dazu nicht mehr äußern dürfen. Alles Engagement von dutzenden Menschen der letzten zig-Jahre, alle Beschlüsse der letzten Monate haben die genannten Parteien damit im Orkus versenkt. Mit einer schier unglaublichen Arroganz wird auch noch das kleine, aber von vielen so geschätzte Stück BürgerInnenbeteiligung zertreten.
Wir waren seitens des Einwohnervereins gerade dabei, mit konstruktiven Anträgen die nächste, längst angekündigte Stadtteilbeiratssitzung am 22. Februar vorzubereiten. Dieses Mal wollten wir einbringen, dass es eine kleine Feier zur Einweihung des Inge-Stolten-Weges zwischen Ernst-Merckstraße und Ferdinandstor geben sollte. Wir wollten beantragen, dass der Stadtteilbeirat nach dem Vorbild der Beiräte im Bezirk Nord zu Trägern öffentlicher Belange erklärt wird, was bedeutet, auch zu Bebauungsplänen pflichtmäßig befragt zu werden – wozu wir auch nach dem Umgang der bis heute nicht beantworteten 149 Einsprüche gegen den inzwischen von SPD/CDU/FDP beschlossenen B-Plan St. Georg 43 auch alle Berechtigung sehen. Beim Verfügungsfonds wollten wir ca. 600 Euro für eine Gedenktafel beantragen, um diese anlässlich des 90. Jahrestages der zweiten Bücherverbrennung durch die Nazis am 30. Mai 2023 auf dem ehemaligen Lübeckertorfeld (also wahrscheinlich an einem der heute darauf stehenden HAW-Gebäude) anzubringen. Und schließlich wollten wir anregen, der Katholischen Kirche vorzuschlagen, die Räume bzw. das Gebäude der zum Sommer schließenden Katholischen Schule zu Sozialwohnungen umzugestalten. All das hatten wir vor, all das ist uns durch das unfassbare Vorgehen der Deutschlandkoalition aus der Hand geschlagen worden.
Am 31. Januar haben wir diese Bemühungen einstellen müssen, denn am Vormittag sickerte durch, dass just ein Antrag zur Zerschlagung des Beirats vorgelegt worden war, der noch am selben Tag beschlossen wurde. Wir dokumentieren hier unsere Presseerklärung, die wir – noch unter Schock – am 1. Februar an die Medien richteten. Größere Berichte u.a. in der „Hamburger Morgenpost“ (https://www.mopo.de/hamburg/bezirk-saegt-institution-in-st-georg-ab-anwohner-empoert/) und im „Hamburger Abendblatt“ (https://www.abendblatt.de/hamburg/article237531709/st-georg-bezirk-will-aeltesten-stadtteilbeirat-hamburgs-neu-aufstellen.html) waren die Folge.
Vor diesem Hintergrund lädt der Einwohnerverein alle Interessierten zu einer Stadtteil- und Protestveranstaltung gegen die Auflösung des Stadtteilbeirats für den 22. Februar ein, also für den Zeitpunkt, zu dem der Beirat hätte regulär tagen sollen. Wir müssen besprechen, wie dieser Schlag gegen die BürgerInnenbeteiligung pariert werden kann, und nicht nur in St. Georg.
Nachfolgend dokumentieren wir eine Reihe von Kommentaren und Solidaritätsschreiben, die dem Einwohnerverein – stellvertretend für viele Dutzend Stadtteilbeirats-AkteurInnen der vergangenen Jahre, ja Jahrzehnte zugegangen sind.
Mit Entsetzen und Bestürzung habe ich von der undemokratischen Aussetzung des Stadtteilbeirats erfahren. Über Jahrzehnte habe ich mit Stolz auf diese basisdemokratische Institution geschaut, die ein Stück weit in St. Georg Geschichte geschrieben hat. In einer Zeit der zunehmenden Politikverdrossenheit sollten sich die gewählten Vertreter doch eigentlich glücklich schätzen, wenn BürgerInnen St. Georgs sich für ihren Stadtteil politisch einsetzen. Das gilt es auszuhalten, anstatt in Hinterzimmern ein „unbequemes“ Gremium abzuschaffen, ohne den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich dazu äußern zu können. Den gewählten VertreterInnen, die an diesem Akt beteiligt waren, sage ich persönlich: „Schämt Euch!“
Ingo Müller, ehemaliger Kantor der St. Georgskirche
Wenn man den St. Georger*innen eine Umstrukturierung und faktische Kürzung ihres Beirats aufzwingt, obwohl er hamburgweit am längsten besteht und die meisten BesucherInnen hat, wirkt das geradezu grotesk. Dass man Kritik aushalten muss als Politiker*in, liegt in der Natur der Sache. Ohne sie würden wir uns ständig um uns selbst drehen. Die Koalition in Mitte hat aber offenbar nicht verstanden, dass die Menschen selbst gestalten und man sie nicht wie dumme Schafe auf einer abgesteckten und umzäunten Grünfläche einsperren kann.
Ina Morgenroth, Bezirkspolitikerin für DIE LINKE und langjährige ehemalige Bewohnerin St. Georgs
Ich bin empört über die Auflösung des St. Georg Stadtteilbeirates. Dieser basisdemokratische Beirat als Instrument der BürgerInnenbeteiligung von 5 Treffen auf 2 im Jahr zu reduzieren, ist nicht bedarfsgerecht und zeitgemäß, d.h. die Anzahl der Beiratstreffen muss erhöht werden.
Dorothee Schlickewei, LAB-Seniorenbegegnungsstätte
Als schockierend und frustrierend, aber auch als aufschlussreich und desillusionierend empfinden wir die Zerschlagung des Stadtteilbeirats St. Georg durch die SPD/CDU/FDP-Koalition.
Hier wird Bürger*innenbeteiligung, die nicht den Vorstellungen der Regierungsfraktionen und der Bezirksverwaltung entspricht und sich ihrer unmittelbaren Kontrolle entzieht, mit dem nächstbesten Machtmittel abgeschaltet. Das Exempel, das damit offenbar in St. Georg statuiert werden soll, gefährdet auch alle anderen bezirklichen Beteiligungsformate in Hamburg-Mitte: Lokalen Beiräten, die ernsthaft mit der Parteienmehrheit in Konflikt geraten, droht offenbar jederzeit eine „Neuausrichtung“ nach dem Geschmack der Obrigkeit. Damit werden Ansätze einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen dem Bezirk Hamburg-Mitte und lokalen Akteuren, wie sie in den vergangenen Jahren in einigen Quartieren mühsam erarbeitet wurden, in Frage gestellt.
Bereits 1999 hatte die damalige Koalition aus SPD und CDU viele engagierte Menschen in den Mitte-Beiräten vor den Kopf gestoßen, indem sie die gewachsenen Stadtteilbeiräte durch einen neuen „Zuschnitt“ – Verkleinerung, weniger Stimmen für Bewohner*innen und direkter Zugriff der Bezirkspolitik auf viele Sitze – zerschlug. Für das Engagement der Bewohner*innen von Rothenburgsort war das ein bitterer Rückschlag. Wir hatten gehofft, dass die Bezirkspolitik seither besser gelernt hat, die Beteiligung der Menschen vor Ort als wertvollen Gewinn für die Qualität von Politik und Stadtentwicklung wertzuschätzen. Die willkürliche Zerschlagung der bewährten Beteiligungsstrukturen in St. Georg lässt das Gegenteil befürchten.
Hamburgs Wilder Osten, Stadtteil-Initiative für mehr Lebensqualität in Rothenburgsort
Ich halte es für einen Skandal, dass in einer Nacht- und Nebelaktion
ohne jegliche Diskussion dieses wichtige Diskussionsforum abgeschafft
worden ist. So spontan kam das Aus jedoch nicht. In den „Blättern“ des
Bürgervereins schrieb dessen Vorsitzender Markus Schreiber bereits im
Juli vergangenen Jahres: Das Hauptproblem des Stadtteilbeirates sei,
dass einige linke Mitglieder es wagen, Empfehlungen auszusprechen, die
nicht die Zustimmung der in der Bezirksversammlung tonangebenden
Deutschlandkoalition aus SPD, CDU und FDP (und des Bürgervereins)
finden. Die demokratischen Prinzipien, die man den „Abweichlern“
vorwirft zu missachten, werden durch den Handstreich der auf Initiative
des Bürgervereins tätig gewordenen Deutschlandkoalition selbst mit Füßen
getreten. Mit der angekündigten Verkleinerung und Neuzusammensetzung des
Beirates will man sich offenbar lästige KritikerInnen vom Hals halten.
Bertolt Brecht musste so etwas geahnt haben, als er 1953 schrieb: „Das
Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht
einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“
Mathias Thurm, Stadtteilbeiratsbesucher
Auch die Vertreter*innen der sozialen Einrichtungen sind empört über die Aussetzung des Stadtteilbeirats.
Gerade für die Schnittstelle der Sozialen Arbeit (z.B. vertreten durch ragazza e.V., das Basis Projekt und das Sperrgebiet – für die Sexarbeiter*innen) in den Stadtteil, ist der Beirat ein wichtiges Organ, um in Kommunikation zu gehen, die Bedarfe der stigmatisierten und diskriminierten Zielgruppen aufzuzeigen und für diese einzustehen.
Eine Aussetzung dieses Gremium verschließt diesen Zugang und schließt eine wichtige Tür.
Basis Projekt, Ragazza, Sperrgebiet
Stellen wir uns folgende Nachricht vor: „Völlig überraschend löst der Senat Bezirksversammlung Hamburg-Mitte auf.“
Die Bezirksversammlung sei für viele Bürger:innen nicht mehr attraktiv und nicht effizient. Die Senatspolitik würde immer wieder unsachlich kritisiert. Nicht sachdienliche Wortbeiträge zögen die Sitzungen unerträglich lange hin. Viele fühlten sich dadurch von der Teilnahme an der Kommunalpolitik abgeschreckt. Die Zusammensetzung entspreche nicht ausreichend der Zusammensetzung der Bevölkerung im Bezirk nach Alter, Geschlecht und Herkunft. Der Senat hat darum ein Konzept beauftragt, mit dem Ziel, diese Missstände zu beheben. Das Konzept soll in einigen Monaten der Bürgerschaft und dann in geeigneter Weise, geeigneten Kreisen im Bezirk vorgestellt werden.
Zugegeben: Ein überspitzter Vergleich, obgleich der Senat nach der Hamburgischen Verfassung dazu möglicherweise legitimiert wäre. Die Bezirksversammlung ist durch breite Wahlen sicher anders legitimiert ist, als der Stadtteilbeirat. Dennoch ist auch er nach einem demokratischen Verfahren zusammengesetzt. Seine Quasi-Auflösung – ohne jegliche vorherige Information, geschweige denn Beteiligung im Stadtteil – ist ein schwerer, undemokratischer Affront gegen die vielen, ehrenamtlich Engagierten im Beirat und darüber hinaus, der nicht nur bekannte Kritiker:innen der Bezirkskoalition empört. Möge diese Überspitzung die Eine oder den Anderen der Verantwortlichen zum Überdenken ihres Handelns veranlassen…
Christian Diesener, Stadtteilbeiratsbesucher
Hey, liebe Nachbarinnen und Nachbarn, was ist da oben auf der Geest bei euch in St. Georg mit eurem Demokratieverständnis los? Mit empörtem Erstaunen müssen wir der öffentlichen Presse entnehmen, dass ihr ratzfatz ohne vorherige Ankündigung, geschweige denn ohne eine gemeinsame Aussprache untereinander – einen der Eckpfeiler unseres bundesrepublikanisches Demokratieverständnisses – euren Stadtteilbeirat aufgelöst bekommen habt. Das ist völlig uncool und wir hoffen, dass ihr in gemeinsamer Aussprache – auf gleicher Augenhöhe untereinander – die undemokratische Auflösung eures Beirats zurückweist und gemeinsam beratschlagt, wie ihr euren Stadtbeirat weiter lebendig haltet. Wir setzen auf euch und behalten euch weiter im Blick.
Stadteilinitiative Münzviertel
Der Förderpreis zur Schwächung demokratischer Strukturen geht an die VertreterInnen von SPD, CDU und FDP im Hauptausschuss der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte.
Gerade in diesen Zeiten, in denen es vermehrt Kräfte gibt, die demokratische Strukturen schwächen und zerstören wollen, ist ein Gremium wie der Stadtteilbeirat mit seiner aktiven BürgerInnenbeteiligung äußerst wichtig.
„Über Diskussion, Bewertung und Entwicklung einzelner Handlungsschritte soll der Stadtteil durch das Wissen und die Erfahrung der Bürgerinnen und Bürger mitgestaltet werden“ (Präambel der gültigen Geschäftsordnung des Stadtteilbeirat St. Georg vom 27.1. + 30.11.2016). Und nun wird dieses Gremium – gegründet 1979 – aufgelöst und ohne Mitwirkung der aktiven BürgerInnen, ohne deren Wissen und Erfahrung, soll ein Konzept für eine „Neuausrichtung“ erarbeitet werden.
Weil der Beirat die Mehrheitsverhältnisse im Bezirk nicht akzeptiert und immer wieder in Frage stellt? („Blätter aus St. Georg“ 7/2022).
Weil es im Stadtteilbeirat eine „Gruppierung“ gibt, die „ihre Positionen im City-Ausschuss bzw. der Bezirksversammlung durchsetzen möchte“? (Herr Schreiber ebd.).
Heißt das, die Entscheidungen werden nach parteipolitischen Kriterien getroffen – und nicht sachorientiert zum Wohl der BürgerInnen und/oder Gewerbetreibenden?
In meiner grenzenlosen Naivität einer Frau, die nie einer Partei angehörte, wünsche ich mir, dass Positionen zur Gentrifizierung, zur Wohnungs- und Verkehrspolitik usw. das Ergebnis eigenen Denkens sind und nicht des Gehorsams der Partei gegenüber.
„Habe Mut, Dich Deines Verstandes zu bedienen!“ (Kant)
Stärken Sie das bestehende demokratische Gremium Stadtteilbeirat und scheuen Sie nicht die Auseinandersetzung!
Liane Lieske, Anwohnerin
Stadtteilbeirat mit neuer „Ausrichtung“? Seit Jahrzehnten ist die Ausrichtung klar, dachte ich jedenfalls. Warum bedarf es jetzt einer neuen???
St. Georg ist ein Stadtteil mit den unterschiedlichsten, starken Persönlichkeiten …unangepasster als in manch anderem, würde ich sagen. Da werden die Für und Wider dann auch mal heftiger diskutiert. Beide Seiten sollten, unter Erwachsenen, doch aber damit klarkommen können, meine ich. Noch dazu mit gesprächsführender Moderation.
Ein Gremium, diverser und jünger, war zu jeder Beiratswahl ein Thema. Der freiwillige Nachwuchs ist aber etwas spärlich. Zwingen kann man allerdings auch mit einer Neuausrichtung niemanden.
Einzig … eine Verbesserung der bisherigen Ausrichtung wäre schön: Die Beschlüsse aus den Versammlungen sind ernstgemeinte Bewohner*innen-Anliegen. Sie sollten schon mehr Beachtung und Berücksichtigung im Bezirksamt finden.
Eine notwendige Neuausrichtung und die angeführten Gründe dafür leuchten mir allerdings nicht ein und ich frage mich, was das eigentlich werden soll? Eine komplette Aussetzung des Stadtteilbeirats St. Georg bis zum Sommer, mit ungewissem Ausgang, ist ein absolutes Unding.
Jana Topp, Stadtteilbeiratsbesucherin
Eine ganz perfide Taktik: man glänzt durch Abwesenheit beim Stadtteilbeirat, um ein paar Wochen später behaupten zu können, er sei nicht mehr repräsentativ! So geschehen bei der letzten Sitzung des Beirats Ende November, wo weder Vertreter des Bürgervereins St.Georg noch SPD-Mitglieder zugegen waren – was sonst immer der Fall war.
„Viel Kraft, Zeit und Auseinandersetzung werden in sehr kleinteilige oder sehr globale Themen investiert.“ – heißt es in der Drucksache 22-3516 des Bezirksamts. Was das wohl bedeuten soll? Kleinteilig: „nur“ auf den Stadtteil St.Georg bezogen? Sehr global: wenn etwa das Thema Klimawandel auch im Beirat auf der Tagesordnung steht, und diskutiert wird, ob und inwiefern St.Georg damit zu tun hat?
Jetzt kündigt das Bezirksamt Mitte an, der Stadtteilbeirat müsse ganz neu aufgestellt werden. Die bereits anberaumte Sitzung am 22. Februar findet nicht statt, frühestens im Sommer soll es irgendwie weitergehen. Mit maximal 2 Sitzungen jährlich, anstatt wie früher 10, und zuletzt 5. Zu befürchten ist, dass der Beirat nicht nur geschwächt, sondern komplett abgewickelt werden soll. Schon erstaunlich, wie man BürgerInnen-Beteiligung einfach so schrittweise abschaffen kann.
Ulrich Gehner, Mitglied im Stadtteilbeirat und des Runden BürgerInnentisches Hansaplatz
Als Wissenschaftler*innen, die im Bereich der Sozialen Arbeit seit vielen Jahren zu den Themen Quartiersentwicklung, Gemeinwesenarbeit, Theorie und Praxis einer demokratischen, inklusiven Stadtgesellschaft forschen und lehren, können wir den Umgang mit dem Stadtteilbeirat St. Georg in keiner Weise nachvollziehen. Das Engagement in den Stadtteilen zu fördern und erfreut zu sein, wenn Menschen sich in solchen Kontexten engagieren, sollte ein Anliegen der Politik sein. Und so haben wir die Politik im Bezirk Mitte bislang verstanden, genau das wird in vielen offiziellen Veröffentlichungen zur sozialen Stadtentwicklung und zur Bürger*innenbeteiligung ausdrücklich und zu Recht betont. Die Auflösung des Stadtteilbeirats und das ohne jegliche Diskussion ist das Gegenteil von dem, was der Bezirk, die Stadtentwicklungsbehörde und auch die Bürgerschaft an vielen Stellen immer wieder als Ziel formuliert hat.
Wir sind nicht nur beruflich in diesem Feld tätig, wir sind als Professor* innen der Hochschule für angewandte Wissenschaften auch Nachbarinnen in St. Georg. Die gute, und das bedeutet eben auch partizipative Entwicklung des Stadtteils liegt uns am Herzen. Der Stadtteil ist immer wieder Bezugspunkt, auch in unserer Lehre und für unsere Studierenden. Die Position des Bezirks ist gerade in diesem Kontext nicht vermittelbar.
Wir möchten Sie dringend bitten, ihre Position zu überdenken und die weiterarbeiten Stadtteilbeirats zu ermöglichen.
Prof. Dr. Sabine Stövesand und Prof. Dr. Simon Güntner, Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW)
Der Beirat St. Georg ist keine Spaß-Bude!
Es trifft zu, dass eine Reihe von Beiratsbesuchern wegen ihrer speziellen persönlichen Anliegen nur ein- oder zweimal zu den Beiratssitzungen kommen. Sie kommen dann leider nicht mehr regelmäßig wieder. Trotzdem wird der älteste Hamburger Beirat von 40 bis 70 Menschen besucht. Zu wichtigen Themen auch schon mal über 100. Allen stimmberechtigen Mitgliedern und BesucherInnen im Plenum geht es um – den Stadtteil betreffende – Themen: Informationen, Hinweise, Kritik und Wünsche nach Veränderungen. Man nennt dies Bürger:innenbeteiligung. Alle Anliegen werden ernsthaft, kritisch-konstruktiv und tatsächlich manchmal mit erhobener Stimme vorgetragen. Emotionen sind zulässig, wenn es z. B. um den Abriss eines Wohnhauses (Brennerstr. 80/82), die Kündigung der vier Geschäfte in der Danziger Straße geht. Und dort auch um die Umwandlung von 15 Miet- in Eigentumswohnungen.
Der ständige Vorwurf des SPD-besetzten Bürgervereins-Vorstandes, die vorgetragenen Anliegen seien nur parteipolitisch und von den Linken getrieben, treffen zu, wenn die vorgetragenen Probleme und Konflikte durch Beschlüsse, Verordnungen und Gesetze von CDU und SPD (z. B. Mietgesetze auf Bundesebene), SPD und Grüne (z. B. Wohnungsbau auf Bürgerschaftsebene) und SPD, CDU und FDP (z.B. aktuelle Auflösung des Beirates St. Georg auf Bezirksebene) verursacht und/oder zumindest akzeptiert und geduldet werden. So hat sich die Fraktion der Grünen jetzt im Hauptausschuss zu der Vorlage des Bezirksamtes zur Auflösung des bisherigen Beirates unverständlicherweise nur der Stimme enthalten. Und damit akzeptiert, dass „der Beirat in verändertem Format mit nur 2 jährlichen Sitzungen tagen darf (Zitat vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Oliver Sträter im Abendblatt).
Und sie sagen frech die Unwahrheit…
Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer (SPD) berichtet im Hauptausschuss des Bezirkes vom 31. Januar über die „schlimme Stimmung in den Beiratssitzungen“, ohne je selbst dabei gewesen zu sein. Dies sei „ein abschreckendes Thema und man sagt: dort geht man nicht hin.“ Herr Neubauer weiter (Originalzitat): „Wenn in dem Beirat offensichtlich ein solches Diskussionsklima herrscht, dass hier im Haus (Anm.: Bezirksamt) die Leute reihenweise darum gebeten haben, von dieser Aufgabe entbunden zu werden…“. Damit gemeint sein kann nur die/der Regionalbeauftragte, die/der die Sitzungen des Beirates begleitet und für die gegenseitige Kommunikation zwischen Beirat, Verwaltung und Politik verantwortlich ist. Im Abendblatt-Artikel berichtet Oliver Sträter auch: „drei bezirkliche Vertreter hätten deshalb auch schon aufgegeben“. Dies wegen einer angeblich „die interessierten Teilnehmer erschreckenden Diskussionskultur“. Im Beirat dafür verantwortlich seien die Linken, so der langjährige Beiratskritiker Markus Schreiber (u.a. SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, Vorsitzender Bürgerverein St. Georg und Bewohner einer Eigentumswohnung am Hansaplatz).
„Gleichlautende Kritik zum Beirat sei ihm von mehreren St. Georger:innen auch schon zugetragen worden“, sagt Clemens Willenbrock (Grüne) im Hauptausschuss. Dies obgleich er – wie auch seine offiziell benannte Vertreterin Urta Manjowk – als sogar stimmberechtigtes Mitglied des Beirats seit Jahren gar nicht an den Sitzungen teilgenommen hat!
Hörensagen!
Eine schlimme Form der Wahrheitsfindung. Ich empfinde dies als böse Verleumdung und Herabsetzung derjenigen, die sich seit Jahren ehrenamtlich für Belange in unserem Stadtteil einsetzen. Sehr häufig sogar mit Erfolg! Wenn wir Herrn Neubauer im Hauptausschuss glauben, „er könne keine Kollegin hinschicken, die nicht mit einer gewissen Robustheit ausgestattet ist“, stellt sich mir die Frage, warum selbst die bisherige („für den Beirat tatsächlich nebenamtlich tätige“) Fachamtsleiterin (F2-Führungskraft im FA Sozialraummanagement eine solche angeblich erforderliche „Resilienz“ nicht aufweist. Oder stört einfach nur, dass das Handeln oder Nichthandeln von Verwaltung und Politik durch engagierte Bürger:innen ständig und immer wieder hinterfragt und kritisiert wird?
Michael Schwarz, langjährig aktiv im Stadtteilbeirat
Den Stadtteilbeirat in St. Georg nach über 30 Jahren in seiner jetzigen Form aufzulösen, ohne die beteiligten Akteure zu informieren, geschweige denn mit ihnen zu diskutieren, ob -und wenn ja – warum er aufgelöst werden soll, ist empörend. Eine „Neuausrichtung“ anzukündigen, ohne die Mitglieder des Stadtteilbeirats über die Gründe zu informieren, sogar die bereits terminierte Stadtteilbeiratssitzung im Februar abzusagen, in der eine Auseinandersetzung möglich gewesen wäre, ist ein Schlag ins Gesicht aller Ehrenamtlichen, die sich zum Teil jahrzehntelang für die Belange der St. Georgerinnen und St. Georger eingesetzt haben.
Jutta Gritti, Stadtteilbeiratsbesucherin
Amputation des Stadtteilbeirats ohne Narkose
BezirkspolitikerInnen der SPD, CDU und FDP taten es, weil sie es tun konnten. Dieser rein machtpolitische Übermut der „Deutschlandkoalition“ in Hamburg-Mitte wird sich in das „Stadtteilgedächtnis“ einbrennen und dort einen hässlichen Brandfleck hinterlassen, wo früher mal die „Bürgerbeteiligung“ verortet war. Obwohl bereits versucht worden war uns „ungehobelte“ St. Georger Bürger durch die Einführung von Netiquette-Regeln politisch handzahm zu dressieren und zu narkotisieren, war die „Deutschlandkoalition“ mit ihrem Werk wohl noch nicht zufrieden und biss im Machtrausch zu. Möglicherweise wird sich diese Amputation als politischer „Kunstfehler“ herausstellen…
Andreas Geick, Besucher des Stadtteilbeirats
Wow,
als Delegierte der Sozialpädagogischen Initiative vertrete ich im Stadtteilbeirat eine große Anzahl an Organisationen in St. Georg die oft für die Menschen ihre Stimme erheben müssen, die nicht zur Normal- Bevölkerung des Stadtteils zählen. Häufig war der Beirat der einzige Ort, an dem diese Stimme auch öffentlich gehört werden konnte.
Ja, der Ton dort ist manchmal rau, und mehrfach wurde ich auch öffentlich von Menschen dafür beschimpft, dass ich meine Arbeit mache, engagiert mache.
Es ist schwer vorstellbar, dass „unsere“ politischen Vertreter jetzt entscheiden können welche Meinung und welcher Stil ihnen bei so einem Gremium passend erscheint.
Die Definitionsmacht wie ein Stadtteilbeirat zu agieren und funktionieren hat mit einem Handstreich zu bestimmen, hat viel mit Machtgehabe aber nichts mit demokratischer Entscheidungskultur zu tun. Dieses Verhalten ist despektierlich. Es ist respektlos gegenüber Allen, die sich als „gleichberechtigt“ für die Belange in diesem Stadtteil engagieren.
Gudrun Greb, Mitglied des Stadtteilbeirats
Machen wir uns nichts vor. Wir erleiden gerade eine Zeitenwende. Nach einer Epoche, die auf Dialog, Verständigung und dem Ausloten von Kompromissen setzte, erleben wir seit einigen Monaten, wie die Diplomatie durch Waffen ersetzt wird als gäbe es weder ein Gestern noch ein Morgen.
Dabei scheint es für die Entscheidungsträger keine Rolle mehr zu spielen, ob signifikante Teile der Gesellschaft einer anderen Meinung sind. Unablässig dreht sich diese Spirale der Eskalation, Dämonisierung und Polarisierung. Pazifismus, Kooperation, das Ausloten von gemeinsamen Interessen sind out. Stattdessen will man klare Kante zeigen und die eigene Perspektive als Maß des Handelns durchsetzen. Es ist eine neue geradezu missionarische Sehnsucht nach Eindeutigkeit. Wir sind die Guten! Dort ist der Böse. Hier die Demokraten, dort die Verschwörer, Schwurbler und Putinversteher. Die letzten Entscheidungen des „freien Westens“ für eine gnadenlose, kriegsvorbereitende Aufrüstung offenbaren die Gewaltbereitschaft dieser neuen Geisteshaltung.
Ich finde das beängstigend, aber ich vermute auch, dass die mangelnde Empathie auf den politischen Entscheidungsebenen für die Ansichten der Bevölkerung nicht nur im Großen der Bundes- und Weltpolitik, sondern inzwischen auch im Kleinen eines kommunalen Quartiers wie St. Georg angekommen ist. Oder wie kann man das sonst verstehen, wenn gewählte Volksvertreter die seit vielen Jahren engagierten BürgerInnen nicht mit einbeziehen bei den Entscheidungen über den Fortbestand des von ihnen besuchten Gremiums? Sicher könnte und sollte man auch diesen Beirat verbessern, doch nicht auf eine solch autoritäre Art und Weise.
Gewiss, die gewählte Politik hat dieses Entscheidungsrecht, wenn auch inzwischen durch immer weniger Stimmen legitimiert. Aber müsste sie nicht genau das sensibilisieren für die Stimmungen an der Basis und die Gefahr immer weiter zunehmender Politikverdrossenheit? Wo bleibt die Ausrichtung unserer Politik auf Verständigung um des gesellschaftlichen Friedens willen?
Vielleicht ist es ja der neue Geist aus dem Außenministerium, der nun überall beginnt Einzug zu halten. Wir werden nicht mehr gefragt, Im Großen nicht, ob wir denn im Krieg sein wollen und auch nicht im Kleinen, wenn es darum geht, ein begehrtes Bürgergremium umzugestalten.
Doch wohin soll das führen? Ein wenig kann man das inzwischen nachlesen. Nach jüngsten Erhebungen zum Jahreswechsel nimmt das Vertrauen der Bürger- und Bürgerinnen in die Politik abermals dramatisch ab. Beispielhaft verliert die Bundesregierung zum Jahreswechsel 2021/22 weitere 22% an Zustimmung und kommt nun auf 34 % Vertrauensbonus. Bei den politischen Parteien soll das Vertrauen um weitere 7% auf 17% zurückgegangen sein. [1]
Müsste das nicht ein politischer Weckruf sein, wenn die überwiegende Mehrheit einer demokratischen Gesellschaft ihr Vertrauen in die politische Elite derart verloren hat? Müsste man da nicht mit allen Mitteln gegensteuern? Müsste man nicht ein Moratorium beschließen und fortan jede große und kleine Entscheidung mit BürgerInneninteresse erst einmal öffentlich diskutieren bevor man entscheidet? Sollten nicht Beteiligung und Dialog zukünftig an die erste Stelle gesetzt werden, damit Vertrauen und politische Legitimität wieder wachsen können?
Oder wohin wird aus Sicht der Politik diese Entwicklung wohl führen? Leisten wir uns in Zukunft ein gut bezahltes politisches Theater ohne interessierte Zuschauer? Und was wird aus denen, die damit nicht einverstanden sind? Früher hatten wir noch Terroristen, inzwischen warnt der Verfassungsschutz vor den so genannten Systemfeinden, vor Menschen, die sich offenbar zunehmend von diesem Gesellschaftssystem nicht mehr vertreten sehen. Aber dieses Phänomen ist doch nicht vom Himmel gefallen!
Manchmal frage ich mich inzwischen im Angesicht einer so sehr von sich selbst als gut und richtig überzeugten Politik, ob wir uns schon gen Notstandsgesetzgebung bewegen, sollte einmal ihr Machterhalt infrage gestellt sein. Noch ist das nur eine Sorgenphantasie, aber es ist schon so viel Undenkbares geschehen in der letzten Zeit.
Unser parlamentarisches System braucht Mitwirkung und mehrheitliche Identifikation. Das ist der Weg! Eine stille Kündigung wäre sein Ende. Für das dann drohende Szenario bräuchten wir nur in die Geschichte zu schauen.
Antje Schellner, Anwohnerin, und Kay Kraack, ehemaliger Pastor und Stadtteilbeiratsbesucher
Der Einwohnerverein St. Georg lädt ein:
Protest gegen die Auflösung und Perspektiven des Stadtteilbeirats St. Georg |
[1] RTL/ntv-Trendbarometer Dezember 2022